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Brief vom 15. August 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1353.


[450]
St Clou den 15 Aug[usti] 1722 ein viertel auff 9 abendts (N. 20).
Hertzallerliebe Louise, ich bin heütte geplagt wie eine verdampte seel; erstlich so bin in gar langen devotionen geweßen, hernach bin ich accablirt von vissitten geworden, so woll damen alß mansleytte, die venitianische abgesanten, viel envoyes undt gar viel leütte von hoff, duc[s], marechaux de France undt generals, viel duchessen undt damen. Daß hatt mich so erschrecklich fattiguirt, daß ich gestern nicht habe außschreyben können. Heütte, da es den 16 Augusti ist, will ich versuchen, ob ich Eüch ein wenig beßer, alß gestern, werde schreiben können. Heütte morgen umb 9, liebe Louise, bin ich in der capel zum h. abendtmahl gangen, umb 10 bin ich wider in mein cammer, wo man hatt mich aber seyder dem so unerhort geplagt, daß ich kein wordt habe schreiben konnen. Gleich nach dem eßen bin ich in kirch, wo unßere … welches biß halb 5 gewehrt. Hernach ist mein sohn kommen, hernach unerhört viel leütte, der konte[1] de Toulouse, der non[c]e, de[r] ambassadeur von Sardaignien, der duc d’Antin, der marechal de Tallar[d], der prince Charle[2], der prince de Pont[3] undt noch viel andere mehr; von damen habe ich gehabt die princesse de Pont[4], mademoiselle d’Armagnac, die duchesse de la Ferté, madame de Monbasson[5], madame de Maill[e]bois. Waß weiß ich, wer noch mehr? Meine camer war so voll, daß man sich nicht wenden konte. Ich muste mitt allen reden, daß schickt sich nicht sonderlich zu meiner schwachheit. Zuletzt gegen halb 8 ist der könig selber mitt seinem gantzen jungen hoff kommen, ich habe ihn entgegen gehen müßen biß ahn die stieg undt wieder hin. Ich bin nun wie ein armer hundt. Ich muß doch noch ein par wordt auff Ewer liebes schreiben von 6, no 56, andt[worten]. Meiner gesundtheit kan ich mich noch nicht berühmen, bin schwacher, alß nie, undt kan nicht eßen. Monsieur Teray hatt mich heütte ein elexir[6] nehmen [machen], so nicht schlim zu nehmen ist, schmeckt wie ein rotolis[7], [451] mein[8] heist es du garus[9], weillen ein docktor, so so heist, es erdacht hatt. Ich kene ihn gar woll, ist gar ein gutter man. Ich bin sehr in seinen gnaden, habe ihn in madame de Berry kranckheit kenen lernen, kompt etlich mahl zu mir. Er hatt über die maßen schönne curen mitt seinen elexir gethan; der marechal de Villar[s] lag auff den thut[10], Garüs hatt ihn gantz courirt. Wir werden sehen, waß es bey mir außrichten wirdt. Alle posten gehen übel; vor 8 tagen hatt die brieff, so von Savoyen den sambstag hetten kommen sollen, seindt erst den donerstag kommen von der andern woche. Man setzt mich nicht oft in den zeittungen undt ich wünsche es auch nicht, finde, daß, je weniger man von einem ist[11], je beßer es ist. Ich bins nicht, so die schönne pupe ahn unßer artige infantin geben, sondern madame la duchesse d’Orleans. Dießer nahm hatt Eüch betrogen, ich sehe woll, waß Eüch betrogen hatt; Ihr meindt, wen man duchesse d’Orleans sagt, so bin ichs. Aber nein, duchesse d’Orleans ist meines sohns gemahlin, hir heist man mich nicht anderst, alß Madame, bey hoff undt zu Paris. Die historie von dem geist vom h. berg hatt mich recht divertirt; wer ich in meiner camer zu Heydelberg, würdt ich vielleicht daß affgen in dem h. berg spatziren sehen. Es konte aber gar woll sein, daß eine[12] schatz ihm h. berg vergraben sein; den weillen es der alten Teütschen große devotion war, konten woll viel offranten[13] unter der erden im heylichen berg stecken[14], die der pfaff woll ertapen mag undt sichs nicht berühmen. Ich muß noch ahn mein dochter schreiben, kan also vor dießmahl nichts mehr sagen, hertzliebe Louise, [als] daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb undt allezeit lieb behalten werden.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. August 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 450–451
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1353.html
Änderungsstand:
Tintenfass