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Brief vom 2. April 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1316.


[362]

A madame Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.

Paris den gründonn[e]rstag, 2 Aprill 1722, umb 3 viertel auff 11 uhr
morgendts (N. 80). Hertzallerliebe Louise, es ist eine halbe stunde, daß ich auß der pfarkirch kommen bin, wo ich zum h. abendtmahl gangen undt gott von hertzen gedanckt, daß er mir meinen sohn wider geschenkt hatt, den ich habe ihn gar nahe bey dem todt gesehen. Aber nun ist er wider gantz [gesund], hatt nur noch einen kleinen husten undt großen schnupen. Hette er mir glauben wollen, were er gar nicht kranck worden, aber er glaubt mir in nichts in der welt, würde sich in allem nicht schlimmer dabey finden, wen er mir glauben wolte. Aber last unß von waß anderst reden! Dieß mögte unß zu weit führen. Komme also auff Ewer liebes schreiben vom 17 Mertz, no 21. Von der post werde ich nichts mehr sagen, wir müsten sonst immer nur von einerley sprechen undt könten nur daßselbe sagen, den es ist doch keine enderung zu hoffen. Ich kan mich jetzt nicht einer gar perfecten gesundtheit berühmen, den meines sohns kranckheit hatt mich einen solche angst undt schrecken eingejagt, daß ich mich noch nicht erhollen [konnte], hatt mir starcke vapeurs hinterlaßen. Dieße kirche-gänge von dießer wochen werden mich gewiß nicht davon couriren; aber biß sambstag über 14 tag da hoffe ich beßer zu werden, den ich werde, wilß gott, in mein liebes St Clou sein, verlangt mich woll hertzlich darnach. Paris hatt mich greülich geschmoltzen. Ich glaube, daß die fraw von Rotzenhaussen übermorgen, da sie wider hir sein wirdt, mühe haben wirdt, mich wider zu kenen; den die mich täglich sehen, finden mich geendert. In meinem alter erholt man sich nicht leicht wider, es muß zeit dazu haben. Aber ich bin gantz getrost, waß auch drauß werden mag. Verwichenen montag hatt mir unßer artiges infantgen eine vissitte geben. Wie ich eben von der großen printzes de Conti kam undt zu ihr fahren wolte, kame man mir sagen, daß die infantin in Palais-Royal meiner erwahrt, bin also nicht [363] weytter kommen; sie batt mich gantz ernstlich, ich solte sie wider weg laßen, den man hatte ihr einen gartten verehrt, darinen müste sie arbeytten undt blumen setzen undt sie begießen. Dadurch segt Ihr woll, daß sie noch kindisch ist, welches woll kein wunder ist, den verwichen dinstag ist [sie] 4 jahr alt worden. Mitt aller dießer kindtheit hatt sie doch so ernstliche gedancken, daß sie davor erschrickt. Vor wenig tagen revirte[1] sie, ihre sougouvernante fragte sie: A quoy reves vous si serieussement? Sie andtwort: Je m’en vay vous le dire; on dit que, quand on meurt a mon age, qu’on est sauves et qu’on va droit en paradis; je pensois donc que le bon dieu me feroit une grande grace, s’il me prenoit pressentement[2]. Ist das nicht ernstlich gedacht vor ein kindt von 4 jahren? Vergangen sambstag habe ich einen bri[e]ff von der königin von Sardaignen bekommen, man kan nicht contenter von der printzes von Sultzbach sein, alß [sie ist]. Gott gebe nur, daß es bestandt haben mag[3]! Ich habe vergeßen, zu sagen, daß ich, ehe ich in daß closter bin, ein schreiben von Eüch entpfangen vom 21 Mertz, no 22. Da kan ich aber heütte ohnmoglich auff andtwortten, so mir aber gott daß leben biß auff zukümfftigen sambstag verleyet, hoffe ich, drauff zu andtwortten; aber dießen abendt werde nur auff daß andtwortten, so ich heütte morgen ahngefangen hatte, komme wider auff die printzessinen von Sultzbach. Die abtißin[4] war nahe bey 5 jahr alter, alß der printz von Piedmont (so heist man I. L.), war also kein heüraht vor ihm. Es war kein anderer scrupel, alß daß alter. Ist den Chur-Trier[5] kein prister, daß er sich heürahten [will] ? Wirdt woll nicht viel erben bekommen, wen er noch etliche zeit wahrt[6]. Ich bin woll Ewer opinion, liebe Louise, daß menschen-sorgen unnöhtig sein undt daß alles nur geht, wie es gott zu allen zeitten vorsehen hatt. Wie ich den erbprintz von Sultzbach nicht kene, muß ich gestehen, unter unß gerett, wen unßer printz von Birckenfelt zu der chur kommen konte[7], daß würde [364] gewiß unßere gutte Heydelberger trösten. Ich weiß kein wordt von den sultzbachis[ch]en pfaltzgraffen, [habe] nur gehört, daß der letzt verstorbene[8] gar viel verstandt gehabt hatt. Wo hatt er den den wunderlichen sohn bekommen? Der jüngste herr, so den abgeschmackten heüraht gethan[9], ist ein artlich bürschen; es ist schadt, daß man ihn so übel verheüraht hatt. Ich muß enden, den ich muß morgen umb 8 in die passion-predig gehen undt werde erst gegen 12 auß der kirch. Adieu, liebe Louise! In[10] ambrassire Eüch undt behalte Eüch von hertzen lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. April 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 362–364
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1316.html
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