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A madame Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckforth.
St Clou den 20 September 1721 (N. 27).
Hertzallerliebe Louise, ich habe gehofft, daß Ewer verir[r]tes
schreiben vom 3, no 65, sich wider finden würde, aber es ist noch
nicht gekommen. Ich habe woll gethan, vergangen donnerstag Ewer
liebes schreiben vom 6, no 66, nicht vollig zu beantworten, den
sonsten hette ich heütte nichts zu sagen gehabt. Den seyder der
armen großhertzogin todt habe ich gar nichts neües vernohmen.
Wie alle trauern auff die helffte retranchirt sein, so wirdt unßere
trawer auch nur 3 wochen dawern; den alß geschwisterkindt mitt
Monsieur s. hette es 6 wochen wehren sollen. Aber genung hirvon,
ich komme wieder auff Ewer liebes schreiben. Ich war geblieben,
wo Ihr mir von der fürstin von Ussingen brieff sprecht. Ich habe
ihn gleich nach Paris ahn madame de Dangeau geschickt; dießmahl
aber werde ich die andtwort nicht schicken können, den mein courir
hatt madame Dangeau nicht zu hauß gefunden, ist auff dem landt,
wirdt aber in ein par tagen wider komen. Ich glaube also, daß,
wo mir gott daß leben biß auff zukümfftigen donnerstag lest, daß
ich Eüch alßden die antwort schicken werde. Dieß bitte ich Eüch,
liebe Louise, der fürstin von Ussingen zu wißen zu thun undt ihr
mein compliment zu machen undt zu sagen, daß sie mir keine
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dancksagung schuldig ist, ihre brieff zu bestehlen
[1], den ich mir selber
gefahlen thete, wen ich einige gelegenheit finde, so ihr ahngenehm
sein könte. Wie ich sehe, liebe Louise, so seydt Ihr eben so
geschaftig, alß eine mauß im kindtbett, wie man in unßer lieben
Pfaltz sagt. Umb ein kindtbett zu halten, da muß man raum
haben; es würde Eüch aber ungemachlich fallen, wen Ewere niepce
in ein anderes hauß, alß daß Ewerige, kindtbetterin werden solte.
Reißen vor Eüch kan nicht ungesundt sein, aber ich fürcht, die
schwangere fraw thut nicht woll, so herumb zu schwürmen, es ist
gefährlich. Wo zu gegen ligt Altorff
[2], liebe Louise? Sich mühe
zu geben vor die, so man lieb hatt, ist mehr lust, alß qual, aber
es gehört noch waß dazu, nehmblich daß die, so man dint,
erkandtlichkeit davor haben undt sich danckbar erzeigen, welches in
jetzigen zeitten rare sachen sein. Gott gebe, daß Teütschlandt dieße
frantzösche mode nicht folgen mag! Es ist mir lieb, daß Ewern
kindern mein ahndencken ahngenehm geweßen. Wen Ihr meint,
daß es ihnen lieb ist, so macht ihnen wider meinen freündtlichen
gruß! Umb daß kinder schön sein mögen, müßen sie fett sein;
magere kinder seindt nie schön
[3]. Die kinder mercken gar geschwindt,
wer sie lieb hatt. Ich habe meine adresse auff Franckforth gleich
gemacht. Ihr thut mir einen rechten gefahlen, mich zu wahrnen,
daß Ewere bri[e]ffe von Altorff gar langsam gehen werden; sonsten
würde ich in sorgen geweßen sein, wie ich schon in dießer wochen
geweßen bin, ehe ich Ewer liebes schreiben vergangenen donnerstag
entpfangen. Ich verfluche alle posten von dem ersten biß auff den
letzten, sie seindt gar zu unleydtlich. Es ist nie so ellendt mitt
der post geweßen, alß nun. Daß thut der pure geitz, Torcy will
post-pferdt sparen, die post-meister wollen noch drauff gewinen,
daß also jetzt alles in unordenung ist. Gestern war es woll daß
schönste wetter von der welt, ich machte mirs zu nutz undt
spatzirte braff zu fuß eine gutte stundt. Hirauß segt Ihr woll, liebe
Louise, daß ich wieder gantz in perfecter gesundtheit bin, gott lob!
Also seydt nur in keinen sorgen mehr meinetwegen, liebe Louise!
Es ist zum endt jusques au revoir, den bey alten weibern, wie ich
bin, die ihr 70 jahr lauffen, ist keine gar beständige gesundtheit
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zu hoffen. Aber waß will man thun? Man muß sich woll in den
willen gottes ergeben, in deßen schutz ich Eüch befehle, undt so
lang mir der allmachtige daß leben lest, so sey[d] versichert,
hertzallerliebe Louise, daß ich Eüch von hertzen lieb behalten werde!