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Brief vom 18. September 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1262.


[227]
St Clou den 18 September 1721 (N. 26).
Hertzallerliebe Louise, ich fange ahn, recht in sorgen vor Eüch zu sein, den seyder vergangenen sontag 8 tag habe ich nichts von Eüch gehört, noch gesehen, da ich doch ordinarie alle woche zwey schreiben von Eüch, liebe Louise, gewohnt bin zu entpfangen. Daß setzt mich recht in sorgen, ich [habe] aber dieße sorgen nicht von nohten, umb von hertzen trawerig zu sein, bin es ohne daß. Den gestern morgen haben wir endtlich unßere arme großhertzogin verlohren, welches ich, wie Ihr wist, lengst gefürcht habe. Aber waß gar wunderlich ist, ist, daß sie vorgestern morgen so woll war, daß man I. L. über den graben meinte; sie konte wider speyen undt woll reden, fühlte aber doch, daß ihr endt sich nahete, sagte zu einer krancken-wartterin vom l’autel dieu[1]: Je sens que je me meurs, ließ ihren curé de St Paul hollen, so sie vor etlichen tagen vorher comunicirt hatte. Der hatt ihr biß ahn ihr endt zugesprochen, solle gar ein feiner geistlicher sein. Abendts zwischen 9 undt 10 kam ihr ein starcker frost undt fieber ahn, sie machte die augen selber zu, hatt nach undt nach die sinen verlohren undt ist gestern morgen umb 10 uhr verschieden[2]. Nachmittags umb 1 ist mir ihr chevallier d’honneur, monsieur de Ceppeville[3], dieße [228] trawerige zeittung sagen kommen, welche mich recht trawerig macht, undt die sorgen, worinen ich vor Eüch bin, liebe Louise, machen mich nicht lustiger. Gott gebe, daß ich zu meinem trost baldt schreiben von Eüch entpfangen möge! Unterdeßen will ich Eüch verzehlen, waß wir neües hir haben, welches mir, ob es zwar keine böße zeittung ist, mir doch einen abscheülichen schrecken eingejagt hatt, daß mir arm undt bein davon gezittert haben. Monsieur Teray will mir nicht erlauben, nach dem nachteßen zu leßen, oder zu schreiben; so gehe ich gleich ahn mein[e] toillette undt, wen ich außgezogen, nach bett. Also war ich vergangen sontag umb halb 9 in mein bett. Wie ich gegen 9 eben ahnfing, zu schlumern, werde ich erwecket durch ein groß geraßel von einer post-chaise. Ich schel[l]te gleich undt ließ fragen, waß es were. Da sahe ich auff einmahl meines sohns erster kammer-juncker in mein cammer kommen, undt wie er bleich ist undt dick dabey undt gleich schnaufft, wen er eine stiege steygt, so war er bey seinem blaßen gesicht auß dem ahtem. Wer hette mitt dießen umbstanden nicht gemeint, daß ein unglück geschehen were? Wie er mich aber so erschrocken sahe (den ich glaube, daß ich woll so bleich, alß er selber ware), sagte er gleich: Madame, ne vous effrayes pas! je ne vous porte que des bonne[s] nouvelles. Il est arrives un courier d’Espagne, le roy d’Espagne escrit au roy et a monseigneur le duc d’Orleans et demande que l’on fasse le mariage du roy avec son infante et qu’a cette intention il envaira[4] ce primtemps l’infante, sa fille, icy pour estre elevée en France[5]. Monseigneur n’a pas voulu tarder [229] a vous le faire savoir, il est si las d’avoir estes 12 heures au conseil, qu’il n’a pust[6] vous escrire n’y venir luy mesme. Ich sagte: O, passe pour celuy la! Aber ich muß nun meine pausse machen undt mich ahnziehen, dießen nachmittag werde ich dießen brieff schließen. Wolte gott, ich konte dabey setzen, daß ich etwaß von Eüch, liebe Louisse, entpfangen! Ich [muß] doch noch sagen, daß die duchesse de Vantadour[7], so meine hoffmeisterin geweßen, dießen frühling die infantin abhollen wirdt undt solle sie erzigen[8]. Nun muß ich ernstlich auffhören, zu schreiben, muß doch noch dieß bladt enden, aber mitt nichts lustiges, den ich bin von hertzen trawerig.
Donne[r]stag, den 18 September, umb ein uhr undt ein viertel nachmittag.
