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Brief vom 14. Mai 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1327.


[390]
St Clou den 14 May 1722 (N. 90).
Hertzallerliebe Louise, gestern abendts, alß ich von Madrit kamme, bracht man mir Ewer liebes schreiben. Ich hatte die arme Chausseray[e] in einem ellenden standt gefunden, hatt seytter sambstag daß continuirliche fieber; man hatt [ihr] gestern abendts, nachdem ich wider weg, zum 2[ten] mahl zur ader gelaßen. Sie ist selber schuldt ahn ihrer kranckheit, hatt sich kranck ahn milch gefreßen undt den magen mitt verdorben. Es ware gestern daß schönste wetter von der welt, mein sohn kamb[1] umb halb 3 her undt bliebe biß umb 4. Wie mein sohn bey mir war, kam ein edelman vom printz de Conti undt bracht mir die zeittung von ihrem unglück, nehmblich wie daß deß printzen zweytes söhngen ahn den zahnger gestorben, der comte de Mercoeur; sie seindt alle erschrecklich betrübt, jammern mich recht. Wo es mir meine gesundtheit erlaubt, werde ich biß sontag nach Paris, ihnen daß leydt zu klagen. Dießes kindt gliche seinen herr vatter wie 2 tropffen waßer, wundert mich also nicht, daß er betrübt über ihm ist. Wie er die betrübte zeittung erfuhr, war er eben mitt sein[e]r fraw mutter au palais[2], umb den proces gegen seiner gemahlin ahnzufangen; solle überlautte geschriehen haben. Mich deücht, er bette beßer gethan, gleich nach hauß zu fahren, alß dieße scene im vollen parlement zu spillen, so sich vor große fürsten nicht schickt. Aber sie wißen warlich ihr handtwerck nicht recht hir undt meinen doch, es beßer, alß niemandts in der welt, zu wißen; daß macht mich offt recht ungedultig. Es ist aber auch zeit, daß ich auff Ewer liebes schreiben komme. Es ist vom 5 dießes monts, no 34; aber entwetter müst Ihr Eüch verschrieben haben, oder es fehlet mir eines von Ewern lieben schreiben; den daß letzte, so ich entpfangen, war vom 28 Aprill, no 32, undt daß gesterige ist vom 5 dießes monts, no 34, also fehlt mir ja daß von 33. Ich bitt Eüch, informirt Eüch doch, liebe Louise, wo es hin kommen ist! verdriest mich recht, Ewere liebe schreiben zu verliehren. Die post macht einem recht, recht ungedultig mitt ihrem übel geh[e]n. Aber waß geht nicht überzwerg in [391] dießer welt? Es were mir leydt, wen Ihr mein paquet von vergangenen sambstig verliehren soltet, weillen ich Eüch eine dorffkirbe drin geschickt, ein tafelgen von perlenmutter; ob es zwar nichts gar magnifiques ist, so konte es Eüch doch gemachlich sein, im sack zu tragen undt drin zu schreiben, waß man nicht gleich vergeßen will. Ich hatte mich flattirt, daß, weillen es nicht übel gearbeydt ist, daß es Eüch nicht mißfallen würde; verlangt mich also, zu erfahren, ob es in Ewern handen kommen ist oder nicht. Es ist mir lieb, zu vernehmen, daß Ihr eine kleine reiße thun werdet; den bey dem samfften frühling-wetter ist daß reißen gesundt, insonderheit ahn unß, die der lufft gar gewohndt [und] damitt erzogen worden; wirdt Eüch, ob gott will, woll bekommen. In ahngenehmer geselschafft zu reißen, ist auch gutt. Die fürstin von Nassau-Siegen macht es, wie in deß duc de la Rochefoucaults maximen stehet: Qu’il est plus rare de trouver qu’une fame coquette n’aye qu’un amant que d’en trouver qui n’en aye jamais eue[3]. Wer sich einmahl dem handtw[e]rck ergibt, lest selten nach. Ich weiß nicht, ob ich Eüch daß schönne dialogue geschrieben, so vor etlichen monat die marquisen de Polignac undt die Sabran[4] mitt 2 duchesse[s] gehalten. Die duchessen wahren nicht von so guttem hauß, alß dieße 2 damen sein. Die damen wolten bey dem bal de l’autel[5] de ville nicht leyden, daß sich die duchessen über sie stellen sollen, sagten: Vous voulles vous mettre au desus de nous pour montrer vos