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Brief vom 14. März 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1311.


[342]
Paris den 14 Mertz 1722 (N. 75).
Hertzallerliebe Louise, ich habe Eüch vergangenen donnerstag versprochen, heütte zu verzehlen, wie der bal abgangen; da komme ich nun mein versprechen halten. Ich bin umb halb 9 hin, der könig undt die kleine infantin seindt eine gutte viertelstundt spatter kommen, alß man gemeindt; der bal hatt erst nach 9 uhr ahngefangen. Waß man hir le premier coup d’oeuill heist, war recht schön, nehmblich einen gar woll esclarirten sahl mitt 24 cristallene leüchter von 12 lichter; überall wahren noch lichter, also daß der sahl so hell war wie ahm tag. Auff beyden seytten wahren von einem ort zum andtern große gradin[1] gestelt, 3 von dießen trep[p]en oder gradin saßen voller gebutztendt[2] damen, magnifiq in demanten undt juwellen auff allerhandt art. Die cavallier wahren [343] auch sehr gebutzt, alle goltenen broccard[3], worauff silber gestuckt gestickt, sehr gefrißirt undt geputtert. Über den gebutzten damen saßen allerhandt masquen, daß gab einen artlichen contrast. Der konig hatt vor mehr, alß 4 millionen, demanten; der demant auff der acksel hatt allein 3 millionen gekost, ist etwaß gar schönnes. Ich habe doch noch vor 2 jahren einen schönnern bey einem Juden gesehen, so ahn den könig in Poln gehorte, ich will sagen der Jud, aber nicht der demant. Dießer arme Jud ist vergangen jahr gestorben. Aber umb wieder auff den bal zu kommen, so fing der bal mit dem könig undt unßer mademoiselle de Beaujoloy[4] ahn. Sie dantzen beyde über die maßen woll, es gab ein gantz gemürmel im sahl; sie dantzen alle figurirte däntze wie große leütte; der unterschiedt aber ist, daß alle erwacksene leütte hir jetzt bitter übel dantzen undt dieße gar woll. Die meisten hir haben gar kein oreille, dantzen hors de messure, daß es einen ungedultig macht zu sehen. Unßer artig kindtgen, die infantin, hatt gutt oreille, schlegt die messure gar just, also zu hoffen, daß dieße woll dantzen wirdt, wo sie bey leben [bleibt]. Aber daß arme kindt wirdt so erschrecklich mager hir, daß ich fürchte, daß sie in kurtzem eine große kranckheit außstehen wirdt, den alle frembten hir müßen den tribut von der bößer[5] Parisser lufft bezahlen. Es were mir hertzlich leydt, wen dem kindt waß übels geschehen solte; den über alle große ursachen habe ich noch die, daß ich daß artige kindtgen lieb habe, den es distinguirt mich gantz; wo es mich sicht, felt es mich umb den halß mitt die artigste maniren von der welt, hatt mir also gantz daß hertz gewohnen. Aber da bringt man mir babiollen, die muß ich sehn, ob sich nichts vor die infantin findt. Ich habe etwaß gefundten, so recht artlich, ist eine pupe von email, einen kleinen Spanier, so in einer handt ein glaß helt, in der andern eine bouteille von glaß, worinen wie rotter wein; er hatt ein bauch undt rücken, seindt von einer eintzigen perl; daß kleydt ist blaw, von email undt golt; er hatt einen fuß auff einen pied destail[6] von agathe, den andern in der lufft, alß wen er dantzt, einen langen degen undt spanischen hudt, recht artlich. Aber ich muß meine pausse machen. [344]
Sambstag, den 14 Mertz, umb halb 9 abendts.
Ich habe ohnmoglich wider zum schreiben gelangen konnen, ich habe den gantzen tag so viel leütte gehabt, daß ich ohnmöglich zum schreiben habe gelangen können. Die infantin ist umb 4 kommen, mein pressent hatt woll reussirt, hatt daß liebe kindt erfrewet. Umb halb 5 ist der konig kommen undt man ist gleich ins opera von Regneaut[7], so biß 8 gewehrt; da ist man zur illumination undt fewerwerck, so sehr schön geweßen[8]; ich schicke Eüch hirbey die beschreibung[9], liebe Louise! Ich will doch noch ein par wordt auff Ewer liebes schreiben andworten, ehe ich zu nacht [eße], nehmblich auff Ewer liebes schreiben von 28 Feb[ruari], no 17. Ich thue nichts ungerners, alß böße zeittung zu geben, wardt[10] alß, biß ich gedencken kan, daß mans weiß. Ewer ni[e]pce d’Holdernesse jammert mich von hertzen, ob ich sie zwar nicht personlich [kenne]; aber auß ihrem schreiben ersehe ich woll, daß sie erschrecklich betrübt muß sein. Zu verliehr[e]n, waß man in der welt ahm liebsten hatt, ist woll zu bejammern, den da ist kein mittel zu, also daß gröste unglück von der welt. Kein verstandt, liebe Louise, kan vergeßen machen, waß man so hertzlich geliebt undt einem überall fehlt; aber: Vor den todt kein kraudt gewac[h]sen ist, mein lieber Christ! Alles, waß lebet, sterblich ist[11]. Gott stehe ihr bey! Ich muß schließen, den mein magen zicht mich unerhört, muß eßen undt schlaffen. Alles gethuns ist nun zum endt; ich hoffe, hinfüro mehr zeit zu finden; jedoch kondt Ihr mir nicht vorwerffen, eine [345] post verfehlt zu haben, liebe Louise, habe mein wordt immer gehalten undt werde, ob gott will, nicht dran fehlen. Adieu, hertzliebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. März 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 342–345
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1311.html
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