Seitenbanner

Brief vom 4. Juni 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1333.


[406]
St Clou, donnerstag, den 4 Juni 1722 (N. 100).
Hertzallerliebe Louise, heütte werde ich Eüch so viel entreteniren, alß es mir immer möglich sein wirdt; den biß sambstag werde ich Eüch nur ein klein brieffgen schreiben können, weillen ich selbigen tag nach Paris werde von geraht[1] ins Port-Royal zur jungen printzes de Conti, so nun dort eingespert ist undt welcher ich versprochen, daß ich sie alle reißen, so ich nach Paris werde, besuchen werde. Von dar werde ich zum könig undt daß infantien, von dar ins Palais-Royal, wo ich eßen werde. Nach dem eßen werde ich zu unßern Carmelitten, wo ich meiner enckellin, der fraw abtißin von Chelle[s], rendevous geben [werde]. Von dar werde ich wider ins Palais-Royal, wo unßere hertzogin von Hannover zu mir kommen wirdt; die werde ich in unßer loge in die neüe ittalliensche commedie führen, so gar artig sein solle, wie man sagt. Über 8 tagen, wo mir gott daß leben undt gesundtheit verleydt, werde ich Eüch sagen, liebe Louise, wie ich es gefunden habe. Gleich nach der comedie werde ich wieder her. Es ist aber au[c]h einmahl zeit, daß ich auff Ewer letztes liebes schreiben komme von 19, no 37, auff welches ich noch nicht habe andtwortten können. Meine mattigkeit wehrt noch, wie auch mein widerwillen zum eßen. Gott weiß allein, wen es auffhören wirdt. Ich gehe doch immer meinen schlendrian fort undt laß den lieben gott walten, waß er auch mitt mir machen wirdt, ergebe mich gantz in seinen willen undt bin tranquil[l]e, so viel es moglich sein kan. Wie Ihr segt[2] durch waß ich hir sage, liebe Louise, so habe ich mich noch keiner gar volkommenen gesundtheit zu berühmen; gedult aber überwindt buttermilch, wie man in unßerer lieben Pfaltz sagt. [407] Meinen geburtstag kan ich mich eben nicht berühmen gar trefflich ahngefangen zu haben; weillen ich Eüch aber selbigen tag geschrieben, werde [ich] also weytter nichts davon sagen, Eüch nur sehr dancken vor alle Ewere gutte wünsche. Aber, liebe Louise, ursachen zu bekommen, höchst vergnügt zu sein, ist woll ein ohnmöglicher wunsch. Liebe Louise, wen man so alt ist, alß ich bin, undt so viel personnen verlohren, so man hertzlich geliebt, kan kein recht vergnügen mehr im hertzen platz finden undt man ist alß noch in continuirlichen sorgen vor den[3], so einem noch überblieben sein. Im überigen hatt man keine rechte lust mehr in nichts in der welt, alles ist einem verlaydt, undt wie die kräfften vergehen, so vergeht auch die lust zu alles. Ach nein, liebe, es ist mir nicht beßer auff meinen geburdtstag diß jahr gangen, alß daß verwichene. Die posten werden nie recht gehen; den wo sich interesse hir im landt findt, muß man nicht glauben, daß sich etwaß endern kan, den es ist ärger, alß nie, mitt bestelt. Ich flattire mich, liebe Louise, daß es Eüch ahngenehm ist, alle woche zwey von meinen schreiben zu entpfangen, drumb schreibe ich zwey mahl die woch. Complimenten seindt in der that meine sache gantz undt gar nicht, halte eben so wenig davon, alß mein armer brud[e]r s. that, wie Ihr Eüch noch woll erinern könt. Der gelehrte von Hall[e] gewindt gewiß eine staffel im himmel, ursach zu sein, daß der margraff von Durlach[4] sein scandalleus leben verlest undt seinen serail abgeschafft[5]. Er solte aber den verfluchten pfaff[e]n, so ihn ohne zweyffel durch interesse drin verlaydt, hart abgestrafft haben; abgesetzt zu haben, ist nicht genung. Man solte ihn zum exempel in eine ewige gefengnuß gesetzt haben, so würden andere mehr sorg haben, so bößen raht zu geben, wen sie sehen werden, daß mehr schaden, [als] gewin dabey ist. Ich muß nun meine gewohnliche pausse machen, dießen nachmittag werde ich dießen brieff außschreiben, ehe wir in kirch werden; den es ist heütte ein großes fest, muß [408] also in die kirch. Ich hoffe doch, noch vor der vesper dießen brieff auß zu schreiben, den ich werde nach dem eßen gleich ahnfangen. Ich werde aber nicht sicher sein, das mich der schlaff nich[t] überfehlt, welcher sich schon gar starck bey mir ahnmehlt.
