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Brief vom 29. Januar 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1298.


[315]
Paris den donnerstag, 29 Januari 1722 (N. 62).
Hertzallerliebe Louise, wie ich eben die feder genohmen, auff Ewer liebes schreiben vom 13 dießes monts, no 4, zu andtwortten, entpfange ich daß vom 17, no 5. Aber ich bin heütte so unaußsprechlich verstoret undt interompirt worden undt 5 brieff habe ich nohtwendig schreiben müßen, ahn unßer printzes von Modene, ahn mein baß von Oldenburg, ahn madame Dangeau, ahn die fraw von Lüls undt ahn den gutten oberstalmeister von Harling; derowegen, weillen ich wenig zeit zu schreiben habe, werde ich dieß letzte nicht [316] unterfangen, sondern nur auff daß von 13, no 4, andtworden, so ich vergangen sontag entpfangen. Die fraw von Luls hatt mir ein recht guttes undt nützliches pressent geschickt, nehmblich ein fäßgen mitt gar gutten Allant-wein[1] geschickt undt schonne calender. Ich habe heütte den Alland-wein versucht undt weniger gehust, alß die andere tage, schreibe es dem gutten Allant [zu], habe also woll die gutte fraw davor dancken müßen. Die post hatt es resolvirt, Eüch allezeit eine post zwey von meinen schreiben zu geben undt eine andere post keines; werde aber nicht desto weniger alle posten schreiben, liebe Louise! Ich habe Eüch heütte, gott lob, gutte zeittung zu berichten; es ist, gott seye ewig danck, heütte der 4 tag, daß mein enckel kein fieber mehr hatt undt hungert; ist abscheülich, man hatt ihm heütte ein klein sübgen[2] geben, hatt mich recht gejamert. Der arme bub war so hertzlich fro, die sub zu sehen, die ich woll ohne kotzen[3] nicht hette eßen können, den es war nur brodt in helle fleischbrühe; daß ist ein erbärmlich gefräß, aber er findt es trefflich gutt. Meine gesundtheit ist seyder 14 tagen sehr geendert; den wie ich Eüch schon bericht, so habe ich so einen abscheülichen husten undt schnupen, daß ich noch nicht auß der cammer gangen bin seyder 13 tagen. Ich hoffe, der Allant-wein wirdt mich couriren. Ihr habt gar nicht woll gethan, mitt Ewerm husten außzugehen. Diß jahr seindt viel leütte zu Paris gestorben, weillen sie ihren husten negligirt. Wen die printzessin[4] keine coquette ist, wirdt sie gar glücklich zu Turin mitt dem printzen von Piedmont sein; den ihr schwiger fraw [mutter], die königin in Sardaignen[5], ist die beste undt tugendtsambste printzessin [317] von der welt, mitt welcher es gar woll zu leben ist, wen man nur raisonabel ist. Daß ist ein sortabler[6] heüraht vor eine pfaltzgräffin, aber ihres herrn bruders[7] heüraht mitt der printzes d’Auvergne ist die[8] ridiculste, den man finden kan. Ich weiß nicht, wer ihn dießes in kopff gebracht hatt. Die printzes von Ussingen hatt groß recht, die sach nicht zu aprobiren. Die leütte seindt nicht reich, der printz wirdt in allen stücken erdapt werden[9]. Den wo nichts ist, verliehrt ein pfaltzgraff eben so woll sein recht, alß der keyßer, nach dem sprichwordt. Aber ich muß schließen. Ein ander mahl werde ich von dem narischen prince de Conti sprechen. Daß war nur lügen undt betrug, daß er sich krank ahngestelt; er deücht nichts, ist ein buckelich närgen. Wendt weiß nicht, daß sein bruder ein gutt kaufft; aber er schmelt, daß ich so spätt eße, den es ist ein viertel auff 11. Adieu, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 29. Januar 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 315–317
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1298.html
Änderungsstand:
Tintenfass