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Brief vom 9. April 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1318.


[366]

A madame Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.

Paris den 9 April 1722 (N. 80).
Hertzallerliebe Louise, gestern hab ich Ewer liebes schreiben vom 28 Mertz, no 24, entpfangen, alß ich eben von meinen vissitten kamm. Ich war erst bey unßer artlich infantgen geweßen, welches mich wie ordinarie über die maßen woll entpfangen, wie ordinarie; den ich bin in großen gnaden bey I. L., macht mich in einen großen seßel sitzen, nahm ein pupen-tabouret, setzt sich nahe bey mir undt sagte: Escouttes[1]! j’ay un petit secret a vous dire. Wie ich mich gebuckt, springt sie mir ahm halß undt küst mich auff beyde backen. Ich habe daß artige kindtgen von hertzen lieb. Nachdem ich eine gutte halbe stundt da geblieben, bin ich zu madame la princesse gefahren, wo die hertzogin von Hannover hingekommen, haben anderthalb stundt von der armen pr[incesse] de Conti unglücklichem zustandt gesprochen. Sie will mitt aller [367] gewalt von ihrem herrn geschieden [sein] undt ihr herr will sie mitt aller gewalt wieder haben; man weiß noch nicht, wie dießes alles ablauffen wirdt. Ich bin in rechten sorgen vor die arme printzes, fürchte, daß sie ihr leben unglücklich sein wirdt, undt es ist schadt, den sie ist eine ahngenehme mensch, die mir allezeit mehr freündtschafft erwießen, alß alle ihre geschwister, habe sie also lieber, alß die andere alle. Abendts umb halb 7, wie ich wider kam, bracht man mir Ewer liebes schreiben, worauff ich nun andtwortten will. Aber da kompt mein sohn herrein, er ist gantz gesundt, gott lob! allein er ist sehr mager worden undt sicht noch bitter übel auß. Gott stehe unß ferner bey! wir habens hoch von nohten. Von meinen brieffen will ich nichts anderst sagen, [als] daß die ursach, warumb Ihr ein 3tes paquet bekommen, ist, daß, wie man Ewer paquet abendts gemacht hatte undt daß gedruckte vergeßen, hinein zu thun. Wie ich ordinarie frühe auffstehe undt diß gedruckte auff meiner taffel gefunden, habe ich geschwindt ein paquet gemacht undt es auff die post geschickt; drumb ist es noch zu recht kommen, aber das meritirt keine danksagung. Die ängsten undt schrecken vor meinem sohn hetten mich schir kranck gemacht; ich habe zwar kein fieber, aber es ist mir nicht woll, habe vapeurs, keine lust zum eßen, viel windt undt krampff. Ich hoffe aber, daß übermorgen über 8 tag es beßer [werden wird; denn wir] werden, gott lob, nach St Clou undt dort zu mittag eßen. Dieße gutte lufft wirdt mich, ob gott will, wieder zu recht bringen, insonderheit weillen mein sohn undt sein sohn wider perfect gesundt sein. In Teütschlandt tractirt man die krancken anderst alß hir; daß weist woll, daß unßere stunden gezehlt sein undt man nur stirbt, wen die stundt kommen ist. Da kompt monsieur Teray undt treibt mich, schlaffen zu gehen, sagt, wen man vapeurs hatt, muß man nicht lang schreiben. Diß ist doch der 3te brieff, so ich heütte schreibe; die anderen zwey seindt ahn die printzes von Modene undt printzes de Conti. Adieu, liebe Louise! Ich muß schließen, hoffe, biß sambstag mehr zeit zu finden, Eüch lenger zu entreteniren undt versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 9. April 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 366–367
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1318.html
Änderungsstand:
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