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Brief vom 18. Oktober 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1271.


[250]
St Clou den 18 October 1721 (N. 34).
Hertzallerliebe Louise, vergangenen donnerstag konte ich ohnmöglich Ewer liebe schreiben gantz außbeantwortten. Mein sohn hatte mich zu lang auffgehalten, ich hatte nohtwendige sachen mitt ihm zu reden. Den diß gantze jahr biß auff dieße stundt habe ich nichts bekommen, man ist mir also 650/m. francken schuldig, aber daß wirdt widerkommen. Mitt der zeit kam Jean ins wammes, er zog aber 7 jahr ahn eine mau[1]. So mögte es auch woll gehen, aber daß ist meine geringste bekümernuß. Daß ist eine langweillige sache, last unß von waß anderst reden! Ich ware letztmahl ahn Ewere niepce geblieben, die in unßern ehrlichen Teütschlandt wider … Es ist viel, daß sie zunehmen kan, da sie so grob schwanger ist; daß weist doch, daß ihr die lufft gutt ist. Ist den graff Degenfelt nicht zu Franckforth bekandt geweßen, ehe er in Englandt gereist ist? Aber sein[e] gemahlin muß woll unbekandt sein. Der englische undt preüssische resident seindt zu allen zeitten Ewere gutte freünde geweßen, also kein wunder, daß sie offt zu Eüch kommen. Danckt die fürstin von Ussingen vor ihr compliment undt sagt ihr viel schonnes von meinetwegen! Das die großhertzogin sich so ellendt hatt begraben laßen[2], solle eine exempel von demuht sein, welches ich aber gar nicht aprobire. Den wen unßer her[r]gott in einem standt [uns leben läßt], ist es unßer beruff, müßen also so woll sterben, wie wir gelebt haben. Sich in andere trachten zu kleytten, ist eine masqueraden, so ein recht ridicule gibt; hette sie mich rahts drumb gefragt, hette ichs ihr nicht gerahten. Aber da schlegt es halb 11, ich muß mich ahnziehen. Umb 2 nachmittags werde ich nach Madrit undt umb 4 wieder dort weg, undt so baldt ich wider werde ahnkommen sein, will ich dießen brieff außschreiben. Nachdem ich in der capel mein abendts-gebett werde [251] verricht haben, will ich Eüch entreteniren, biß ich mein klein nachteßen verichten werde, endtweder ein par schenckel von einem gebratten hüngen oder ein stückgen von einem hamelschlegel oder ein stück boeuff a la mode.
Sambstag umb halb 2 uhr nachmittags.
Es ist eine halbe stundt, daß wir von taffel kommen, aber weillen ich noch eine halbe stundt habe, ehe meine kutschen kommen, will ich Eüch noch ein wenig entreteniren, liebe Louise! Ich muß alle tag endern mitt meinem eßen, ich finde, daß ich keine Frantzoßin bin; den waß sie einen tag eßen, freßen sie daß gantze jahr durch. Daß kan ich nicht thun, ich muß im eßen allezeit endern. Aber da kompt meine kutsche ahngestochen, ich muß meine vissitten zu Madrit ablegen.
Samstag umb halb 8 abendts.
Ich habe eine trawerige reiß gethan. Wie ich zu Madrit ahnkommen, habe ich die arme Chausseray[e] in vollen threnen gefunden, bin recht erschrocken. Sie hatt aber recht, betrübt zu sein; den ihre arme junge niepce a la mode [de] Bretagne[3], die sie in ein par mont hatt heürahten wollen ahn einen sehr raisonablen edelman, so offecirer in des konigs gendarmen ist, sie ist noch kein 12 jahr alt, war vorgestern frisch undt gesundt undt nun liegt sie in den zügen, man erwart nur ihr endt. Daß arme kindt jammert mich von hertzen. Ich folge die neüe maximen gantz undt gar nicht, halte mich ahn die alten, wie ich es bey unß gelernt habe. Umb allezeit bekanten todt zu erfahren, mag man nur lang leben, den man muß sterben oder sterben sehen. Liebe Louisse, ich weiß gewiß, daß Ewer kauffman von 74 jahren Eüch gejamert hatt, zu sterben; den es thut einem leydt, alte kundtschafften zu verliehren, insonderheit wen es gutte, ehrliche leütte sein. Einem sagt man, er sterbe von kurtzem ahtem, ein anderst von fieber oder dergleichen, aber wovon man eygendtlich stirbt, ist, daß die bestimbte stundt gekommen ist. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben von no 71 vollig beantwortet. Ich komme jetzt auff das von no 70. Aber da [252] kompt Wendt undt plagt mich, umb zu nacht eßen. Wie ich von Madrit komen, habe ich damen hir gefunden undt nach dem gebett hab ich den [englischen] ambassadeur, monsieur Souton[4], hir gefunden mitt monsieur Schaub, graff Hoim[5] undt ein neveu von mylord Stairs, die haben mich biß nach 7 auffgehalten. Adieu, liebe Louise! Ich kan heütte ohnmoglich mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. Oktober 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 250–252
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1271.html
Änderungsstand:
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