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A madame Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckforth.
St Clou den 28 May 1722 (N. 98).
Hertzliebe Louise, gestern war ich zu Paris, da hab ich Ewer
liebes schreiben von 16, no 36, entpfangen, so ich jetzt gleich
beantworten werde undt mein 71 jahr mitt Eüch ahnfangen. Liebe
Louise, Ihr seydt die erste, ahn welche ich in meinen
[1] geburdtstag
schreibe. Ich hoffe, es wirdt mir diß jahr glück bringen, meinen
geburdtstag mitt jemandts ahnzufangen, so mir lieb ist, ahnzufangen.
Ich fange mein neües jahr beßer ahn, alß ich es gestern geendet
habe; den es war wie ein wetter in der lufft, welches meine
mattigkeit, welche seyder meiner unglücklichen aderläß noch nicht
wider ersetzt ist, sehr hatt entpfinden machen; aber dieße nacht habe
ich, gott lob, woll geschlaffen undt befinde mich beßer dießen
morgen, fange also mein jahr beßer ahn, alß ich es gestern geentet
habe. Ich wolte warhafftig lieber selber enden, alß wen ich wieder
außstehen solt[e], was ich in meinem 69 jahr außgestanden hab mitt
meines sohn[s] undt seines sohns kranckheitten undt meiner eygene
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unpaßlichkeitten, so mich woll unerhört geplagt haben undt daß
leben unerhört verlaydt haben. Aber last unß von waß anderst
reden undt auff Ewer liebes schreiben kommen! Es erfreüet mich
von hertzen, daß die perlen-mutter-tabletten Eüch gefallen haben,
liebe Louise! Man muß die gutte gewohnheit von den kirben nicht
verliehren; es ist eine schlecht[e] sache undt weist Eüch doch die
hießige arbeytten, so etlich mahl rar in Teütschlandt sein, wiewoll
gar gemein hir. Dem seye aber, wie ihm wolle, so hatt es Eüch
gefallen; daß ist alles, waß ich darvon begehrt undt gewünscht habe,
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liebe Louise! Ihr habt woll gethan, keine difficultetten gemacht
zu haben, dieße kirbe ahngenohmen
[3], sonsten würdet Ihr mich recht
offencirt undt böß gemacht [haben]; den waß man in amitié undt
auß gutten hertzen gibt, soll allezeit woll ahngenohmen werden.
Wen man einmahl weiß, wie sich die tabletten auff machen, ist
nichts leichters. Die tabletten, so Ihr im sack tragt, weillen sie
gar leicht sein, mogten woll gemächlicher sein, alß die von
perlenmutter. Wie Ihr mir Ewer sack-tabletten beschreibt, finde ich sie
artlich. Ich kan mich dießmahl gar nicht rühmen, daß die
remeden de precaution mir woll bekommen sein, den ich bin noch gantz
schwach undt ellendt davon. Mich deücht mir, daß, ahn statt daß
sich meine krafften vermehren solten, nehmen sie taglich ab. Waß
endtlich auß dießem allem wehren
[4] wirdt, werden wir sehen; mögte
woll vor die lange weill recht kranck werden. Wie es gottes will
ist, ich bin zu allem bereydt. Freylich were es beßer geweßen,
wen man mich die verfluchte frantzosche moden nicht hette folgen
laßen mitt den remeden de precaution, so mir nie woll bekomen
sein. Ewer gebett, liebe Louise, halte ich vor gar gutt, undt nutzt
es mir nicht jetzt zu meiner [gesundheit], so wirdt es mir doch
sonst nutzen undt für ander unglück bewahren. Waß mich glauben
macht, daß man sich in jener welt nicht kenen wirdt, ist, liebe
Louisse, daß ich persuadirt [bin], daß man ahn nichts mehr von
dießer welt gedencken undt nur occupirt sein [wird], gott zu
dancken, glücklich geworden zu sein. Man wirdt auch sehr verendert
sein. Kaum kent man sich in dießer welt kenen
[5], wen[n] man
etliche zeit geweßen, [ohne] einander zu sehen, wie solte man sich
den in jener welt kenen? Zu dem so were es auch gewiß, daß
man nie recht glückseelig sein könte; den es mogte geschehen, daß
personnen, so man liebt, vielleicht nicht seelig werden. Welch ein
hertzenleydt würde man nicht entpfinden, wen man sich kenen
solte! Ich kans also nicht glauben
[6]. Umb die rechte warheit zu
sagen, so war mir recht bang vor der printzessin von Wallis zwey
fraw dochter; aber alles ist, gott seye danck, gar woll abgangen.
Hette ich noch kleine kinder, könte ich mich nicht dazu resolviren,
ich muß gestehen. Das sohngen von mylord Sunderlandt
[7] ist nicht
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davon gestorben, den die printzes hatt ihn offenen laßen; er ist
von einem polibe
[8] im hertzen gestorben, wie sein vatter. Von der
ohnmacht ist mein balbirer nicht kranck worden, aber die
kranckheit, so er in sich hatte, hatt ihn gantz ohnmachtig gemacht. Ich
erfrewe mich mitt Eüch, daß Ewer kleiner neuveu die
waßer-blatteren so woll überstanden. Auff dem fuß ader laßen thut bitter
wehe; ohne große noht thue ichs nicht gern; es ist doch nun die
große mode zu Paris. Wen ich mich sitzendt ader laße, so wirdt
mir nie über
[9], aber woll, wen ich im bett lag
[10]. Wir haben hir
eben so schon wetter, alß Ihr zu Franckfort, liebe Louise! Es ist
aber alles zu schlapies bey mir, umb auffgemundert zu werden.
Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwort, bleibt mir nur
noch überig, zu sagen, daß der gutt[e] graff von Leiningen, so zu
Paris gestorben, ein hübscher herr vor ein mansperson [war], aber
vor eine dame hatte er daß gesicht zu lang. Adieu! Ich
ambrassire Eüch von hertzen, liebe Louisse, undt hab ich
[11] eben so lieb in
mein 70 jahr, alß in 69.