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Brief vom 27. November 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1282.


[279]
St Clou den 27 November 1721 (N. 44).
Hertzallerliebe Louise, seyder vergangenen sambstag hab ich kein frisches schreiben von Eüch entpfangen, weiß nicht, ob ich heütte waß entpfangen werden; den mein ordinarie courir kompt er[st] nachmitt[ags] undt es hatt noch nicht 8 geschlagen, ist aber nahe darbey. Ehe ich auff Ewere liebe schreiben komme, will ich Eüch erst meine gesteriche Parisser reiß verzehlen. Ich stieg in kutz mitt madame de Chasteautier[1] undt Lenor ein wenig nach 9, kamme umb ein viertel nach 11 au[x] Carmelitten ahn, ging in kirch; [280] nach der meß ging ich in die kuch[2], sahe daß mittagseßen zurichten vor die nönger[3]. Ihre küche ist gar sauber, sie eßen wenig, aber waß sie eßen, ist gutt; den sie haben, waß so rar in clöstern ist, nehmblich gutte butter. Ich versuchte von ihren portionen, welches gar nicht schlim war, nehmblich schnitten brodt, in frischen ram, eyer undt butter geröst. Die zweytte portion war ein schüßelgen mitt spinat, roche gutt, ich habe aber nicht versuchen wollen, hette sonst nicht zu mittag eßen können undt daß betrübt meines sohns leütte, so sich alß große mühe geben, umb mir woll zuzurichten, undt gar froh sein, wen sie m[i]ch woll eßen sehen. Umb ein 1/4 auff 12 fuhr ich au Thuillerie[4] zum könig, welchen ich noch gewacksen[5] finde, war gar lustig. Er gewohnt sich ahn mich, wie alle kinder leicht thun. Ihn[6] sage ihm allezeit etwaß überzwergs, umb ihn lachen zu machen; gestern sagte ich, daß ich ambassadrice von seinen welschen hüner wehre, die ihre große complimenten hetten sich allesambt in einem eck hinter der mauern; daß machte den könig von hertzen lachen. Nach meiner königlichen vissitte fuhr ich au Palais-Royal, stieg bey madame d’Orléans ab. Da fandt ich den abbé de Philbert[7], so eben von Modene ahnkam, wo, gott lob, der frieden gemacht. Der erbprintz undt seine gemahlin werden nur 14 tag zu Rom bleiben, hernach wieder nach hauß undt ihren hoff zu Reg[g]io halten. Hernach ging ich nauff, aß mitt meinen damen undt enckeln zu mittag, hatte gutten apetit, aßen alle gar woll. Nach dem eßen kam mein sohn undt entretenirt mich biß umb 3; da fuhr ich zu madame la duchesse, so kranck ist undt einen bludtsturtz hatte. Ich glaube, daß ihre zeit sie[8] verliehren will, den sie ist schon seyder den 1 Juni 48 jahr alt. Madame la princesse kam zu mir a lhostel de Condé, umb ein viertel auff 5 fuhr ich wider ins Palais-Royal; da kam madame la princesse de Conti, ihre fraw dochter undt schwigerdochter zu mir undt unßere gutte hertzogin von Hannover. Wir gingen mitt einander in die commedie, so eine[9] gantz neü stück; sie spilten über die maßen woll. Daß sujet ist von Tiéste undt Attrée[10], [281] aber daß stück ist abscheülich, macht die haar zu berg stehen. Eine dochter wirdt von ihrem leiblichen vatter violirt, wirdt schwanger, bekompt 2 sohn, davon ein[e]r, so Egiste heist, der wirdt unbekandt von seinem oncle Attrée expres erzogen, umb seinen vatter umbzubringen; nichts ist abscheülicher. Sein vatter reist ihm den degen auß der handt, fragt ihm, wo er den degen bekommen; daß en[t]deckt die abscheüliche avanture, daß eben der, so ihn ermorden wollen, sein sohn undt enckel ist; daß ist abscheülich. Daß kleine stück, so man spilte, war George Dandin[11]. Gleich nach der commedie ging ich wider in meine cammer, den etliche personnen wolten mich sehen. Hernach gab ich meinen kindern undt unßer hertzogin von Hannover, so mitt mir in der commedie geweßen ware, gutte nacht, ging in kutsch undt kam wider her, umb 9 ahn, aß ein wenig zu nacht undt ging gleich zu bett. Da bringt man mir eines von Ewern lieben schreiben, vom 15 November, no 82. Ich glaube, ich werde beßer thun, auff dießen letzten brieff zu andtw[o]rten; den mich deücht, daß die frischten andtworten allezeit die ahngenehmbsten sein, fange also gleich dabey ahn. Böße gewohnheiten seindt schlime sachen. Die posten konnen noch nicht überall eingericht sein, den der Torcy hatt so viel courier verspart, umb daß gelt in seinen sack zu stecken, daß man jetzt überall neüe postillons einrichten muß, welches so baldt nicht fertig; seindt leichter abzuschaffen, alß einzurichten. Bin fro, daß Eüch meine schreiben amussiren undt keine lange weill geben. Mein[e] jaquetten[12] werden nicht forn geschnürt, sondern