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Brief vom 12. März 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1310.


[340]
Paris den 12 Mertz 1722 (N. 74).
Hertzallerliebe Louise, wie ich eben die feder nahm, auff Ewer liebes schreiben vom 17 Feb[ruari] zu andtwortten, bringt man mir daß vom 28, no 17; weillen ich aber heütte gar wenig zeit vor mir habe, so werde ich mich ahn dem ersten halten, daß kürtzer ist, alß daß letzte. Waß mich heütte ahn langem schreiben verhindern wirdt, liebe Louisse, ist, daß mein sohn dem könig undt sein[e]r kleinen infantin heütte einen großen bal undt illumination geben [wird], undt ich muß ja ein wenig hauß-ehre thun, weillen ich im hauß bin, man mogte sonst sagen, ich protze[1] gegen dem könig undt infantin. Aber so baldt ich den konig mitt mein enckel werde tantzen gesehen haben, werde ich hübsch wieder her, ein wenig eßen undt nach bett; man mag hernach tantzen, springen, machen, waß man will, ich werde mich wenig drumb beküm[e]rn. Da[s] müst Ihr, liebe Louisse, ein mahl vor allem vor gewiß halten, daß man Eüch eine post keine von meinen schreiben wirdt zukommen laßen undt die andere post zwey geben. Ich bin, gott lob, nun zwar gesundt, aber monsieur Teray will doch, daß ich die andere woche wieder grünen safft schlucken solle, weillen abscheülich viel gall von mir geht; sagt, daß, wen ich dieße gall nicht mitt ein wenig gewalt von mir treiben solte, konte ich wider eine gar schwere kranckheit bekommen, undt wie ich resolvirt bin, umb nicht geplagt zu werden, alles zu thun, waß monsieur Theray mir rahten wirdt, so werde ich in der zukümff[t]igen woch 2 tag nach einander den bitter[n] grünen safft schlucken. Daß ist gar eine mittelmaßige freüde, aber waß will man thun? In meinem alter wirdt alles verdrießlich. Hir ist daß wetter zimblich drucken[2] nun; es friert zwar [341] nicht gar starck, doch alle nacht eyß. Ich habe etliche neüe callender, so sehr kranckheitten treüen[3]. Hir hört man eher von heürahten, alß von freüden; alle fest gehen ohn lust gar ernstlich her, erweißen mehr magnificence, alß freüden, aber alle ahngestelte lusten in Franckreich sein so. Ich habe keinem bal beygewohnt, alß dießem, den ich nicht entgehen kan, leyder[4]; ich hore aber gern, wen junge leütte sich lustig machen, wens nur ohne mich geschicht. Seindt noch freüllen von Veningen vorhanden? Daß wust ich nicht. Weßen dochter seindt sie den? Vielleicht der[5] Augustins dochter, der ein stifftsfreüllen in Westphallen geheüraht hatte? Aber nein, weillen Ihr fraw von Degenfelt ihre großmutter heist, muß es deß Eberfritzen enckelen sein. Ihre großtante wirdt nun baldt wider kommen, hoff, daß sie gegen Ostern hir sein wirdt. Flenen[6] ist eine ellende faßnacht, ich habe es, gott lob, gantz abgewehnt; die threnen kommen mir zwar in den augen, vergeht aber baldt wieder[7]. Leben der graff Degenfelt undt seine gemahlin noch 45 jahr, so können sie neüe hochzeit halten, wie es hir der brauch ist; alle ehe-leütte, wen sie 50 [jahre] beysamen gelebt haben, macht man eine rechte hochzeit wider. Ewer arme älste niepce scheindt gar nicht resolvirt; in ihrem brieff, so sie mir geschrieben, wünscht sie, zu sterben. Kranck ist sie schon geweßen, ihre kinder sollen auch kranck sein. Printz Fritz ist krank geweßen ahn einer faussen pleuresie[8], nun solle er gantz wider woll sein, gott lob! Von dem argwohn, so man hatt, daß er auff der reydtschul gefahlen, will ich der printzes von Wallis kein wordt sagen. Die hertzogin von Zel[9] hatt gar einen schönnen todt gehabt. Gott verley mir die gnade, daß der meine so sein mag! Die hertzogin von Zel mag woll viel guts ahn sich gehabt [haben]; sie hatte aber etwaß, wie man mir versichert, so hir ihm landt, insonderheit bey den damen, gar gemein ist, nehmblich falsch zu sein wie galgenholtz, wie Lenor alß pflegt zu sagen; da halt ich gar nichts von. Daß unglück ihrer fraw dochter[10] war bloß ihre schuldt, sie hatt sie [342] bitter übel erzogen, solle in alle ihre amour ihre confidentin geweßen sein; daß ist abscheülich. Sie hatt kein testament gemacht, alles mündtlich verordtnet undt ihre leütte undt bedinten gar woll bedacht. Sie hatt der printzes von Wallis [eine] tour perlen undt ohrgeheng geschickt. Ich weiß woll, daß eine neü gebohrne printzes zu Stu[tt]gart ist, den ich bin gevatter dazu[11]. Kinder kommen, wie sie gott schickt, medger oder buben. Ich mögte doch dem gutten printzen von Studgard woll ein sohngen wünschen, den er ist ein artiger herr. Man hatt ihm vor dießem nicht zugethrawet, desbauchiren zu konnen; daß muß doch falsch sein, weillen er schon einen printzen undt eine printzes gehabt halt. Adieu! Der könig wirdt gleich komen undt unßere artige infantin. Ewer liebes schreiben ist vollig beantwortet. Gutte nacht! Übermorgen werde ich Eüch verzehlen, wie alles abgangen, nun aber nur sagen, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. März 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 340–342
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1310.html
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