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Brief vom 18. April 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1321.


[374]
Paris den 18 April 1722 umb 7 morgendts (N. 83).
Hertzallerliebe Louise, nun ich meine schuldigkeit bey unßerm herrgott verricht undt nachdem ich mein morgen-gebett gethan undt hernach meine capittellen in der Bibel geleßen, will [ich] Eüch nun entreteniren, biß es zeit wirdt sein, daß ich mich ahnziehe, nehmblich umb halb 9, umb 10 werde ich in die capelle betten gehen, hernach mein sohn adieu sagen undt gleich in kutsch, umb umb 12 [375] zu St Clou zu mittag zu eßen. Ob ich zwar Paris gar gern quittire, so gehe ich doch mitt schwehrem hertzen weg; den erstlich laß ich hir eine von meinen gutten freünd[inn]en, welche ich woll nicht mehr sehen werde, nehmblich die alte marechalle de Clerembeau[1], die ist gar kranck worden ahn einem husten undt ist 87 jahr undt 5 mon[a]t alt, wobey wenig beßerung zu hoffen ist. Es ist eine dame von großem verstandt undt schon 15 jahr bey mir, jammert mich also recht von hertzen. Sie hatt ihren verstandt noch, wie sie gehabt, alß ich herkommen, undt noch ein gutt undt schon gedachtnuß, ist von gutter geselschafft, verliehre sie recht ungern. Daß ist schon eines, so mich betrübt weg geben macht, aber über daß so habe ich noch sonst viel verdrießliche sachen im kopff. Die Frantzoßen seindt woll undanckbare leütte[2]; denen mein sohn ahm meisten gutts gethan, werden jetzt seine argste feindt undt erweißen es auff alle weiße. Daß angstet mich recht undt nicht ohne ursach, den nun kompt die zeit herran, daß der könig die majoritet ahnnehmen wirdt. Gott weiß, wie es den gehen wirdt. Daß seindt lautter betrübte reflectionen, gehe von hertzen gern weg, umb nichts mehr zu hören, noch zu sehen undt, so viel mir möglich sein wirdt, ein wenig ruhiger zu St Clou zu leben. Aber hiemitt hab ich auch genung gelamantirt undt mein gedrucktes hertz gelehrt[3], will nun von waß anderst reden. Gestern kam unßer artig infantien her, ambrassirte mich woll von hertzen, ist ein artig kindtgen, ich hab es recht lieb. Aber ich habe dar noch eines von Ewern lieben schreiben vom 4 dießes monts, no 25, so ich noch nicht beantwortet habe. Ach, liebe Louise, meine brieff seindt langweillige sachen undt die schwesterliche liebe muß allein machen, daß sie Eüch so ahngenehm sein. Zürnen kan ich braff; ich zürne die mehr, so ich lieb habe, alß andere; den ich bin gar zu indifferent, umb auff die, wonach ich nichts frage, acht zu haben, waß sie thun oder nicht. Aber da kompt mir mein sohn adieu sagen, muß also enden; auch habe ich Eüch heütte nur einen kleinen brieff versprochen, kan nichts auff Manheim, noch der Judin affaire sagen, mich deücht auch, ich habe schon darvon gesprochen[4]. Zu Friderichsburg hatt man, wie ich gehört, nicht wider gebawet; daß jammert mich recht. [376] Kame ich einmahl in die Pfaltz, würde ich mich todt weinen[5]. Adieu, hertzliebe Louise! Ich gehe mich ahnziehen undt weg fahren. Wo ich aber auch sein mag, seidt versichert, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. April 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 374–376
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1321.html
Änderungsstand:
Tintenfass