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Paris den 10 Januari 1722 (N. 57).
Hertzallerliebe Louise, dießen morgen hab ich ahn unßere
hertzogin von Han[o]ve[r] schreiben müßen, weillen I. L. mir einen
raht gefragt hatten, worauff ich nohtwendig hab andtwortten müßen.
Daß hatt mich biß umb 11 geführt, da hab ich mich ahnzie[he]n
müßen, in kirch gehen undt hernach zu meinem enckel
[1], welcher
noch gar kranck ist; hatt daß continuirliche fieber undt alle abendts
ein redoublement; man hatt ihm schon 3 mahl zur ader gelaßen;
es ist mir recht bang. Aber es nimbt mir kein wunder; ich habe
lang prophezeyen
[2], daß es so gehen würde, aber man hatt mir
nicht glauben wollen. Aber da kommen meine kutsch, ich muß
zum könig; werde nicht lang dort bleiben, sondern baldt wieder
her. Es schlegt halb 5 undt ich komme vom könig. Aber da
kompt die fürstin Ragotzi
[3] her, muß also wider eine pausse machen.
Da ist sie zwar wider [fort], aber da kompt madame la
princesse mit der jungen printzes de Conti, mademoiselle de Clermont
undt mademoiselle de la Rochesurion
[4]; die wollen (ich will sagen
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die zwey letzten), daß ich sie in die neüe commedie führen. Aber
daß hertz ist mir nicht gar zur lust geneigt, jedoch so muß ich hin,
damitt man meinen enckel nicht übeller glaubt, alß er ist.
Sambstag umb 8 abendts.
Da kommen wir auß der neüen commedie, so gar artig ist,
viel verstandt undt voller moralitetten. Ich habe gleich zu meinem
enckel geschickt; sein redoublement ist ihm wider mitt frost
ahnkommen, befindt doch selber, daß er beßer ist, den er hatt sein
groß kopffwehe nicht, so er in den andern accessen gehabt.
Morgen wirdt man ihn purgiren undt hernach daß quinquina
[5] geben.
Die docktoren versichern doch, daß bißher keine gefahr. Verleydt
mir gott daß leben biß auff donn[e]rstag, liebe Louise, werde ich
Eüch berichten, wie es weitter geht. Nun aber komme ich auff
Ewer liebes schreiben vom 27 December, no 93, welches ich
vergangen donnerstag endtpfangen undt schon auff ein par article
geantwort, nehmblich wie fro ich bin, daß Eüch mein klein
neüjahrgen
[6] ahngenehm geweßen, so gering es auch war. Aber wen man
jernandts lieb hatt, wie Ihr mich habt, liebe Louise, sicht man nur
auff daß ahndencken undt nicht auff den wehrt. Mich deücht, daß
wir zu Heydelberg allezeit die 3 Christ[t]ag gefeyert haben. Mitt
solchen lapereyen, wie ich Eüch schicke, kan man, ohne sich zu
ruiniren, mehr, alß einmahl, deß jahrs repetiren. Daß kan nicht
generositet genent werden, sondern nur ahndencken ahn die, so
man lieb hatt. Bin fro, daß Eüch daß gelbe demantien waß neües
ist; die seindt gar gemein hir wie auch, waß escaille piquée
[7] heist,
wie daß zahnstocher-bücksgen ist. Dießes alles ist keiner
dancksagen
[8] wehrt. Daß es Eüch gefelt, liebe Louise, ist die groste
belohnung, so ich davon wünschen undt begern kan. Ihr werdet
aus meinen brieffen ersehen, wie übel ich 3 wochen lang geweßen,
aber nun, gott lob, gantz wider woll. Der tribut von Paris ist
bezahlt. Ich habe mich mein leben nicht beßer nach dem husten
gefunden. Ich kan nichts warmes, noch süßes schlucken, mein grostes
remedien ist die gedult. Mein leben habe ich keine fleischbrühe in
meinen kindtbetten genohmen, were gestorben, wen ichs genohmen
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hette, den es macht mich biß auffs bludt übergeben; habe nicht[s]
alß waßer undt wein, gedruncken, fleisch geßen. R[h]einwein in
haberschleim muß einen dollen geschmack haben, daß konte ich
ohnmoglich drincken. Monsieur le Fevre habe gleich Ewern brieff
geschickt. Ich bitte, wolt doch graff Degenfelt undt seine
kindtbetterin sehr freündtlich grüßen! Waß sagt aber mein patgen
dazu, daß sie ein brüdergen hatt? Ist sie nicht jalous von ihm?
Monsieur le Fevre wirdt mich amploiren, wens nöhtig sein wirdt.
Es stehet noch nicht bey ihm, die sach außzumachen. Man arbeydt
itzunder dran, die sachen de l’hostel de ville in rechten standt zu
bringen; waß es aber ist, verstehe ich eben so wenig alß Gri[e]chisch.
Aber waß monsieur le Fevre apropo finden wirdt, werde ich thun.
Wir haben eine zeit lang warm wetter hir gehabt, nun frirts. Es
ist ja nicht ordinarie, daß die pest zu Franckfort ist. Warumb
förcht man es dan? Die alten propheten seindt todt, die neüe
lacht man auß. Die vers hab ich gutt gefunden, schon letztmahl
davor gedanckt. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig
beantwortet, bleibt mir nur überig, Eüch zu versichern, daß ich Eüch
biß ahn mein endt von hertzen lieb behalten werde.