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St Clou den 22 November 1721 (N. 43.)
Hertzallerliebe Louise, vergangenen donnerstag habe ich Ewer [276] liebes schreiben vom 8 dießes monts, no 81, zu recht entpfangen, wie Ihr schon auß mein damahliges schreiben werdt ersehen haben. Monsieur le cardinal du Bois solle alles in den posten endern undt sie wieder ersetzen, waß deß Torcy karchheit undt interesse hatt übel [gemacht]. Alß zum exempel die lotteringische post, umb ein courier zu sparen, ließ er die malle[1] in die erste chaisse werffen, so nach Nancie[2] ging; also wer curieux wahre, konte alle brieffe leßen. Viel der gleichen karchheit hatt er gethan, so lang er die posten gehabt, ist ein rechter heüchler; den unter dem pretext undt betten[3], devot-sein thut er alles übels, wo er kan, undt hatte keine größere [freude], alß wen er jemandts waß übels ahnthun kan. Bin also fro, daß er die posten nicht mehr hatt. Ob zwar daß kleine cardinalgen nicht viel beßer ist, alß der böße Torcy, so will er seinen geitz beßer verbergen undt felt nicht zu sehr mitt der thür zur stüben nein, sondern will gelobt sein. Es ist mir leydt, liebe Louise, daß Ihr mir eines von Eweren schreiben excamottirt[4]; daß gibt mir den cochemar[5]. Mich umb verzeyung zu bitten, war ohnnohtig. Ich überleße meine brieffe nie, sehe, daß Ihr es macht wie ich undt allezeit alber findt, waß Ihr geschrieben; so geht mirs auch. Daß were doch ein greülich unglück, wen dießer saxsische printz wider sterben [sollte]. Aber man hatt viel exempel, daß, wen weiber sich daß erste mahl blessirt haben undt ein unglücklich kindt bekommen, daß sie hernach schwerlich zur rechter[6] zeit ihre kinder auff die welt bringen. Der churprintz hatt so übel mitt seiner fraw mutter gelebt, daß er woll keinen seegen von ihr bekommen. Ich habe gar einen starcken glauben ahn der eltern fluch oder seegen, dieß sterckt mich noch dran. Den ich weiß, daß die churfürstin von Saxsen erschreckl[i]ch erzürnt über ihres enckels betrug geweßen, undt die königin in Poln war nicht beßer mitt ihrem herrn sohn zufrieden. Es stehet ja in der h. schrifft:Der segen deß vatter bawet daß hauß, aber der fluch der mutter stöst es wider umb[7].[277] Also fürcht ich, daß der churprintz von Saxsen keinen großen segen auff seine kinder haben wirdt. Ich bin nun, gott lob, gar woll, liebe Louise, so lang es wehren wirdt; aber bey alten weibern, wie ich bin, haberts gar offt. Wie Ihr von den itzigen zeitten undt meinen standt sprecht, sehe ich woll, daß Eüch dießer hoff undt landt gar unbekandt ist. Wolte gott, der könig lebte noch! Ich hatte mehr trost, mehr vergnügen in einem tag, alß ich in den 6 jahren von meines sohns regence habe. Erstlich so war ein hoff undt kein burgerlich leben, so ich nicht gewohnen kan, indem ich all mein leben bey hoff gebohren undt erzogen bin[8]. Zu deß königs zeitten war mein sohn gantze tage bey mir, nun sehe ich ihn kaum in einem monat eine stundte; zu Paris, wo wir eine antichambre in comun haben, bin ich offt 3 tag, ohne ihn zu sehen. Zu dem so gibt mir seine regence mehr sorgen undt inquietude, alß trost undt freüden. Den bin ich nicht jahr undt tag geweßen ohne ruhe, alß[9] in sorgen, daß man ihn ermorden würde durch den abscheülichen haß, so man auff ihm geworffen? Nun zwingt er sich nicht mehr in seinen gallanterien, leüfft gantze nachte herumb, welches er zu deß königs zeitten nicht thun konte, also seine gesundtheit allezeit in gefahr sehe. Aber es ist spät, muß eine pausse machen. Dießen abendt will ich Eüch weytter entreteniren, wen ich von Madrit werde wieder gekommen sein.