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Paris den 12 Mertz 1722 (N. 74).
Hertzallerliebe Louise, wie ich eben die feder nahm, auff Ewer
liebes schreiben vom 17 Feb[ruari] zu andtwortten, bringt man mir
daß vom 28, no 17; weillen ich aber heütte gar wenig zeit vor mir
habe, so werde ich mich ahn dem ersten halten, daß kürtzer ist,
alß daß letzte. Waß mich heütte ahn langem schreiben verhindern
wirdt, liebe Louisse, ist, daß mein sohn dem könig undt sein[e]r
kleinen infantin heütte einen großen bal undt illumination geben
[wird], undt ich muß ja ein wenig hauß-ehre thun, weillen ich im
hauß bin, man mogte sonst sagen, ich protze
[1] gegen dem könig
undt infantin. Aber so baldt ich den konig mitt mein enckel werde
tantzen gesehen haben, werde ich hübsch wieder her, ein wenig
eßen undt nach bett; man mag hernach tantzen, springen, machen,
waß man will, ich werde mich wenig drumb beküm[e]rn. Da[s] müst
Ihr, liebe Louisse, ein mahl vor allem vor gewiß halten, daß man
Eüch eine post keine von meinen schreiben wirdt zukommen laßen
undt die andere post zwey geben. Ich bin, gott lob, nun zwar
gesundt, aber monsieur Teray will doch, daß ich die andere woche
wieder grünen safft schlucken solle, weillen abscheülich viel gall
von mir geht; sagt, daß, wen ich dieße gall nicht mitt ein wenig
gewalt von mir treiben solte, konte ich wider eine gar schwere
kranckheit bekommen, undt wie ich resolvirt bin, umb nicht
geplagt zu werden, alles zu thun, waß monsieur Theray mir rahten
wirdt, so werde ich in der zukümff[t]igen woch 2 tag nach einander
den bitter[n] grünen safft schlucken. Daß ist gar eine mittelmaßige
freüde, aber waß will man thun? In meinem alter wirdt alles
verdrießlich. Hir ist daß wetter zimblich drucken
[2] nun; es friert zwar
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nicht gar starck, doch alle nacht eyß. Ich habe etliche neüe
callender, so sehr kranckheitten treüen
[3]. Hir hört man eher von
heürahten, alß von freüden; alle fest gehen ohn lust gar ernstlich
her, erweißen mehr magnificence, alß freüden, aber alle ahngestelte
lusten in Franckreich sein so. Ich habe keinem bal beygewohnt,
alß dießem, den ich nicht entgehen kan, leyder
[4]; ich hore aber
gern, wen junge leütte sich lustig machen, wens nur ohne mich
geschicht. Seindt noch freüllen von Veningen vorhanden? Daß
wust ich nicht. Weßen dochter seindt sie den? Vielleicht der
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Augustins dochter, der ein stifftsfreüllen in Westphallen geheüraht
hatte? Aber nein, weillen Ihr fraw von Degenfelt ihre großmutter
heist, muß es deß Eberfritzen enckelen sein. Ihre großtante wirdt
nun baldt wider kommen, hoff, daß sie gegen Ostern hir sein wirdt.
Flenen
[6] ist eine ellende faßnacht, ich habe es, gott lob, gantz
abgewehnt; die threnen kommen mir zwar in den augen, vergeht aber
baldt wieder
[7]. Leben der graff Degenfelt undt seine gemahlin noch
45 jahr, so können sie neüe hochzeit halten, wie es hir der brauch
ist; alle ehe-leütte, wen sie 50 [jahre] beysamen gelebt haben,
macht man eine rechte hochzeit wider. Ewer arme älste niepce
scheindt gar nicht resolvirt; in ihrem brieff, so sie mir geschrieben,
wünscht sie, zu sterben. Kranck ist sie schon geweßen, ihre
kinder sollen auch kranck sein. Printz Fritz ist krank geweßen ahn
einer faussen pleuresie
[8], nun solle er gantz wider woll sein, gott
lob! Von dem argwohn, so man hatt, daß er auff der reydtschul
gefahlen, will ich der printzes von Wallis kein wordt sagen. Die
hertzogin von Zel
[9] hatt gar einen schönnen todt gehabt. Gott
verley mir die gnade, daß der meine so sein mag! Die hertzogin von
Zel mag woll viel guts ahn sich gehabt [haben]; sie hatte aber etwaß,
wie man mir versichert, so hir ihm landt, insonderheit bey den
damen, gar gemein ist, nehmblich falsch zu sein wie galgenholtz,
wie Lenor alß pflegt zu sagen; da halt ich gar nichts von. Daß
unglück ihrer fraw dochter
[10] war bloß ihre schuldt, sie hatt sie
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bitter übel erzogen, solle in alle ihre amour ihre confidentin
geweßen sein; daß ist abscheülich. Sie hatt kein testament gemacht,
alles mündtlich verordtnet undt ihre leütte undt bedinten gar woll
bedacht. Sie hatt der printzes von Wallis [eine] tour perlen undt
ohrgeheng geschickt. Ich weiß woll, daß eine neü gebohrne
printzes zu Stu[tt]gart ist, den ich bin gevatter dazu
[11]. Kinder
kommen, wie sie gott schickt, medger oder buben. Ich mögte doch
dem gutten printzen von Studgard woll ein sohngen wünschen, den
er ist ein artiger herr. Man hatt ihm vor dießem nicht zugethrawet,
desbauchiren zu konnen; daß muß doch falsch sein, weillen er schon
einen printzen undt eine printzes gehabt halt. Adieu! Der könig
wirdt gleich komen undt unßere artige infantin. Ewer liebes
schreiben ist vollig beantwortet. Gutte nacht! Übermorgen werde
ich Eüch verzehlen, wie alles abgangen, nun aber nur sagen, daß
ich Eüch von hertzen lieb behalte.