hinden, aber es ist ein cabe[13], so eben die form macht, wie die halten; daß thut man drüber, wirdt oben mitt zwey hacken ahngehefft, ist baldt gethan. Alten leütten, wie ich bin, kompts nicht zu, jungen leütten moden zu folgen. Ich bin so ahn den calsons[14] gewohnt, daß es mir ohnmöglich were, einen tag ohne dießelben zu gehen. Vor dießem war es die moden auch in Franckre[i]ch, man hilt es vor modest. Madame de Durasfort hatt mir verzehlt, daß ihre mutter sie biß ahn ihr endt getragen, undt sie hatt sie auch getragen, so lang die mutter gelebt; es ist gesundt, verhindert die winde. Hir in Franckreich ist dieße mode gantz abgangen, kein mensch außer ich tregt in gantz [282] Franckreich cal[e]çons. Die fürstin Ragotzi ist wider gesundt, hatt mir urlaub fordern laß[en] gestern zu Paris, noch ein mahl hir zu eßen. Ist[15] sie nicht mehr, alß sie letztmahl gethan, wirdt sie kein magenwehe davon bekommen, den sie aß nichts. Sie hatt einen graff Schlieben bey sich, so mich noch mehr ärgert, alß der junge beichtsvatter[16]. Er führt sie wie ein escuyer; er ist groß undt woll geschaffen undt immer bey ihr. Sie hetten mich gern in ihre sachen einwicklen wollen, aber ich habe mich entschuldigt, daß ich alle die sachen von der banque gar nicht verstünde, daß ich mich nie drin gemischt hette undt eine starcke resolution gefast, mein leben [mich] in nichts dergleichen zu mischen, konte also nichts vor sie thun. Es ist schon lang, daß die impertinnente Langallerie in ungnaden bey meinem vettern, dem landtgraffen, ist. Dieße zeittung hatt mich von hertzen erfrewet, den ich kan sie gar nicht leyden. Die er in geheim geheüraht, ist eine teütsche dame, solle gar schön sein, eine Bernholtin von geschlegt. Ich glaub, daß es in dem alter, wo der landtgraff nun ist, eine sach ohne scandal ist undt daß er dieße fraw nur genohmen, umb sich nachts im bett warm zu halten, wie der könig Davit[17]; den im 66 jahr ist man nicht gar erhitzt, glaube ich. Monsieur le Fevres amour wirdt ihm keine ungelegenheit machen; ich glaube, er stelt sich verliebter, alß er ist, umb daß medgen zu persuadiren, mitt ihm nach Englandt zu gehen, wo er sie gern wolte dantzen machen. Daß kan ich nicht leügnen, daß monsieur le Fevre Paris liebt, aber ich kene ihn gar ein zu ehrlicher man, umb daß geringste zu negligiren, waß Ewere niepcen betrifft; von der sach aber kan ich nichts reden, den ich verstehe es nicht. Daß ist eine lust vor alle kinder, so allezeit schreiben wollen. Meine docht[e]r hatt alß so ahn I. G. mein fraw mutter geschrieben. Daß Englisch habe ich nicht verstanden, daß Englisch, so Ihr mir geschrieben, es seye den, daß write schreiben heist undt god mother patte[18]. Ich bin gewiß, daß, ehe ein jahr vorbey geht, wirdt diß kindt nicht allein perfect Teü[t]sch reden, sondern auch mühe haben wirdt, ihr[19] Englisch zu behalten. Der graff von der [283] Buckeburg ist schon lengst geheüraht mitt dem freüllen von der Buckeburg[20]. Ich gestehe, ich habe ein wenig gearchwohnt, ich muß es gestehen, daß die Öhnhaußen[21] eher ein dochter, alß niepce, von der duchesse de Canthel[22] ist; aber die printzes von Wallis versichert, daß dieß freüllen gebohr[e]n, ehe der könig sein leben daß freüllen von Schoullenburg gesehen hotte. Der graff von der Buckeburg ist ein rechter extravaganter nar, man solte ihn einsper[re]n. Dießer graff, ich will sagen der vatter, ist so desbeauchirt, daß er woll nicht lenger leben wirdt, alß der könig in Englandt; glaube also nicht, daß deß graffens endterben[23] statt wirdt finden können, er ist gar zu ein großer nar. Ich werde der fürstin von Ussingen paquet allezeit schicken, wie [ich] dießes letzte gethan, undt daß noch mitt desto wenigen[24] scrupul, weillen es ihr nichts kost. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwort, liebe Louise! Man kompt mir alleweill sagen, daß Cartouche[25] sambt 4 von seinen cammerrahten[26] heütte gerähtert worden undt 2 weiber von ihrer geselschafft seindt gehengt worden. Ich weiß aber noch nicht, wie Cartouche gestorben, ob er seine fermeté biß zum endt behalten. Erfahre ich, wie es abgangen, werde ichs Eüch, liebe Louise, biß sambstag schreiben, nun aber nur sagen, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 27. November 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 279–283
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1282.html
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