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A madame Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckforth.
Paris den sambstag, 24 Januari 1722 (N. 61).
Hertzallerliebe Louise, ich habe heütte viel zu schreiben ahn
viel königliche personnen. Ich habe gestern viel brieff bekommen,
einen vom könig von Spanien undt von 3 königinen, die 2 von
Spanien, alß die regierende undt die verwitibte, so zu Bajonne
wohnt, undt auch einen von 4 seytten von der gutten königin in
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Preüssen. Aber ich fange bey Eüch ahn, liebe Louise, den ich will
Eüch gewiß nicht ohne brieff laßen; den erstlich so habe ichs Eüch
gar ernstlich versprochen undt zum andern so schreibe ich lieber
ahn Eüch, alß ahn die königlichen personnen, den Ewer brieff
kosten mir nicht die geringste mühe, liebe Louise! Ich sage Eüch
alles, waß mir im kopff kompt, gantz ungezwungen undt daß ist
gemächlich undt macht lust, zu schreiben. Ich habe daß von dem
h. 3 konigstag, nehmblich vom 6 dießes [monats], no 2, noch nicht
beantwortet, werde es heüt thun; den fange ich nicht bey Eüch
[an], werde ich schwerlich bey ein[e]r ordentlichen andtwort
gelangen können. Die nach[t] vom donn[e]rstag zum freytag habe ich
zweymahl gemeint, ahn meinem husten zu ersticken. Gestern den
gantzen tag bin ich auch gar übel geweßen, aber ich habe, gott
seye danck, gar eine gutte nacht gehabt undt befinde mich heütte
viel beßer, gott lob!
Sambstag umb halb 8 abendts.
Le diable au contretemps hatt heütte woll triomphirt, liebe
Louise! Man kan nicht arger verstöret undt interompirt geworden
sein, alß ich es heütte geweßen. Gleich nach dem eßen habe ich
einen brieff von meiner dochter bekommen, so ich habe leßen
[müßen], hernach einen von der jungen printzes de Conti. Wie ich
den gleich habe beantwortten wollen, ist unßere hertzogin von
Hanover herrein kommen undt lenger, alß eine gutte stundte,
geblieben. Hernach ist monsieur le duc kommen, den habe ich auch
entreteniren müß[en]. Nach ihm seindt duchessen kommen, die
von Roquelaure undt die von Rohan, undt viel andere damen,
madame de la Farre
[1], madame de Bissi
[2], madame Nancret
[3], madame
du Trevous
[4], madame de Poitié
[5], la maréchal[e] de Rochefort,
madame d’Estrade[s]. Ich habe sie nicht alle behalten, aber ehe man
ein par wordt ahn jede gesagt, geht viel zeit vorbey. Hernach ist
mein sohn kommen, undt wie ich ihn den gantzen tag nicht gesehen,
hab ich mich ein wenig mitt ihm amussirt, biß er in die comedie
gangen, wo ich wegen meines husten nicht hingangen. O mein gott,
da kompt noch die duchesse de Lauzun undt madame de Nonan[t]
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herein; ich glaube, es wirdt heütte kein endt nehmen. Ich habe
den damen declarirt, daß ich schreiben müße, weillen dießer brieff
heütte noch fort muß, komme also auff Ewer liebes schreiben. Ah,
da kompt noch eine gantze flotte von damen, madame de Gondrin,
madame de Pont
[6], madame de Tonner[r]e, die dochter von
maréchal de Bezon[s], madame de Crusol
[7], madame Dottancour
[8],
madame de Man, madame la grand prevauté
[9] undt noch eine, deren
nahmen ist
[10] absolutte vergeßen. Aber daß schlimbste ist, daß dießes
alles da umb mich herumb stehet. Mein husten undt schnupen
ware[n] zu ende dießes vergangen jahr gantz vorbey, seyder 10
tagen aber ist es arger, alß vorher, wieder kommen, muß wider
die kammer halten. Wie lang es wehren wirdt, mag gott wißen.
Ich glaube, daß, wen kein so starcker frost eingefallen were, hette
man mir vielleicht auch wieder den grünen safft schlucken machen.
Gantz Franckreich undt insonderheit Paris hatt husten undt
schnupen, man hort nichts, alß husten. Aber da kompt junker Went
undt weist
[11] sich, daß heist, daß mein nachteßen da ist, muß also
alß eine kranke leben undt früh zu nacht eßen undt schlaffen.
Adieu den, liebe Louise! Gott weiß, wen ich Eüch einmahl nach
meinem sin werde schreiben konnen undt nach eine raisonablen
taille von meinem schreiben versichern, daß ich Eüch von hertzen
lieb behalte.