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Brief vom 23. April 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1322.


[376]
St Clou den donnerstag, 23 April 1722, umb 7 morgendts (N. 84).
Hertzallerliebe Louise, seyder ich hir bin, habe ich keinen frischen brieff von Eüch entpfangen, undt vergangenen sambstag zu Paris, ehe ich weg bin, habe ich meine taffel geraumbt. Weillen der könig kommen wolte, mir adieu zu sagen, so sagt ich ahn meine leütte, sie solten die alten brieff brenen; ich hatte aber nicht in acht genohmen, daß die Ewerigen noch drauff lagen, die haben sie mitt den andern verbrendt, kan also oh[n]moglich mehr drauff andtwortten, will Eüch also nur verzehlen, liebe Louise, wie es mir hir geht. Meine gesundtheit ist schon, gott lob, beßer, alß sie zu Paris geweßen, undt samstag abendts, wie ich hir ahnkommen, ist mir mein kopffwehe vergangen, schlaff auch beßer hir, alß ich zu Paris gethan. Es ist also sehr zu hoffen, daß ich mich hir wider erhohlen werde, wen nur meine innerliche trawerigkeit vergehen. Alle augenblick bekomme ich neüe schrecken. Gestern, wie ich ahn taffel war, kamme man mir sagen, mein sohn würde nicht kommen, sondern den duc de Chartre[s] schicken, seine entschuldigung zu machen undt daß ihm wider ein neüer husten mitt erstickung ahnkommen were. Ihr könt leicht gedencken, liebe Louise, wie ich über dieße verfluchte zeittung erschrocken. Aber umb halb 2, eine halbe stunde, nachdem ich auß der taffel, ist man wider kommen undt hatt mir gesagt, daß, gott lob, dieße zeittung falsch undt daß mein sohn seine kutsch umb 2 uhr bestelt hette, also umb 3 hir sein würde, welches auch, gott seye danck, geschehen undt habe ihn, gott seye danck, viel beßer undt viel lustiger gefunden, alß ich ihn zu Paris gelaßen hatte. Daß hatt mich recht woll schlaffen machen undt alle andere verdrießlichkeiten vergeßen machen, den ich habe sachen gehört, so mich jammern. Ich habe ein schreiben [377] von unßer printzes von Wallis bekommen, die schreibt mir, daß einer von meinen alten gutten freünden zu Hannover auff den todt ligt, der arme großfogt von Bullaw[1] auff den todt hegt; ist mein gutter freündt von kindtheit ahn geweßen, ich heiße ihn noch alß mitt seinen tauffnahmen Jochem Hennerich. Der schlag hatt ihn gerührt undt man zweyffelt ahn seiner geneßung, ist mir von hertzen leydt. Es ist woll schadt, wen ehrliche [leute sterben], den die menge davon ist eben nicht so groß in jetztigen zeitten. Eine dame, so vor dießem mein freüllen geweßen, ob ich sie zwar nie gar sehr geliebt, so jammert sie mich doch, den sie hatt abschiedt von mir nehmen laßen undt ligt auff den todt ahn einer brustsucht; sie ist vom hauß Potié[2]. Unßere marechalckin de Clerembeau hatt monsieur Teray gepurgirt, befindt sich beßer seyder dem. Gott gebe, daß sie davon kommen! Aber 87 jahr undt ein halbes ist ein groß alter, umb zu genehßen können, wen man kranck wirdt. Außer heütte haben wir lautter heßlich wetter hir gehabt, lautter kalte sturmwindt undt so scharpffe nordtwindt, daß man immer groß feüer hatt machen müßen. Es war kalter, alß im Januari; man hatt mir alle nacht daß bett wermen müßen. Es ist über 14 tag, daß dießer frost gedawert, solle doch den wingartten nicht geschadt haben, gott lob! Der windt, so gar starck gewehrt, hatt den frost verhindert, schaden zu thun. Waß solle ich nun weytt[e]r sagen? Solte die post nicht so übel gehen, alß sie thut, würde ich sehr vor Eüch, liebe Louise, in sorgen sein; aber ich hoffe, heütte waß von Eüch zu bekommen. Der arme monsieur le Fevre ist noch die halbe seytte lahm, kan nicht auß dem bett, wirdt ins badt müßen. Den kopff hatt er in einem gutten [stand], er arbeydt doch immer vor Ewere niepcen mitt monsieur le Roy, mein advocatten, welcher auch ein gar ehrlicher man ist. Ich werde heütte nach Madrit, wo mich gestern meines sohns vissitte abgehalten. Bekomme ich waß, so werde ich Eüch noch nach meiner kleinen spatzirfahrt entreteniren; bekomme ich nichts, so müst Ihr, liebe Louise, mitt dießem kleinen brieffgen vorlieb [nehmen], so Eüch doch versichern wirdt, wie daß ich Eüch, liebe Louise, biß ahn mein endt von hertzen lieb behalten werde.
[378] P. S.
Donne[r]stag umb 8 abendts.
In dießem augenblick entpfange ich Ewer paquet undt liebes schreiben vom 11, no 27, ich kan aber heütte oh[n]möglich drauff andtwortten, den es ist zu spätt; aber biß sambstag hoffe ich, ob gott will, es zu beantwortten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 23. April 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 376–378
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1322.html
Änderungsstand:
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