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Brief vom 13. Juni 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1335.


[414]
St Clou den 13 Juni 1722 (N. 3).
Hertzallerliebe Louise, heütte hoffe ich auffs wenigst auff Ewer liebes [schreiben] vom 30 May, no 40, zu andtwortten. Ich habe noch eines vom no 38, daß werde ich aber ohnmoglich heütte beantworten können; den es kommen mir heütte morgen gäste, unßer abtißin von Chelle[s], so noch im Val-de-Grace ist, undt ihre gutte freündin, mademoiselle de la Rochesurion[1], deß prince de Conti schwester. Die ist gar nicht wie ihr herr bruder, sondern sehr sittsam undt raisonable; ihr herr bruder undt sie seindt so brouillirt, daß sie, wie woll in einem hauß, doch kein wordt mitt einander reden. Dießer printz ist, die wahrheit zu bekenen, ein wunderlicher heylliger, wie man alß in der Pfaltz sagt. Unßere gaste seindt ahnkommen, laßen mir alleweill sagen, daß sie bey madame de Maré[2] drunten ahm thor sein undt herauff kommen werden, wen ich will. Ich muß es also machen, wie Lenor alß sagt, dumelt dich, mein Fräntzel, dumelt dich! muß ich eyllen[3]. Waß mir hatt zeit verliehren machen, ist, daß ich zwey stundt spatter auffgestanden bin, alß ordinarie, weillen ich gestern spätter nach bett bin, alß ich gethan, seytter ich hir bin; habe viel interuptionen bekommen undt doch 21 seytt[e]n ahn die printz[essin] von Wallis undt 4 ahn mein dochter geschriben. Heütte war es auch mein Bibel-tag, daß hatt mich noch ahn schreiben verhindert; ich muß mir auch heütte morgen die haar schneyden laß[en]; dießes alles zusammen, liebe Louise, obligirt mich, jetzunder meine pausse zu machen.
Sambstag, den 13 Juni, umb halb 3 nachmittags.
Es ist eine gutte stundt, daß wir von taffel sein. Umb meine digestion zu verichten, habe ich meine neügebohrne Canarie-vögel eßen sehen. Ich habe bey 30 neügeborne von 6 alte paren, so ich habe, alß eines schönner, alß daß ander. Aber da sagt man mir, daß meine kutschen kommen sein, aber ich muß doch noch dießes blatt voll schreiben. Meine krafften seindt mir noch nicht [415] wider kommen; ich kan keine cammers-lang gehen, ohne zu schnauffen, alß wen ich einen haßen erlauffen hette.
Sambstag umb 8 abendts.
Ich bin umb halb 7 wider von Madrit kommen, allein es ist mir eine große noht ahnkommen, herna[c]h [h]abe ich 3 brieff geleßen, so mir kommen sein, eine[n] von Reg[g]io von unßer printzes von Modene, einen gar großen von meiner dochter, einen kleinen von der printzes von Wallis undt einen von der konigin von Sardaignen. Daß hatt mich bißher auffgehalten, hoffe, doch noch dießen brieff außzuschreiben. Ich weiß nicht, wen mein apetit wider kommen wirdt, aber bißher kan ichs mich noch gar nicht berühmen. Einen tag undt eine nacht bin ich beßer, alß die ander; heütte habe ich meinen boße nacht undt boßen tag gehabt, morgen wirdt es der gutte sein. Ich habe gar kein fieber dabey, nur schwachheit mitt mattigkeit. Man muß gedult haben undt sehen, waß gott mitt mir machen will. Waß solle ich nehmen, liebe Louise? Auß[er] gedult ist gar nichts hir zu nehmen. Vor dießem hatt man mir etwaß geben, so mir woll bekommen, diß mahl aber ist es nicht ahngangen. Es geht mir, wie mutter Anequen, daß liebe alter thut diß alles[4]. Waß will man thun? Golt-pulver habe ich, aber confection von hjacinten konte ich ohnmoglich schlucken. In meinen kinder-blattern hatt man mirs geben, ich were aber schir davon gestorben, es gab mir ein so abscheülich erbrechen, daß ich meinte, davon zu bärsten. Wie ist es moglich, daß Ihr, liebe Louise, daß abscheüliche zeüg schlucken könt? Es ist mir ein recht hemetique[5], macht mich über sich undt unter sich gehen mitt solcher gewalt, alß wen einem die seel auß dem leib treiben solte. Ich habe woll resolvirt, es mein leben nicht mehr zu nehmen, ist arger, alß eine kranckheit. Ma tante s. hatt mir zwey goltene schachteln mitt golt-pulver geschickt, aber ich habe es aber nicht probirt; den die warheit zu gestehen, so brauch ich nicht gern waß, waß es auch sein mag, habe lieber gedult. Ach nein, liebe Louise, ich lache Eüch gar nicht auß vor Ewere vorsorg, ich bin Eüch vielmehr recht davor verobligirt. Ich bin fro, daß mein patgen die kinder-blattern nicht bekomen hatt, wie Ihr [416] gefürcht, liebe Louise! Ich bin recht in sorgen vor unßere liebe printzes von Wallis, sie hatt einen abscheülichen husten, so ihr weder tag, noch nacht ruhe gibt. Aber es ist kein wunder, sie hatt bey mademoiselle de Malause umb mitternacht zu nacht geßen, biß umb 3 morgendts im gartten spatzirt, nachdem sie von den starcken englischen träncken getruncken; daß muste woll krank machen. Die conspiration ist nur gar zu war, der konig in Englandt solle unerhort in Englandt gehast sein. Die englische nation ist warlich eine boße nation[6] undt, [unter] unß gerett, diß jahr wirdt der könig nicht nach hauß. Es ist mir recht leydt umb den gutten, ehrlichen Jochem Henerich Bullau[7]; ich bin versichert, daß er ein rechter ehrlicher man ist, kene ihn gar lang. Unßere junge printzes de Conti ist au Port-Royal seyder 14 tagen, doch immer lustig undt possirlich. Ich fürchte[8], monsieur le Fevre solle beßer geworden sein. Adieu, liebe Louise! Ich bin zu schwach, mehr heütte zu sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 13. Juni 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 414–416
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1335.html
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