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Brief vom 2. Mai 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1324.


[384]
St Clou den 2 May 1722 umb ein viertel auff 7 morgendts (N. 87).
Hertzallerliebe Louisse, mein morgen-gebett ist vericht undt meine Bibel geleßen; nun will ich Eüch entreteniren, biß es zeit wirdt sein, daß ich mich zur aderläß preparire, welches gegen halb 9 geschehen wirdt, undt dießen abendt werde ich Eüch berichten, wie meine aderlaß abgangen, nun aber auff eines von Ewern lieben schreiben antwortten, so ich noch überig habe, nehmblich daß vom 11 April, no 27. Die posten gehen so wunderlich, baldt woll, baldt übel, daß man nur zufrieden sein muß, wen die brieffe zurecht kommen undt nicht verlohren werden. Ich befleißige mich alß, liebe Louise, nichts zu versprechen, alß waß ich gewiß halten will; aber wen ich einmahl versprochen, thue ich mein bestes, es gar ortendtlich zu halten[1]. Ich habe Eüch versprochen, liebe Louise, mitt willen nie keine post zu verseümen; daß hab ich bißher treülich gehalten undt werde es allezeit halten, also kont Ihr fest versichert sein, daß, wen Eüch eine post fehlt, daß es meine schuldt nicht ist. Solte ich mich übel befinden undt nicht schreiben können, würde ich Eüch doch durch jemandts anderst meinen zustandt berichten laßen. Also, wen Ihr nichts von mir entpfangt, so macht Eüch keine sorgen undt glaubt nur, daß es der unrichtigkeit der post schuldt ist! Eine occasion mogte sich woll dieß jahr zutragen, worinen ich ein par posten fehlen würde, nehmblich wofern mir [385] gott daß leben biß auff den 15 October verleyet, den da werden wir von hir auffbrechen, umb nacher[2] Rheims zu reißen zu deß königs crönung. Ich sage es Eüch zum vorauß, weillen wir eben davon sprechen, den ich mögte es ein andermahl vergeßen. Meine reiße ist doch noch nicht gar sicher, bestehet darauff, ob meine dochter hin kommen kan. Kompt sie hin, so gehe ich, wo nicht, bleibe ich hir; den ich bin zu alt umb curieux zu sein, undt ceremonien seindt meine sache gantz undt gar nicht, finde nichts langweilligers; werde also nur bloß meiner dochter wegen hin, im fall sie hin kommen kan, woran ich noch sehr zweyffle. Ich bin ohnvergleichlich beßer hir, alß ich zu Paris war, finde mehr kräfften. Allein dieße aderlaße, so ich thue, wirdt mir die starcke wider gantz bekommen[3], den ich bin ordinarie 3 wochen, ohne mich wider zu erhollen. Darauff zehle ich fest. Aber waß will man thun? Man muß die zeitten nehmen, wie sie kommen. Die zeit wirdt lehren, waß auß meiner gesundt[heit] werden wirdt. Waß aber in meinem sin beßer zu meiner gesundtheit ist, alß mein[e] aderlaß, daß ist meines sohns undt enckels gutte gesundtheit, gott lob! Aber da schlegt es 8, ich muß in die kirch. Adieu biß dießen abendt zwischen 5 undt … uhr!
Ich will Eüch, liebe Louise, mitt wenig wortten verzehlen, wie meine aderläß abgeloffen. Erschreckt nicht über, waß ich Eüch verzehlen werde, liebe Louise! den es ist nichts, ich bin woll. Mein balbirer lest gar woll zur ader, hatt mich auch woll gelaßen. Wie ich ahn der zweytten palette war, sehe ich den balbirer ahn; der fengt ahn, zu wacklen, sicht auß wie der bitter todt undt wirdt ohnmachtig; hette ichs nicht in acht genohmen, were der kerl auff mich gefahlen[4]. Er sahe abscheüllich auß, ist sujet von den migrainen, die machen ihn rack ohnmachtig. Wie er wieder zu sich selber [gekommen war], hatt er mir den arm zwar verbunden, ich glaube aber, er wuste nicht, waß er that; hatt mir den arm so übel verbunden, daß mir die ader wieder auffgangen, hab zimblich bludt verlohren. Daß ist noch nicht alles. Wie ich von taffel kommen, habe ich kupfferstück besehen undt bin drüber entschlaffen. Ich weiß [nicht], ob ich im schlaff den ellenbogen ahm stuhl gestoßen, [386] oder waß mir geschehen, aber meine ader ist zum 3ten mahl wider auff[gegangen], habe mehr, alß noch eine palette, von bludt verlohren; daß hatt mich sehr abgematt. Derowegen werde ich vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß, in welchem standt ich auch sein mag, so werde ich Eüch, hertzliebe Louise, allezeit von hertzen lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. Mai 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 384–386
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1324.html
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Tintenfass