beaux habits qui sont de la bouttique de vostre pere. Die duchessen, piquirt über dießen discours, andtwortten: Si nous ne som[m]es pas d’aussi bonne[s] maison[s] que vous, au moins nous ne sommes pas des putains comme vous. Die dames andtwortten: Ouy, nous sommes des putains et nous le voullons bien estre, car cela nous divertit. Seindt daß nicht schonne discoursen vor damen von qualitet[6]? Die fürstin von Siegen konte [392] auch woll so sagen; ich aprobire sehr, daß man sie nicht sehen will zu Franckfort. Thete man daß hir, würden die weiber eingezogener werden, alß sie sein, undt nicht so unverschembt reden, alß wie Ihr segt, daß sie thun. Ich habe gar kein eyll mitt dem papageyen, were mir nur nohtig vor dem 7br. Es seindt etlichmahl unglückliche [zeiten], da man von nichts, alß tragiquen avanturen, hört. Hiemitt ist Ewer letztes undt liebes schreiben vollig beantwort. Seyder dem ich schreibe, ist daß wetter sehr heßlich worden, nebel undt regen. Derowegen werde ich dießen nachmittag nicht spatziren fahren können, also zeit haben vor undt nach der zeit, daß man in die kirch wirdt, noch auff Ewer überiges liebes schreiben zu andtwortten. Nun aber werde ich meine pausse machen. Ich glaube nicht, daß ich heütte auff Ewere zwey erste schreiben werde antwortten können, den ich habe sonsten noch 2 brieff zu schreiben.
Donnerstag, den 14 May oder himmelfahrtstag, umb halb 3 nachmittags.
Gleich nach dem eßen habe ich wider ein schreiben von Eüch entpfangen, liebe Louise, undt es ist just von 2 May, no 33, undt daß, so ich gefürcht, verlohren gangen seye; also, liebe Louisse, seydt in keinen sorgen mehr davor! Ich werde gleich drauff andtworten. Ihr kontet woll gedencken, daß Ihr die letzte post kein schreiben von mir entpfangen würdet, weillen Ihr den 1 dießes monts 2 schreiben von mir entpfangen hattet, undt daß die post Eüch nur einmahl die woch von meinen brieffen zukommen lest. Ich glaub, daß, wen man mich hübsch in ruhen gelaßen hette undt nichts, alß die ruhe undt lufft, hir gewehr[e]n laßen, wehre ich gantz wider zurecht kommen, undt ich habe die probe davon; den wie ich daß erste mahl nach Madrit ging, war ich so matt, so matt, daß ich nur einen tour im gartten im parterre thun konte; die andere reiße war ich so frisch, daß ich nicht ein mahl, zwey mahl das parterre durchgangen, sondern auch den gantzen thur[7] vom höltzgen, welches all einen zimblichen umbschweiff hatt; finge also wider ahn, woll zu werden, aber die frantzösche mode hatt mich gantz ellendt [393] gemacht. Ich habe Eüch, liebe Louisse, schon vor 14 tagen bericht, wie ellendt es mitt meiner aderläß abgeloffen, wovon ich noch nicht wieder recht erhollet bin; die medecin drauff hatt mich gar niedergeschlagen. Aber waß will man thun? Man muß woll gedult haben, durchleüchtigste Agrippina! wie in der copie von Sejannes[8] stehet. Paris hatt mir, gott weiß, großen schaden ahn meinem leben undt gesundtheit gethan; es ist aber also gottes wille geweßen, man muß sich also drin ergeben. Mein sohn kam gestern her, befindt sich gar woll, gott lob! Daß hat mir einen großen trost geben. Mitt mir mag es gehen, wie es gott will, ich frag kein haar darnach. Ihr segt[9] woll, liebe Louise, daß wünschen zu nichts nicht hilfft, alß zu erweißen, daß man sich vor die leütte interessirt. Mein sohn ist leyder abscheülich gehast, auch von denen, so ihm die groste obligationen haben; die spreüen allezeit alle boße zeitungen von ihm auß, umb alle die, so vertrawen noch zu ihm haben, abzuschrecken. Den ich glaube nicht, daß eine undankbare[re] undt schlimmere nation in der welt zu finden ist, alß eben die Frantzoßen sein; hette ichs nicht so mitt meinen augen gesehen, könte ichs nicht glauben[10]. Aber da leütt[11] man in kirch.
