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Brief vom 10. Januar 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1294.


[308]
Paris den 10 Januari 1722 (N. 57).
Hertzallerliebe Louise, dießen morgen hab ich ahn unßere hertzogin von Han[o]ve[r] schreiben müßen, weillen I. L. mir einen raht gefragt hatten, worauff ich nohtwendig hab andtwortten müßen. Daß hatt mich biß umb 11 geführt, da hab ich mich ahnzie[he]n müßen, in kirch gehen undt hernach zu meinem enckel[1], welcher noch gar kranck ist; hatt daß continuirliche fieber undt alle abendts ein redoublement; man hatt ihm schon 3 mahl zur ader gelaßen; es ist mir recht bang. Aber es nimbt mir kein wunder; ich habe lang prophezeyen[2], daß es so gehen würde, aber man hatt mir nicht glauben wollen. Aber da kommen meine kutsch, ich muß zum könig; werde nicht lang dort bleiben, sondern baldt wieder her. Es schlegt halb 5 undt ich komme vom könig. Aber da kompt die fürstin Ragotzi[3] her, muß also wider eine pausse machen.
Da ist sie zwar wider [fort], aber da kompt madame la princesse mit der jungen printzes de Conti, mademoiselle de Clermont undt mademoiselle de la Rochesurion[4]; die wollen (ich will sagen [309] die zwey letzten), daß ich sie in die neüe commedie führen. Aber daß hertz ist mir nicht gar zur lust geneigt, jedoch so muß ich hin, damitt man meinen enckel nicht übeller glaubt, alß er ist.
Sambstag umb 8 abendts.
Da kommen wir auß der neüen commedie, so gar artig ist, viel verstandt undt voller moralitetten. Ich habe gleich zu meinem enckel geschickt; sein redoublement ist ihm wider mitt frost ahnkommen, befindt doch selber, daß er beßer ist, den er hatt sein groß kopffwehe nicht, so er in den andern accessen gehabt. Morgen wirdt man ihn purgiren undt hernach daß quinquina[5] geben. Die docktoren versichern doch, daß bißher keine gefahr. Verleydt mir gott daß leben biß auff donn[e]rstag, liebe Louise, werde ich Eüch berichten, wie es weitter geht. Nun aber komme ich auff Ewer liebes schreiben vom 27 December, no 93, welches ich vergangen donnerstag endtpfangen undt schon auff ein par article geantwort, nehmblich wie fro ich bin, daß Eüch mein klein neüjahrgen[6] ahngenehm geweßen, so gering es auch war. Aber wen man jernandts lieb hatt, wie Ihr mich habt, liebe Louise, sicht man nur auff daß ahndencken undt nicht auff den wehrt. Mich deücht, daß wir zu Heydelberg allezeit die 3 Christ[t]ag gefeyert haben. Mitt solchen lapereyen, wie ich Eüch schicke, kan man, ohne sich zu ruiniren, mehr, alß einmahl, deß jahrs repetiren. Daß kan nicht generositet genent werden, sondern nur ahndencken ahn die, so man lieb hatt. Bin fro, daß Eüch daß gelbe demantien waß neües ist; die seindt gar gemein hir wie auch, waß escaille piquée[7] heist, wie daß zahnstocher-bücksgen ist. Dießes alles ist keiner dancksagen[8] wehrt. Daß es Eüch gefelt, liebe Louise, ist die groste belohnung, so ich davon wünschen undt begern kan. Ihr werdet aus meinen brieffen ersehen, wie übel ich 3 wochen lang geweßen, aber nun, gott lob, gantz wider woll. Der tribut von Paris ist bezahlt. Ich habe mich mein leben nicht beßer nach dem husten gefunden. Ich kan nichts warmes, noch süßes schlucken, mein grostes remedien ist die gedult. Mein leben habe ich keine fleischbrühe in meinen kindtbetten genohmen, were gestorben, wen ichs genohmen [310] hette, den es macht mich biß auffs bludt übergeben; habe nicht[s] alß waßer undt wein, gedruncken, fleisch geßen. R[h]einwein in haberschleim muß einen dollen geschmack haben, daß konte ich ohnmoglich drincken. Monsieur le Fevre habe gleich Ewern brieff geschickt. Ich bitte, wolt doch graff Degenfelt undt seine kindtbetterin sehr freündtlich grüßen! Waß sagt aber mein patgen dazu, daß sie ein brüdergen hatt? Ist sie nicht jalous von ihm? Monsieur le Fevre wirdt mich amploiren, wens nöhtig sein wirdt. Es stehet noch nicht bey ihm, die sach außzumachen. Man arbeydt itzunder dran, die sachen de l’hostel de ville in rechten standt zu bringen; waß es aber ist, verstehe ich eben so wenig alß Gri[e]chisch. Aber waß monsieur le Fevre apropo finden wirdt, werde ich thun. Wir haben eine zeit lang warm wetter hir gehabt, nun frirts. Es ist ja nicht ordinarie, daß die pest zu Franckfort ist. Warumb förcht man es dan? Die alten propheten seindt todt, die neüe lacht man auß. Die vers hab ich gutt gefunden, schon letztmahl davor gedanckt. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet, bleibt mir nur überig, Eüch zu versichern, daß ich Eüch biß ahn mein endt von hertzen lieb behalten werde.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. Januar 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 308–310
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1294.html
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