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Brief vom 20. November 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1280.


[272]
St Clou den donnerstag, 20 November 1721 (N. 42).
Hertzallerliebe Louise, seyder vergangen sambstag, da ich auff zwey von Ewern lieben schreiben geantworrdt, habe ich nichts von Eüch entpfangen, aber ich habe noch zwey alte brieff von Eüch; die hoffe ich heütte zu beantwortten. Ich will Eüch aber vorher sagen, liebe Louise, daß unßer spanisch mückelgen[1], wie Lenor sie alß heist, vergangen dinstag nach Spanien auffgebrochen. Ihr her[r] vatter hatt sie biß auff eine frantzösche meill[e] begleydt undt ihr bruder biß ins erste nachtläger, ist nachts wieder kommen. Sie ist bey keinem schönnen wetter weg, den es war ein so erschrecklicher dicker nebel, daß man keine zwey schritt vor sich sehen konte. Ihre schwesterger kammen abendts gantz trawerig her, ich ließ ihnen aber colation geben, Muscketeller[2] drauben undt gebrattene kästen[3] undt ließ sie braff in der cammer herumb springen, da wurdt alles leydt vergeßen. Ich muß Eüch aber auch meine reiße von vergangenen sontag verzehlen, liebe Louise! Ich fuhr gegen 10 uhr hir weg geraht ins Palais-Royal, stieg bey madame la duchesse d’Orleans ab. Die fandt ich occupirt, ihr breüdtgen zu bützen en grand habit. Man wieße mir die pressenten, so sie bekommen; der könig hatte eine complette parure von demanten gegeschickt, 5 attachen[4], 2 kleine ahn den rock, ein crochet[5] hinden undt mehr, alß ein dutzent, demanden knöpff. Mein sohn hatt ihr geben eine schnur perlen, demanten ohrgeheng, viel große demanten poinçon[s][6] in die haar zu stecken, ein demanten colié[7], so von lautter kleinen brillants, woran ein große pandeloque[8] gar schön hengt von einen gantz runden brillant, auch demanten ring, gar schon. Madame d’Orleans hatt ihrer braudt eine complette parure von pier[r]e de coulleur [gegeben], kan ein gantz kleydt mitt brodiren[9]. Wie es 12 schlug, bin ich nauff in mein cammer, wo mein sohn mitt seinen sohn kam, undt wir gingen ahn [taffel]. Vor undt nach dem eßen sahe ich die prépar[a]tif[s][10] zu dem bal, die recht [273] magnifiq wahren, 5 große buffets mitt vergülte körb voller pomerantzen, cittronen, grenaden[11], limon[en] undt hundert bouteillen von vin de Champagne bey jedes buffet, daß machte 500 bouteillen, allerhandt andere liqueurs undt 43/m paquetten mitt confituren. Nach dem eßen ging ich wieder in mein cammer undt umb 2 zu der braut, ihr adieu [zu sagen]. Sie sagte mir kein wordt, vergoße keine eintzige threnen; daß bekamme mir gar woll, den es machte mich auch mehr lachen, alß weinen. Wir solten umb 3 zum könig fahren, aber meines sohns gemahlin, so nie keine eyll hatt, war occupirt, ihre 2 jüngste döchter zu butzen; daß machte unß eine stundt wartten. Umb 4 fuhren wir aux Thuilleries, stiegen in meines sohns apartement ab, biß alles droben versamblet war; da gingen wir hinauff zum könig. Wie daß gantz[e] königliche hauß versamblet war, ginge der könig in sein groß cabinet, hat sich hinter eine taffel gestelt; hint[e]r ihm war sein capitaine des gardes, auff der lincken seyden der grand chambelan undt premier gentilhomme de la chambre de [l’année]. [Der] erste ist der duc de Bouillon, der zweyte der duc de Mortemare[12]. Ahn der taffel stundt auff der rechten seyten der cardinal, der ruffte daß gantze königliche hauß, wie wir stehen solten, eins nach dem andern, ich bey deß königs taffel auff der rechten seytten, auff der lincken seytten stundt mein sohn undt also eines nach dem andern, ein jeder in seinem rang. Nachdem wir alle gestelt waren, welches von deß königs taffel ahn hiß zu den fenstern hilt, wie wir alle gestelt waren, befahl der marechal de Villeroy, daß man 2 hu[i]ssier[s] zum endt deß cercle stellen solte, damitt die ambassadeur ohne ambaras durchgehen konten. Die kamme[n] mitt einer großen suitte, nehmblich der duc d’Ossone undt monsieur Lolles, ein Irländer, so nur ambassadeur vor den tag, nur abgesanter war. Sie gingen alle beyde wie durch die brell; den wir wahren recht rangirt, alß wen man jemandts durch die brell führt. Nachdem der duc d’Ossone, so daß wordt führt mitt dem könig, den hutt auffgesetzt, [thaten es] woll alle, alle fürsten vom hauß undt alle printzen vom hauß Lotteringen, Rohan undt Bouillon. Diß solte den ducs et pair[s] doch weißen, daß ein unterschiedt zwischen ihnen undt den fürsten; den sie dörffen den hut nicht