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Brief vom 18. Dezember 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1287.


[296]
Paris den donn[e]rstag, 18 December 1721, umb 7 morgendts (N. 50).
Hertzallerliebe Louise, es ist schon eine gutte stundt, daß ich auffgestanden bin undt mein gebett vericht habe. Es ist mir unmöglich, im bett zu bleiben, wen ich nicht schlaffe; aber ich kan woll früh auffstehen, den gestern habe ich 9 in meinem bett gezehlt. Wen man so gar früh schlaffen geht, kan man auch woll früh auffstehen.[1] Ich habe, seyder ich kranck bin, allezeit eine gutte undt eine boße nacht; dieße war die böße, habe so erschrecklich gehust, daß mir der hirnkasten gantz schwürmblich davon ist. Aber waß solle ich thun? Ich muß woll gedult haben, alles hatt seine zeit; also wen die zeit kommen wirdt sein, daß mein husten zu endt kommen solle, werde ich auch wider gesundt werden, will aber weitter nichts von dießer langweilligen sache sagen undt komme auff Ewer liebes schreiben vom 2 dießes monts, no 86, mitt welchem ich verwichenen sontag bin erfreuet worden. Von der post ist nichts mehr zu sagen; wie sie es ahnfangen, werden sie es woll fortführen, auch[2] allezeit eine post 2 von meinen paquetten zu geben undt eine post lehr[3] durch zu gehen. Mitt der printzes von Wallis paquetten [fängt] man dieße ketzerey auch ahn; man hatt ihr schon 2 mahl nach einander 2 von meinen paquetten auff einmahl gegeben. Daß kan mich gantz ungedultig machen, aber es ist leyder [297] nicht zu endern; also nichts mehr davon sagen, alß daß nach meinem calcul Ihr mein paquet gegen dem neüen jahr entpfangen werdet, liebe Louise! Derowegen schicke ich Eüch hirbey ein gar klein neüjargen[4], wie es die jetzige schlegte zeitten mitt sich bringen. Weillen aber doch solche babiollen[5] Eüch etlich mahl frewen, so gering es[6] auch sein mögen, schicke ich Eüch hirbey ein porte-lettre[7] zum neüjahr, so die 5 sonnen repressentirt. Im porte-lettre werdet Ihr ein kleins estuy[8] finden vor zahn-stöcher undt ein klein demantes ringelgen, so ich auff daß estuy gesteckt, nur umb die kunst von dem goltschmitt zu beweißen, wie er so gar kleine demantger hatt einfaßen können, undt geht nach dem frantzoschen sprichwort: Les petit[s] pressent entretiene[9] l’amitié. Dießes ist woll eines von den kleinsten, so man geben kan, aber die zeitten erfordern es leyder so. Daß wirdt Eüch auch woll die forcht benehmen, liebe Louise, daß ich mich ungelegenheit vor Eüch mache undt meinen beüttel zu sehr ahngreiffe. Weis[t][10] es niemandts, damitt man mich nicht mitt außlachen mag! Weillen der neüjahrstag dieß mahl auff einen donnerstag felt, will ich meine wünsche vor selbigen tag offendtlich sparen. Aber in pecto[11] wünsche ich Eüch doch hirbey alles, waß Ewer eygen hertz wünschen undt begehren mag, liebe Louise! Ich komme jetz[t] wider auff Ewer liebes schreiben. In vieller leütte meinung bin ich noch todt[12]; man hats gegen leütten disputtirt, so mich eben gesprochen hatten, welche recht ungedultig drüber geworden sein, daß hatt mich lachen machen. Aber ich werde auch nun alt genung, daß man es einmahl mitt warheit sagen wirdt, wen mein gestelte stundt wirdt kommen sein. Ich müste sehr von humor endern, solte es mich sehr erschrecken. Wen man so gar alt wirdt, ist man zu nichts mehr nutz undt nur sich selber undt andern beschwerlich. Aber in dießem allem muß man sich gantz in den willen gottes ergeben, welches ich auch von hertzen thue. Ich bin graff Degenfelt sehr verobligirt, so unbekandt ich ihm auch bin, doch so sehr in sorgen vor mich gewest zu sein, alß man mich todt gesagt hatt. Wie man mich todt gesagt, war ich frischer undt gesunder, alß ich nun bin; den [298] der verfluchte husten helt mich schon 9 tag ohne außgehen in der cammer, kan nicht einmahl in die capel gehen, den sie ist erschr[e]cklich kalt. Also hatt man mir verbotten, hin zu gehen, undt, unter unß gerett, ich glaube, mein gebett eben so gutt in meiner cammer, alß in der capel. Ich habe recht von hertzen lachen müßen, daß Ihr mir urlaub[13] fordert, gott vor mein langes leben zu bitten. Man mag aber woll bitten, es [ge]schicht doch nichts, alß waß bestimbt ist. Ich sehe nicht, wozu ich nun viel nutz sein kan; den wo man sich viel mühe umb gibt, reussirt nicht allemahl. Vorgestern habe ich noch lang mitt monsieur le Fevre gesprochen wegen Ewer niepcen. Bey mir solle es nicht liegen, daß dieße affairen von Coubert ein gutt endt gewinen, allein es finden sich noch viel difficulteten dabey, wovon ich aber nichts begreiffen kan, gestehe meine thumigkeit. Aber denen freündtlich zuzusprechen, umb ihr bestes dabey zu thun, hiran werde ich gewiß nicht fehlen. Ob ich zwar den monsieur Paris, so sie unter händen hatt, gar nicht estimire[14], werde ich ihn doch, wen ich ihn sehen werde, Ewertwegen flattiren undt woll tractiren. Gott gebe, daß es waß guts außrichten mag! Aber ich bin doch fro, das Ihr segt, liebe Louise, daß ich alles thue, waß bey mir stehet, ihnen zu dinnen. Meine augen seindt, gott seye danck, noch gutt vor mein alter, sehe weit oder nahe gleich woll; aber daß ich die augen haben solle, wie ich sie in der jugendt gehabt, der unterschiedt ist groß. Aber wofern sie mir nur bleiben, wie sie nun sein, biß ahn mein endt, werde ich gar woll zufrieden sein. Aber da schlegt es 11, ich muß meine pausse machen undt mich ahnziehen.
