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Paris den 17 Januari 1722 (N. 59).
Hertzallerliebe Louise, ich glaube, ich habe Eüch schon
bericht vergangenen donnerstag, wie daß [ich] Ewer liebes schreiben
vom 3 dießes monts entpfangen, eben wie ich daß meinige vor Eüch
geendet. Dancke Eüch von hertzen, liebe Louise, vor Ewer gutte
wünsche. Gutte gebetter haben wir jetzunder mehr von nöhten,
alß nie, wie Ihr, liebe Louisse, auß meinem letzten brieff werdt
ersehen haben undt in welchen ängsten undt schrecken unß der
duc de Chartre[s], mein enckel, unß gesetzt hatt. Ob zwar nun
alles wider viel beßer ist undt sein fieber sehr abgenohmen hatt,
so habe ich doch noch mühe, von meinem schrecken mich wider zu
erhollen. Daß neüe jahr habe ich nicht viel beßer, alß Ihr, liebe
Louise, ahngefangen. Ob zwar mein husten abgenohmen hatte,
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so ist er nun wider kommen. Die
[1] glaube, daß die ängsten, so
ich vor meinem enckel außstehe, so mich etliche [mal] ahm woll
schlaffen gehindert, mir den husten wider herbey gebracht, den ich
bin seyder nicht auß dem hauß kommen; zu meinem enckel laß ich
mich auch in chaisse tragen, kan mich also nicht verkalt haben.
Wen es warm wetter ist, kan die lufft nichts schaden, erfrischt die
brust mehr, alß es ungelegenheit bringt. Vissitten ist eine
langweillige sache, fehlet aber nicht in den stätten, in sonderheit umb
neüjahrszeit. Aber da interompirt man [mich]. Paris ist woll ein
verzweyffelter ort mitt den ewigen contretemps undt interuptionen.
Nach mittag muß ich zum könig undt zu madame la duchesse, so
ich diß jahr noch nicht besucht haben, undt sie ist gar offt zu mir
kommen. Mein enckel, den duc de Chartre[s], hatt, gott lob, daß
fieber gantz verlaß[en], ist sein 11 tag. Mir kompt der husten
wider starck ahn. Ein ander mahl ein mehrers, nun muß ich nur
in eyll sagen, daß ich Eüch hirbey eine relation schicke von waß
zu Bajonne vorgangen
[2]; den 9ten ist die eschange vorgangen. Adieu!
Glaubt, liebe Louise, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte!