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Brief vom 18. Juni 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1336.


[416]
St Clou den donnerstag, 18 Juni 1722 (N. 4).
Hertzallerliebe Louise, gestern, alß ich umb 8 von Anniere[1] kam, wo ich meine 2 baßen, madame la princesse undt unßere hertzogin von Hannover, eine vissitte geben, bin ich mitt Ewer liebes schreiben vom 9 Julli, no 43, erfrewet worden, worinen ich den brieff vor madame de Dangeau gefunden. Daß heüßgen von unßer hertzogin [zu] Anniere ist recht artig[2], ein schönner gartten mitt brunen, große alléen. Aber ich habe nicht spatzirt, den ich kan gar nicht mehr gehen. Heütte bin ich zu Versaille[s] geweßen undt mitt dem konig in die kirch, hernach zu der infantin. Wen ich aber die rechte warheit gestehen solle, so habe ich erschrecklich schlucken müßen, umb mich deß weinen zu enthalten, wie ich mich in deß königs s. [zimmer] gefunden, wo ich I. M. daß letzte mahl [417] gesprochen [und wo] sie mir so viel freündtschafft erwießen haben[3]. Daß hatt mich recht trawerig gemacht, habe kein bißen eßen konnen, wie ich wider kommen bin. Daß hatt mir daß miltz so gerührt, daß ich eine abscheüliche menge galle von mir geben habe. Daß macht, daß man mich drewet[4], [mich] die künfftige woche von dem grünen safft zu schlucken machen. Ich glaube, daß, wen es mich noch die kräfften benimbt, so mir noch überig sein, werde ich daß bett halten. Die zeit wirdt lehren, waß drauß werden wirdt; in allem fall werde ichs Eüch berichten, liebe Louise! Gleich nach dem eßen habe ich wieder ein liebes schreiben von Eüch entpfangen vom 9 Juni sambt den artlichen tablettgen, liebe Louisse, so ich gar gewiß gar fleißig in meinem sack tr[a]gen werde; dancke Eüch gar sehr davor, finde es artlich. Ich werde aber heütte nicht viel schreiben konnen, den ich bin bitter schwach undt matt. Ich weiß nicht, waß entlich auß mir werden wirdt, aber meine kräfften kommen mir nicht wider undt ich zweyffle gar sehr, daß der grüne safft, mitt welchen man mich die ander woche regalliren wirdt, mir starcke zu wegen bringen wirdt. Mein vetter, printz Carl von Philipsthal, hatt mir geschrieben, meine andtwortt nach Hollandt zu adressiren, welches ich auch gethan. Ihr habt gar woll gethan, liebe Louise, ihm kein gelt zu lehnen; damitt macht man sich nur unfreündt undt incomodirt sich selbsten, sein leben nimbts kein gutt endt[5]. Es ist heßlich ahn meinen vettern, den regirenden landtgraffen, seinen leiblichen neveu nicht zu geben, waß er ihm schuldig ist. Der geitz ist gar ein heßlich laster, insonderheit ahn große herren. Ich halte die maxime gar gutt, niemandt seine affairen zu offenbahren. Reißen kost viel. Ich sehe, daß Churpfaltz Eüch nach dem frantzoßchen sprichwordt bezahlen[6]: D’une mauvaise page il faut tirer ce que l’on peut. Ewere sum ist doch nicht so starck, daß Churpfaltz bedinten es Eüch woll ohn incommoditet geb[e]n konten. Aber wie Ihr gar woll gedenckt, so ist es noch beßer wenig haben, alß gar nichts. Ahn Heydelberg kan ich nicht ohne [418] schmertzen [denken], ist [mir] aber doch nicht leydt, daß Friderichsburg wider auffgericht wirdt, den ich habe es allezeit hertzlich geliebt. Ich muß mich eyllen, umb schlaffen zu gehen, den ich bin gar zu matt undt trawerig, umb lang zu schreib[en]. Man macht hir gantz kein ambaras, wen frembte fürsten kommen; man saluirt sie undt damitt gethan. Man macht hir nicht mehr façon mitt einen fürsten, alß ein edelman. Ich glaub, daß ich nicht weniger runtzellen habe, alß Ihr, frag aber kein haar darnach. Daß thut daß liebe alter, wie Pickelharing alß sagt[7]. Aber es ist mir leydt, daß Ihr wieder augenwehe habt, liebe Louise! Hir haben wir offt wetter, aber gar nicht starck. Ich fürchte den donner eben so wenig, alß Ihr. Es ist ein rechter dinst, wen man jungen leütten daß bang-sein abgewendt[8]. Hiemitt ist Ewer letztes schreiben vollig beantwort, liebe Louise, bleib[t] mir nichts mehr überig zu sagen, alß daß ich, in welchen standt ich auch sein mag, biß ahn mein endt Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. Juni 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 416–418
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1336.html
Änderungsstand:
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