Donnerstag, den 18 Decembre, umb halb 3 nachmittags.
Mein gott, wie ich, seyder ich auffgehört zu schreiben, bin ich woll, umb es auff gutt Pfältzisch zu sagen, geheyt[15] worden! Ich habe gemeint, es würde nie kein endt nehmen. Gott bewahre mich vor weittern unglück! Die interuptionen seindt unleydtlich zu Paris, man kans nicht außstehen. Aber waß will man thun? Man muß woll gedult haben. Wir haben noch keinen schnee hir, [299] aber der himmel ist so braun undt mitt dicken wolcken umbgeben, daß ich glaube, daß wir auch baldt schnee hir haben werden, undt es friert braff dabey; daß heilt den husten undt schnupen nicht. Ich wolte umb Ewer kleine niepce wegen, daß Ihr zu Franckfort einen gutten schnee haben möget, den ich bin gewiß, daß eine schlittenfahrt dießem gutten kindt woll gefallen würde. Mein gott, wie hertzlich hab ich es[16] gelieb[t]!
Donnerstag umb ein viertel auff 6 abendts.
Le diable au contretemps hatt heütte sein spiel undt lest mir keine ruhe. Ich habe in meine garderobe gehen müßen, auß großer noht undt, wie mir die Lenor im hingehen rieff, Noht bricht eyßen, daß kan man mit schei… beweißen. Daß kompt höfflich herauß, aber mitt Eüch, liebe Louise, mache ich keine façon undt sage alles, waß mir im kopff kompt. Aber da kompt der comte de Thoullouse[17] herein. Waß ich zuvor habe sagen wollen, ist, daß, wie ich auß der garderobe kommen bin, habe ich die printzes Ragotzy[18] hir gefunden, die hatt mich eine gantze stundte auffgehalten undt were noch da, wen [mich] mein sohn nicht zu allem glück erlößt hette. Er hatt mich aber noch viel zeit verliehren machen, den ich habe viel mitt ihm zu reden gehabt. Da kompt der comte de Charoloy[19] herrein. Ich glaube, es wirdt heütte kein endt nehmen, aber es piquirt recht. Drumb will ich fortschreiben, biß ich Ewer liebes schreiben vollig werde beantwortet haben. Ah, da bringt man mir noch ein liebes schreiben von Eüch vom 6 December, no 87. Aber Ihr kont woll gedencken, daß ich es vor übermorgen sparen werde; werde es erst leßen, wen ich werde außgeschrieben haben. Daß findt ich artiger, daß man zu einander eßen geht; daß gibt mehr verenderung. Ewere niepce hatt groß recht, liebe Louise, nicht zu Eüch zu kommen, da sie so nahe bey ihrem ziehl. Den ich glaube, liebe Louise, daß Ihr eine schlegte hebame geben solte[t]. Ich habe alleweill Ewer letztes schreiben in eyll durch geloffen, umb zu sehen, ob Ewer niepce ins kindtbett ist, habe es aber nicht gefunden; nur zuletzt steht, daß graff Degenfelt Eüch seine kutsch geschickt, umb Eüch hollen zu laßen. Ich sage amen zu Ewerm wünsch, daß Ewere niepce ein glücklich kindtbett haben [300] möge. Die letzten zeitten, wen man schwanger ist, seindt gar verdrießlich. Waß difficultet kan die fü[r]stin von Ussingen finden, Ewere niepce zu besuchen? Ich kans nicht begreiffen. Mir kompt es ein rechter sotter[20] heüraht vor alß der von printzen von Sultzbach seiner. Ich weiß nicht, wie Churpfaltz undt Churtrier darinen consentirt. Berg ob Soom[21] ist nicht der mühe [werth], einen solchen ungleichen undt auff alle weiße boßen heüraht zu thun[22]. Ihre mutter hatt einen kerl geheüraht, so sie alle tag prügelt. Wen dieß nur were, deücht mich, man solte sich vor einer solche[n] alliance scheüen. Alles geht drunter undt drüber nun undt ich glaube, daß die gantze welt verkehrt ist, wie daß ballet, so man einmahl zu Heydelberg gedantzt[23]; aber Ihr wahrt zu jung, umb Eüchs zu erinern. Churtrier muß nicht mehr krank sein, weillen I. L. herumb reißen können. Ich habe ein schreiben von I. L. dem landtgraffen von Cassel von Darmstatt bekommen, ist nicht zu lang, hatt nur 10 linien. Man hatt I. L. der printzes von Wallis eine relation von der großen jagt von Darmstatt bericht, den I. L. schreiben mirs eben wie Ihr, liebe Louise! Hiemitt ist doch Ewer schreiben völlig beantwortet, liebe Louise, bleibt mir nur überig, zu versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. Dezember 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 296–300
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1287.html
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