Seitenbanner

Brief vom 16. Oktober 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1270.


[247]
St Clou den 16 October 1721 (N. 33.)
Hertzallerliebe Louise, vergangen sontag bin ich mitt zwey lieben schreiben von Eüch erfreüet worden, von 27. 30 September, no 70. 71, worauff ich heütte hoffe vollig zu andtwortten; fange bey dem frischten ahn. Ey, liebe Louise, bekümert Eüch nie, wen Ihr klecken ungefehr[1] in Ewern schreiben macht! Den da frag ich kein haar nach, wie auch, wen daß papir verrißen ist; wen nur die wörter nicht zerreißen, ist schon alles gutt. Es ist mir viel lieber, daß ich Ewere liebe schreiben so entpfange, alß wen sie mir gar [248] außblieben. Also, liebe Louise, macht mir keine entschuldigungen mehr! sie seindt ohnnöhtig undt langweillig. Vor die medaille dancke ich gar sehr, hatt[2] mir einen rechten gefallen gethan. Verleydt mir gott leben undt gesundtheit, werde ich es biß mitwog zu Paris in meine kist thun. Man hatt mir vergangen mont auch ein rar stück geben, nehmblich der baron von Zorn. Ich weiß nicht, wo er es ertapt hatt[3], es ist ein brieff von des königs in Böhmen eygener handt ahn die königin, seine gemahlin, in Frantzösch. Ich wils Eüch abcopiren laßen undt erste post werde ich es schicken. Man kan meinen kerl nicht finden, der mir abschreibt, sonst hette ich es Eüch heütte geschickt. Freylich hatte ich die medaille nicht, so Ihr mir geschickt habt, liebe Louise, dancke Eüch gar sehr davor nochmahlen, werde es allezeit behalten; es ist gutt golt, man hatt Eüch gewiß nicht betrogen. Aber da kompt meine kutsch; es ist das schönste wetter von der welt, ich muß ein wenig spatziren fahren.
Donnerstag umb ein viertel auff 7.
Wie ich auß dem gartten kommen, ist mein sohn zu mir kommen undt wir haben anderthalb stundt geplauttert. Darnach habe ich ein brieff von 20 seytten von unßer lieben printzes von Wallis [bekommen]. Wie ich außgeleßen, hatt man ins abendt-gebett geleütt, wo ich jetzt eben herkomme; will ich Eüch weyter entreteniren. Ich komme wider auff Ewer liebes schreiben, wo ich geblieben war, ehe wir spatziren gefahren. Es war ahn der historie von John, so so seüberlich gefahlen. Eine gleiche avanture hatt mich zu Versaille vor etlichen jahren auch woll hertzlich lachen machen, den er wolte mein bassin von meiner chaisse percée geschwindt weg tragen, so gantz voll war; er nimbt nicht in acht, daß daß lit de veille[4], wo die erste cammerfraw, so in meinem cabinet schläfft, schon gemacht war, stost ahn die matrassen ahn undt falt mitt der cravatte undt gesicht in die unsauber schüßel. Es stank in dem cabinet, daß ein[e]r bersten mögt, aber ich meinte, [zu] sterben vor lachen; erstlich, so kan ich niemandts, wer es auch sein mag, fallen sehen ohne lachen; wen ich selber fall, muß ich lang lachen, ob ich mich gleich wehe thue[5]. Wen unßere königin s. fiel, lieff ich [249] gleich weg. Sie trug gar hohe schu, fiel offt undt sagte allemahl: Ah, je suis tombé[e]; daß konte ich nicht horen ohne lachen, lieff also geschwindt weg in eine andere kammer. Wen ich Eüch bitte, liebe Louise, mir keine medaillen zu schicken, so ist es, weillen ich Eüch nicht gern ungelegenheit mache; den daß seindt thewere wahren undt ich will Eüch nicht gern ruiniren, mögte viel mehr, daß es mir möglich wehre, Eüch reicher zu machen, alß Ihr seydt, alß armer, undt offt ist es mir eine größere pein, nichts vor Eüch zu thun können, liebe Louise, alß offt selber zu leyden. Den es ist gewiß, daß ich offt eben nicht gar viel zum besten habe. Diß gantze jahr biß auff dieße stundt ist mein hauß kein heller gegeben worden, aber mein schatzmeister hatt mein voriges gelt so gespart, daß ich doch alle mont mein menus plaisir[s] habe haben können. Aber alles wirdt baldt wider gutt werden, wie mir mein sohn versprochen hatt dießen abendt, also will ich mich auch gar nicht drüber bekümern. Ewere schachtel ist bezahlt, also macht Eüch keine gedancken drüber! Ich sage Eüch die pure wahrheit. Ich fürchte, liebe Louisse, daß graff Degenfelt undt Ewer niepce Eüch undt mich werden außgelacht [haben], alß Ihr ihnen alle die babiollen[6] gewißen habt, so ich Eüch geschickt. Aber ich hoffe, daß sie den gutten willen vor daß werck werden erkendt haben. Grüst sie doch alle gar freündtlich von meinetwegen! Ist den kein stall bey dem schonbergischen hoff? Wo stehlten den die vorfahr[e]n ihre pferdt hin? Ich bin fro, daß Ewere niepce die reiße von Altorff nicht gethan; es hette ihr schaden können. Ich bin auch fro, daß sie starcker wirdt; daß ist ein zeichen, daß unßere gutte, ehrliche teütsche lufft ihr gutt ist undt daß ihr mager-werden keine zehrung geweßen. Nach ihrem kindtbett wirdt sie fetter werden. Gott gebe, daß die liebe all ihr leben dawern mag! Freylich frewet mich mademoiselle de Mon[t]pensier heüraht mitt dem printzen des Asturie[s] undt nicht Austerien, wie Ihr es geschrieben. Behütte mich gott, kindtskinder von ihnen zu erleben! Ich bin schon alt genung, liebe Louise, habe abscheüen vor hohes alter; aber ich muß wollen, waß gottes willen ist. Ich muß enden undt noch einen kleinen brieff schreiben, darnach eßen undt schlaffen gehen. Adieu, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt versichere [250] Eüch, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. Oktober 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 247–250
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1270.html
Änderungsstand:
Tintenfass