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Brief vom 20. Juni 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1337.


[418]

A madame Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

St Clou den 20 Juni 1722 (N. 5).
Hertzallerliebe Louise, vergangen donnerstag, alß ich von Versaille[s] kam, habe ich auff Ewer liebes schreiben von 9, no 43, geantwort, welches daß frischte war, so ich von Eüch entpfangen hatte. Nun komme auff daß vom 6 dießes monts, no 42. Es ist eine rechte mutwill von denen von der post, wen die brieffe unrecht gehen, den sie könten gar woll überkommen. Ich kan mich deß woll-sein noch nicht berühmen, meine starcke will noch nicht wieder kommen undt die grüne galle plagt mich so starck, daß mein docktor, monsieur Teray, resolvirt, mich morgen oder übermorgen wider zu purgiren. Ich glaube nicht, daß mir dießes die verlohrne kräfften wider bringen wirdt, waß sie auch davon prallen[1] mögen. Ob ich zwar gedencken kan, daß ich krancker kan werden, daß [419] plagt mich gantz undt gar nicht, liebe Louise! Ich versichere Eüch, daß ich zu allem bereydt bin, waß gott der allmachtige mitt mir vor haben mag, undt werde nicht muren, es seye zum leben, zum todt oder zum kranck-werden; es mag alles gehen, wie es sein vatterlicher wille ist, bekümer mich, noch sorge gar nicht drumb. Ew[e]r schreibtaffelgen, wo ich schon vergangen donerstag gedanckt, findt[2] alle menschen artig hir wegen daß so gar leichte holtz. Ich dancke nochmahlen davor undt versichere, daß ichs all mein leben in meinem sack tragen werde undt gebrauchen, liebe Louise! Ich beklage Eüch sehr, liebe Louise, mitt proces-sachen geplagt zu sein, nichts deücht mir langweilliger in der welt sein. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vom 6 vollig beantwortet. Dießen nachmittag werde ich noch eins beantwortten, nun aber eine pausse machen.
Sambstag, den 20 Juni, umb 3/4 auff 2 nachmittags.
Da komme ich zwar von taffel, aber der schlaff übernimbt mich so sehr, daß ich unmöglich schreiben werde konnen; den ich habe dieße nacht gar bitter übel geschlaffen, bin noch nicht woll. Man sagt aber, es wirdt baldt beßer werden; wie gott will. Nun muß ich schlaffen, ich kan den kopff nicht mehr aufrecht halten.
Sambstag, den 20 Juni, umb 8 abendts.
Ich bin umb 6 von Madrit kommen, hatte gehofft, Eüch noch ein par stündtger zu entreteniren; aber wie daß sprichwordt sagt, l’homme propose et dieu dispose. Madame la princesse ist mitt mademoiselle de Clermont her kommen undt es ist noch keine vi[e]rtelstundt, daß sie wieder weg sein. Also wirdt mein brieff heütte nicht so lang werden, alß ich gehofft; den ich muß mich eyllen, weillen ich heütte früh nach bett muß, den morgen will man mir den verteüffelten grünen safft schlucken machen. Biß donnerstag will ich Eüch sagen, wie es mir bekommen. Man versichert mich, daß es mich starcken solle, aber ich bin persuadirt, daß es mich viel schwacher machen wirdt; wir werden sehen, waß drauß werden wirdt. In welchem standt ich haber[3] auch sein mag, so werde ich Eüch von hertzen lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. Juni 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 418–419
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1337.html
Änderungsstand:
Tintenfass