in dießen audientzen auff thun, noch die ambassadeurs zu den [274] audientzen führen. Aber daß ist ihre sach undt nicht die meine, die meine ist heütte, Eüch dieße gantze ceremonie zu beschreiben. Nachdem der marechal de Villeroy vor dem könig geantwortet hatt, hatt alles, der könig selber, den hutt wieder abgezogen. Der secretaire d’estat hatt den heürahts-contract geleßen undt [wir haben ihn] nach der ordenung undterschrieben. Seindt nur 4 platz ledig blieben, madame d’Orléans, so sich nicht mehr schnüren kan noch will[13], madame la duchesse, so einen bludtsturtz hatte, undt die geheürahte printzes de Conti, so schwanger ist undt sich deßwegen nicht ahnthun kan, undt die große printzes de Conti, so zu Choisie[14] ist undt nicht nach Paris kommen. Nach die signature vom königlichen hauß hatt man die ambassadeur[s] geruffen, so ahm randt unterschrieben haben; hernach ist ein jedes wieder nach hauß. Eine halbe stundt hernach ist der könig kommen, hatt seinr baßen[15] in ihres herr vatters cammer besucht undt adieu gesagt. Wir seindt hernach alle mitt dem könig ins opera. Man hatt die loge geendert; ahn statt der bancke hatt man deß konigs chaise a bras nein gesetzt, auff rechten undt linken seytten wahren 2 tabouret, ich saß auff einem, mein sohn auff dem andern, hint[e]r mir saß der marechal de Villeroy, hinter dem könig saß der capitaine des garde[s] en quartier, der duc d’Harcour[t], neben ihm der duc de Bouillon alß grand chambellan undt neben ihm der duc de Mortemare[16], premier gentilhomme de la chambre en année. In der zweytten logen wahren die 3 kleine printzessinen, wahren mitt meiner dame d’honneur, die duchesse de Brancas, undt der printzessinen hoffmeisterin. In der logen neben mir war mein enckel, der duc de Chartre[s], monsieur le duc undt der kleine conpte[17] de Clermont, monsieur le duc 2tes brüdergen. Neben ihnen wahren meine andern damen, nehmblich madame de Chasteautier[18] undt Lenor. Man spilte l’opera de Phaeton[19] recht schön undt woll, hatten lautter neüe undt magnifique kleyder; daß theatre wahr auch viel heller, alß ordinari, undt hatte viel mehr lichter. Der könig divertirte sich recht woll, war gar lustig. Nach dem opera fuhr der könig zu seinem nachteßen au[x] Thuillerien undt ich setzte mich mitt madame de Chasteautier undt Lenor in [275] mein kutsch undt fuhr wieder hieher, aß wenig zu nacht; den Paris hatte mir kopffwehe geben, wie offt geschicht. Gleich nach dem eßen zog ich mich auß, bette[20] undt ging nach bett. Andern tag alß montag habe ich erfahr[e]n, daß der könig umb 10 zum ball wider gangen, ist biß umb 12 bey dem ball geblieben, hatt sich sehr lustig gemacht undt von hertzen gedantzt, welches der könig über die maßen woll thut. Sie haben meinen sohn wider seinen willen undt danck auch dantzen machen. Nachdem der könig weg, hatt man die mascken kommen laßen undt mein sohn hatt den bal biß 8 morgendts fort geführt. Ich hatte gehofft, noch dießen abendt auff Ewere zwey schreiben zu andtwortten, aber mein sohn ist umb 4 zu mir kommen; wir haben geplaudert biß nach 6, da bin ich betten gangen. Ehe mein sohn kommen, habe ich ein liebes schreiben von Eüch entpfangen vom 8 November, no 81; aber weder auff dießes, noch auff die 2 ersten kan ich heütte andtwortten, den nach monsieur Teray befehl muß ich jetzt eßen undt schlaffen gehen, muß Eüch doch noch waß sagen. Man wirdt Eüch vielleicht sagen, daß ich todt bin; glaubts nicht! Ich bin, gott sey danck, gar gesundt. Es hatt sich jemandts divertirt, außzubreytten, daß mich der schlag gerührt undt ich knal undt fall todt blieben bin; gantz Paris hatt her geschickt undt gantz Versaillen auch. Ich fürchte, daß man dieße zeittung in Teütschlandt schreiben undt Eüch dadurch erschrecken [wird]; ich hoffe aber, daß Ihr dießes schreiben eher entpfangen werdet, alß die zeytung von mei[ne]m todt. Hatt mich zu lachen gemacht, daß man meinen kan, daß mein sohn ein ball geben würde den tag, so ich gestorben; daß ist eine sotte imagination. Ich habe mitt meinem sohn gelacht undt ihm gesagt, daß es heßlich were, ein bal nach meinem todt zu geben. Er wirdt böß undt will nicht drüber lachen wie ich. Adieu biß übermorgen! Da werde ich Eüch wider versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. November 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 272–275
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1280.html
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