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Brief vom 13. August 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1352.


[447]

A madame Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.

St Clou den donnerstag, 13 Aug[usti] 1722 (N. 19).
Hertzallerliebste Louise, ich habe heütte nach Versaille[s] gewohlt, der infantin undt meinem sohn mein compliment zu machen über den heüraht, so geschloßen worden zwischen der infantin leiblicher herr bruder, der infant don Carlos, undt meine enckellin, mademoiselle de Beaujolois. Man hofft, daß die suc[c]ession von Florentz ihnen zukommen wirdt[1]. Es ist gewiß woll ein junges par, der breüttigam ist 6 jahr alt undt daß breüdtgen 7, also ein jahr undt 2 tag älter, alß ihr zukünfftiger herr. Daß kompt mir wie ein pur kinder-spiel vor; daß endt davon werde ich woll nicht erleben, bin also gar nicht davor in sorgen undt laß den lieben gott walten. Da entpfang ich zwey von Ew[e]rn lieben schreiben auff einmahl, eines ist vom 1 dießes monts undt daß zweytte ist vom 6, no 55 undt no 56. Aber heütte werde ich ohnmöglich drauff andtworten können, den alle augenblick kommen mir leütte, umb mir complimenten zu machen über den heüraht, wovon ich alleweill gesprochen. Über daß so bin [ich] kranck wie ein armer hundt, den über alle meine schwachheit ist mir noch ein starcker husten undt schnupen ahnkommen, der mich dieße nacht nicht hatt schlaffen laßen, habe also nicht nach Versaillen gekönt, mein sohn aber ist zu mir kommen. Wie woll habt Ihr gethan, liebe Louise, mir die histori vom geist vom heyligen berg[2] zu verzehlen. Daß hatt mich recht [448] auffgemuntert, den nichts divertirt mich mehr, alß solche historien. Ich bitte Eüch, liebe Louise, wen Ihr waß weitter davon hört, so bericht michs! In meiner schwachheit habe ich woll waß von nöhten, so mich amussirt. Ich werde den Grevenbrock kein wordt davon sagen. Were ich jetzt in meiner camer zu Heydelberg, so konte ich die beschwerungen[3] hören. Man wirdt endtlich finden, daß der gutte pfaff ein betriger ist, der sich wirdt gelt geben laßen undt damitt durch gehen. Graff Degenfelt undt seine gemahlin haben in meinem sin groß unrecht, Eüch ihr dochtergen wider zu nehmen, den es ist doch ein amussement vor Eüch. Ich bin so ellendt heütte undt so sch[w]ach, daß ich ka[u]m meine feder halten kan; will Eüch doch noch entreteniren. Kinder lieben allezeit die, so die gedult haben, mitt ihnen zu spillen. Wie kompts, liebe Louise, daß die gräffin von Degenfelt nicht mitt ihr artlich döchtergen spilt? Es ist mir leydt, daß Ihr so allein seydt; daß erweckt alle trawerige gedancken undt rührt daß miltz. Ich beklage alle die, so ihre kinder verliehren, den es ist ein großer schmertz. Die rottlen[4] folgen ordinari dem geblüdt nach, man hatt viel exempel davon. Were ich wie der fürst von Si[e]gen, wolte ich nicht thun, alß wen ich meine gemahlin kente, es würde sie mehr ambarassiren. Paris hatt dieße fürstin gantz verdorben, sie war nicht so doll, wie sie her kam, aber woll, wie sie weg. Wen die desbeauche einmahl in die gewohnheit kompt, seindt wenig, so sich davon corigiren. Ich muß Eüch doch noch sagen, der alte marechal de Villeroy hatt vor etlichen tagen ein fantesie im kopff, hatt meinem sohn nicht erlauben wollen, mitt dem könig in particulir zu reden, welches meinen sohn den kopff so warm gemacht, daß er ihn hatt arestiren laßen undt nach Villeroy führen. Der duc de Charo[5] ist deß königs hoffmeister ahn deß marechals statt[6]. Es ist mir ohnmöglich, [449] mehr zu schreiben, den es ist mir nicht woll, muß nach bett, nachdem ich Eüch werde versichert haben, daß ich Eüch allzeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 13. August 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 447–449
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1352.html
Änderungsstand:
Tintenfass