Donnerstag, den 4 Juni, umb 3 uhr nachmittag.
Ich habe ein schlaffgen gethan; so baldt ich mich hieher gesetzt nach dem eßen, bin ich entschlaffen, werde erst wider wacker. Ich glaube, daß die mattigkeit mich ein wenig einschlaffert. Da bringt man mir in dießem augenblick 2 von Ewern lieben schreiben, eines vom 23 May undt daß ander ist vom 28, no 38 undt no 39; daß letzte war just auff meinen gebuhrtstag geschrieben. Aber ich will erst den brieff auß beantwortten, so ich heütte morgen ahngefangen habe. Wir wahren ahn deß margraffen von Durlach seinen abgeschafften seraill geblieben. Gott gebe ihm die gnade, gescheyder zu werden! Es were auch gutt, wen sein doppelter schwager, der hertzog von Württenberg[6], auch sein exempel folgen wolte undt ein beßeres leben führen undt seiner tugendtsamen gemahlin kein so großen chagrin mehr zu geben, wie er bißher gethan. Daß der margraff von Durlach so woll mitt seiner gemahlin gelebt, hatt ihn glück gebracht undt gemacht, daß ihn unßer herrgott bekehrt. Sie, ich wlll sagen deß margraffen gemahlin, meritirt auch, woll gehalten zu sein, weillen sie so friedtsam mitt ihrem herrn gelebt hatt. Weillen ich auß Ewer letzte schreiben gesehen, daß die fürstin von Ussingen wieder zu Franckforth ist, sage ich nichts mehr von ihrer reiße. Zwilling bleiben selten leben, buben insonderheit leben selten im 7ten mont. Gutte ehen ist bey itzigen zeitten etwaß gar rares, müßen christliche undt ehrliche leütte sein die gräffin von Solms undt ihr herr. Ey, liebe Louise, Ihr habt mir nur zu viel gedanckt vor die kirbe von St Clou; daß ist ja nur meine alte versprechung, daß ich Eüch alle jahr kirbe schicken wolle. Daß ist [das] artlichste, so ich in Franckreich finde, daß artige arbeytten drin, doch findt man bey weittem [409] nicht mehr so artliche sagen[7], wie vor dießem. Seyder dem daß golt so hoch gestiegen, machen die goltschmidt wenig arbeytten. Aber es freüet mich recht von hertzen, daß Eüch die bagatellen ahngenehm sein. Sich zu amussiren mitt unschuldige sachen, so einem von jemandts kommen, so einem lieb hatt, daß kan weder gegen gott, noch der welt sein. Ihr müst mich woll arm glauben, liebe Louise, wen Ihr meint, daß solche bagattellen mich ungelegenheit machen können. Seydt in keinen sorgen! Alles ist bezahlt, ich bin keinen heller schuldig, könt Eüch also sicher mitt freüen. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet. Meine intention war, noch auff eines von den zweyen zu andtwortten, so ich dießen nachmittag entpfangen, aber es ist zu spät; den nach der kirch bin ich spatziren gefahren, umb ein wenig frische lufft zu schöpffen; daß hatt mich zu weit geführt. Ich habe noch einen brieff zu schreiben, ehe ich eße undt schlaffen gehe. Adieu, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt werde Eüch allezeit recht lieb behalten.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 4. Juni 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 406–409
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1333.html
Änderungsstand:
Tintenfass