Seitenbanner

Brief vom 4. April 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1317.


[364]

A madame Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckforth.

Paris, sambstagen, den 4 April 1722 (N. 81.)
Hertzallerliebe Louise, ich bin gestern gar spät schlaffen gangen durch eine sache, so mich von hertzen erschreckt. Umb halb 10, wie ich eben ahn mein dochter schreiben wolte, den den gantzen tag hatte ich keine zeit dazu, ware den morgen von 8 biß 3 viertel auff 12 in der passions-predig geweßen, so 5 große viertelstundt gewehrt; hernach habe ich auch den gebettern beywohnen müßen, so man l’office du vendredy saint heist, bin also umb 12 erst wider herrein, habe meinen sohn besucht, so, gott lob, alle tag beßer wirdt, bin hernach ahn taffel, hatte einen starcken hunger. Also wie ich nach dem eßen allein war, bin ich braff entschlaffen, habe 2 gutter stundt geschlaffen von 1 uhr biß umb 3; da bin ich in kutsch au[x] Carmelitte[s] zu Tenebre[1], so ein par stundt gewehrt, hette gewünscht, daß es noch lenger hette wehren können. Den ich laße in einem buch, so mich recht divertirt, ist auß dem Englischen übersetzt; ich zweyffle nicht, daß Ihr es auch habt, heist Williams Cave[2] erstes Christenthum. Ich kam nach 6 abendts [365] erst wider herrein undt schriebe ein par wordt ahn unßere liebe printzes von Wallis. Wie ich aber nach 9 uhr ahn mein dochter schreiben wolte, kame madame de Souvelle, der hertzogin von Hannover hoffmeisterin, gantz verstebert[3] in mein cammer undt sagte, madame la princesse hette ihr befohlen, mir gleich ihr ellendt zu klagen. Der printz de Conti, ihr enckel, mitt sein[e]r fraw mutter haben sich ahngestelt, alß wen sie auff ihr landtgutt wolten, so 10 meill von Paris, seindt auch weg gefahren undt drauß geblieben, biß es nacht war; da seindt sie wieder herrein gefahren, ins petit Luxemb[o]urg auff einmahl eingedrungen. Deß pr[ince] de Conti gemahlin hatte eben ein bludt-sturtz; wie sie ihren herrn sahe, erschrack so[4] so erschrecklich, daß ihr der bludt-sturtz auff einmahl auffhörte undt in abscheülich zittern viel[5], worüber madame la princesse so erschrack, daß sie wo[6] ohnmachtig wardt. Der printz ließ sein nacht-zeüg hollen, sagte, er wolte in seiner gemahlin cammer schlaffen. Alß er aber gehört, daß man madame la duchess[e] undt monsieur le duc von Chantillie[7] geholt undt der comte de Charolloy[8] mitt gutte pistollen, so er immer im sack tregt, kommen würden, hatt er umbgesattelt undt ist umb 10 uhr wider nach hauß, den der herr ist gar vorsichtig undt helt nichts von gefahr. Ich weiß nicht, wo er diß her hatt, den sein herr vatter hatt groß courage undt alle seine verwanten von allen seytten her. Aber nun muß ich meine pausse machen, den es ist zeit, in kirch zu fahren; werde hernach zum könig undt sein kleines breütgen, so sich heütte nicht zum besten befindt. Ich fürchte alß, es wirdt nicht leben, es hatt gar zu viel verstandt[9]. Aber da kommen meine kutschen; ich muß eine pausse machen.
Sambstag umb 9 abendts.
Seyder ich auffgehört, zu schreiben, habe ich viel sagen[10] gethan, ich bin auch woll, auff gutt Pfaltzisch zu sagen, abscheülich geheyt[11] worden, seyder dem ich wider herein bin. Erstlich bin ich in kirch a complie, von dar zur infantin, so noch im bett war, [366] doch lustig, sagt, sie were kranck geweßen, hette zahn-wehe gehabt, were aber nun wider woll. Von dar bin ich zum könig. Wie ich wider herrein bin, war es halb 6; da kam die kleine printzes de Conti herrein undt die hertzogin von Hannover, die haben mich 2 stundt undt eine halbe auffgehalten. Da entpfange ich Ewer liebes schreiben vom 24 Mertz. no 23; daß kan ich geschwindt undt mitt wenig wordten beantwordten. Ich will nicht manquiren, dem kleinen secretarie von Grevenbroch Ewere sache woll zu recomandiren undt mein sohn auch bitten, solches zu thun. Aber, liebe Louise, ich glaube, es were auch nicht schlim, wen Ihr mir ein memoire von den schonbergischen affairen schickt, daß ich es selber ahn Churpfaltz schicken konte. Ahn monsieur le Fevre habe ich Ewern brieff gleich geschickt. Es ist spätt, ich muß wider willen enden, nur noch sagen, daß Lenor dießen abendt ahnkommen, ist hertzlich froh, wider hir zu sein. Gutte nacht, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt werde Eüch all mein leben lieb behalten.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 4. April 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 364–366
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1317.html
Änderungsstand:
Tintenfass