Da komme ich eben auß der kirch, liebe Louise, undt es schlegt halb 5; werde Eüch noch ein stündtgen entreteniren. Ich war ahn die undanckbarkeit von den Frantzoßen geblieben gegen meinem armen sohn. Gott gebe, daß es kein schlim endt nehmen mag, so lang ich lebe! so werde ich schon zufrieden sein. Aber ich habe mühe, mir die angst zu benehmen. Aber last unß von waß anderst reden! Meine leütte seindt alzeit so eyllig mitt ihrem auffreümen, daß sie mir offt [briefe] verbrenen, waß mich recht verdrist. Man hatt nur zur andtwort: Je croyois bien faire. Die 3 cammern von spiel, so Ihr in graff von Degenfelt hauß gehabt, war ein rechts, waß man hir apartement heist. Von den graffen von Bassenheim habe ich nicht gehört, liebe Louise! Wo seindt die her? Seindt sie reichsgraffen? Daß kene ich nicht. Ich glaube, daß mein vetter, landtgraff Carl von Philipsthal, auch baldt wider herkommen wirdt. Unß[ere] alte marechalle de Clerembeault[12] ist, gott lob, [394] beßer undt hatt die hoffnung noch nicht verlohren, wider her zu kommen; den sie liebt St Clou über die maß[en]. Monsieur le Fevre ist seyder sontag nach Bourbon undt Vichi, hatt gutte hoffnung, baldt zu geneßen undt wieder her zu kommen. Gott gebe es! den ich estimire monsieur le Fevre recht undt wünsche ihm alles guts. Unßere printzes von Wallis helt auch gar viel von ihm. Vom großvogt von Bullaw[13] weiß ich nichts, ob er noch lebendig oder todt ist; habe seyderdem nichts von ihm gehört, were mir von hertzen lieb, wen er davon kommen könte. Da ist woll nicht ahn zu zweyffelen, daß die zwey neüe englische gräffinen pension haben werden, daß[14] ihre digniteten ja nur auß faveur sein, undt wen daß ist, bleibt nichts dahinder undt alles gehet nach der ortnuß[15]. Daß wuste ich nicht, daß man zu Franckfort die stück schiest[16], wen die meß zu endt geht. Fengt man die meß auch ahn mitt stück-schießen? Ist aparentz, weillen man damitt endigt. Hir hört man überal von kranken, aber nur von 3tagige fieber, undt wenig leütte sterben dran; aber die meisten tödt, da man von hört, seindt leütte, so sich versauffen, oder erhencken, oder zum fenster nauß sprengen undt sich so den halß brechen. Hir hatt man processionen vor den regen gehalten; aber wens lang nicht geregnet hatt, muß es woll endtlich regnen, wie es endtlich nun auch thut; hatt den gantzen tag geregnet. Gott gebe, daß ein gutt jahr drauß erfolgen mag! Den ich höre nicht gern, wen die arme landt-leütte sich zu beklagen haben, jammern mich gleich von hertzen; zu gedencken alle mühe undt arbeydt, so die arme leütte sich daß gantze jahr ahnthun in hoffnung, brodt undt wein zu haben, wie betrübt sie sein, wen ihnen daß fehlt, daß jamert mich recht von hertzen. Es ist gewiß, daß wenigere[17] schonnere örter sein, alß St Clou. Vor Ewere gutte wünsche [danke ich Euch sehr]; allein bißher kan ich mich noch der perfecten gesundtheit nicht berühmen, wie Ihr auß meinen vorigen brieffen werdet ersehn haben. Mein apetit gehet noch klein her, wie die fraw von Rotzenhaussen alß sagt, wie der wolff sagt, der schnacken fraß[18]. Es ist mir noch gar nicht recht; daß wirdt sich mitt der zeit wider finden. Ich habe kein fieber, nur vapeurs [395] undt mattigkeit. In ein tag 14 wirdt es schon beßer werden. In welchem standt ich aber auch sein mag, so werde ich Eüch biß ahn mein endt von hertzen lieb behalten, liebe Louise!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. Mai 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 390–395
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1327.html
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Tintenfass