Da kommen wir eben von taffel, liebe Louise! Ihr müst mir heütte keinen danck wißen, daß ich gleich na[c]h dem eßen schreibe; den thäte ich es nicht, müste ich mich heütte den halß abplaudern, den wir haben gar viel an unßerer taffel gehabt. Wir wahren 11 ahn taffel, madame la chancelliere undt sonsten noch 4 damen, alß madame de Mérinville, welche freüllen bey der große[n] mademoiselle[9] geweßen, madame d’Oisy[10], so von meinen freüllen geweßen, hette schir auff gutt Teütsch und Pfältzisch jüngfern gesagt; dieße verenderung ist mir auch unleydtlich. Ich weiß noch nicht, ob ich heütte waß von Eüch bekommen werde, den mein courir ist noch nicht ahnkommen. Die andern zwey damen seindt meines ersten escuyer fraw undt dochter, die kene ich gar wenig undt erst, seyder wir hir zu St Clou sein, also, wie Ihr segt, eine gar neüe [230] kundtschafft, [über] welche ich wenig zu sagen weiß; bin also hertzlich fro, eine occasion zu finden, so mich ahn schreiben ahnhalten kan undt also mitt ehren ahn reden verhindern, gott lob! Alles, waß ein gezwungen werck ist, ist mir unleydtlich, den ich bin sehr naturlich. Mich verlangt unerhört, biß mein courir von Paris kompt. Da kompt er eben ahn undt erfrewet mich mitt Ewer liebes schreiben von 6, no 66. Aber wie ich in meinen schiffern nachgesucht habe, so fehlt mir entweder eines von Eüern lieben schreiben, oder Ihr müst Eüch verschrieben haben; den Ewer letztes schreiben, so ich von Eüch entpfangen, war von 30 Augusti, no 64; also muß mir nohtwendiger weiß eines fehlen von no 65, oder, wie schon gesagt, so müst Ihr Eüch verschrieben haben. Ich bin froh, daß Ihr doch entlich 2 von meinen brieffen entpfangen habet; Ihr werdet noch mehr bekomen, liebe Louise, den ich habe gar gewiß keine eintzige post verfehlt. Es ist aber auch zeit, daß ich auff Ewer liebes, schreiben komme. Es ist just daß schreiben vom mitwog, [dem] 3ten, so mir fehlt, den daß habe ich gar nicht bekomen. Gott weiß, wo es hin kommen ist Daß ist doch recht verdrießlich. Ihr soltet doch dem postman von Bingen schreiben laßen, umb zu [erfahren], waß er mitt Ewer paquet gemacht hatt. Die folgende schreiben werden Eüch meine kranckheit berichten; aber seydt in keine[n] sorgen mehr, liebe Louise! Ich bin nun wider gantz gesundt. Madame la princesse ist wieder von ihr Annette[11] kommen, war im ahnfang incommodirt, aber nun sein I. L. wider gantz woll. Unßere hertzogin von Hannover ist in perfecter gesundtheit, I. L. kamen gestern abendt her. Daß ist in meinem sin recht betrübt, wen man sich so alle jahr abnehmen sicht. Bey mir aber hatt es erst ahngefangen, wie ich 60 jahr alt worden bin, aber seyder die 9 jahr hatt es allezeit zugenohmen undt alle jahr [ist] waß neües übels kommen, muß also noch viel erwartten, wofern ich lenger zu leben habe. Er kraust[12] einem recht, wen man ahn die abscheüliche undanckbar[keit] gedenckt, so man taglich hir ahn allen orten sicht. Aber hirvon were zu viel zu sagen, wen ich die exempel ahnziehen solte, so ich weiß. Es ist gar war, liebe Louise, daß es beßer ist zu gutt, alß zu böß, zu sein, aber die gerechtigkeit bestehet so woll in straffen, alß recompensiren undt eins ist [231] gewiß, wer sich von den Frantzosen nicht zu förchten macht, muß sie baldt förchten, den sie verrachten leicht, waß sie nicht [zu] förchten haben[13]. Drumb wolte ich gern, daß mein sohn nicht so gar gutt wehre. Daß ist meine hoffnung, daß unßer herrgott, so ihm dieß gutt undt barmhertzige gemüht geg[eb]en, ihm auch ferner beystehen wirdt undt gegen seine boßhafftige feinde beschützen. Aber da kompt mein eßen, ich muß enden. Biß sambstag, so mir gott leben verleyet, werde ich auff Ewer liebes schreiben vollig antwortten, nun aber nur sagen, daß ich Eüch biß ahn mein endt von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. September 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 227–231
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1262.html
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