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Brief vom 20. August 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1354.


[451]
St Clou den 20 Augusti 1722 (N. 20).
Hertzallerliebe Louise, ich hatte gehofft, heütte morgen auff [452] Ewer liebes schreiben vom 1 dießes monts, no 55, zu andtwortten können. Allein, hertzliebe Louise, es ist mir ohnmöglich geweßen, den ich habe nach Versaillen gemüst, den der könig hatt mich vergangen sontag abendts besucht, habe also heü[te] müßen meine dancksagung davor ablegen. Ich bin auch zu unßerm artigen infantgen; dern habe ich ein gartgen von email gebracht, wo vier Cupidons den ring nach einem gekrönten hertzen renen, so ein ander Amour in der lufft helt; unten ist der könig in email undt sie selber undt ein Amour bringt ein korb mitt blumen. Mein pressent hatt über die maßen woll reussirt, daß artige kindtgen hatte eine solche freüde gehabt, daß es mich recht erfrewet hatt. Von dar bin ich zum könig undt mitt I. M. in die capel, von dar bin ich gleich wider in die kutsch undt hieher, wo ich mein neü remedie genohmen, undt eine halbe stundt hernach zur taffel. Daß neüe remede, so mir monsieur Teray verordnet, ist ein elexir, so ein docktor macht, so ich woll kenne undt gar ein ehrlicher, gutter man ist undt monsieur Garus heist. Man heist sein elexir nach seinem nahmen Garus. Er thut miracle mitt. Ich haben den marechal de Villars wie einen todten menschen gesehen, er ist von meinem alter; er hatt nichts anderst gebraucht, alß dießen elexir, undt ist nicht allein wider gantz woll, sondern auch wider fetter undt stärcker, alß er vor 20 jahren geweßen, also kan ich noch hoffen, auch wieder zu geneßen. Die zeit wirdt lehren, waß drauß werde[n] wirdt, ich bin in allem fall gantz getrost undt ohne sorgen. Aber waß mich recht in sorgen setzt, ist mein docktor, monsieur Teray, so gar kranck ist. Er ist gewiß der beste docktor von gantz Franckreich, aber er will nicht begreiffen, daß ein pfaltzischer magen kein französischer ist undt sich mitt dem villen purgiren nicht behelffen kan. Sie hetten mich warlich schir umbs leben gebracht. Ich bin nicht gar sonderlich woll, werde taglich magerer. Man hatt vergangenen sontag gemeint, daß ich die gelbsucht bekommen würde. Aber heütte bin ich wieder beßer undt nicht mehr so gelb, aber noch eben so schwach, voller krampff undt kan nicht eßen wie in meinem letzten grünen safft, hatt mich woll greülich übel zugericht. Ich würde Eüch, liebe Louise, dießen so bludts-langweilligen discours nicht gehalten haben, wen Ihr es nicht begehrt hettet in Eüer liebes schreiben von 8 dießes monts, no 57, worauff ich dießen abendt allem andtwortten werde. Ich weiß nicht, [453] waß vor eine rasserey man auff der post hatt, alle brieffe zwey undt zwey auff einmahl zu gehen. Alle der printzes von Wallis schreiben bekomme ich 2 undt zwey auff einmahl. Freyllich, liebe Louise, werde ich offt ungedultig, wen ich von meiner kranckheit reden muß, thue es so wenig, alß mir möglich ist. Hett ich die überige medecinen genohmen, so man mir hatte geben geben[1], so wehret Ihr jetzt in trawer undt [ich] gewiß zu St Denis, welches eben kein sonderlich unglück vor mich wehre. Doch ergebe ich mich gantz in den willen gottes, mitt mir zu machen, waß sein heylicher will ist; mögte der sach nur ein mahl quit sein, es mogt auch zu endt gehen, wie es wolt. Es ist niemandts in der welt, so nicht waß zu klagen hatt. Man muß die welt nehmen, wie sie ist, man kan sie nicht endern, gott hatt alles reglirt, wie es sein soll. Woll[2] undt junge leütte in der welt seindt, umb zu leben, alte aber, umb zu sterben. Galle werde ich all mein leben verspüren, den alles wirdt zu gall bey mir; je mehr man sie mitt den medecin[en] rührt, je arger es wirdt. Den wermuht-wein habe ich quittirt, alß ich gesehen, daß er mir keinen apetit bringt. Die armen Heydelberg[er] jamern mich woll von grundt meiner seel; aber waß ich Churpfaltz auch davon schreiben solte, würde nichts helffen. Den weillen er nicht will, daß ich es wißen soll, undt mir daß contrarie durch seinen secretarius [sagen läßt], kontet Ihr woll gedencken, wie boß er werden solte, wen er durch mein[e]n brieff nicht alle[i]n erfahren solte, daß ich die warheit weiß, sondern auch, daß er mir eine falsche zeittung entbotten hatt. Daß würde arger auff die arme leütte fallen, er würde meinen, daß sie mir ihr ellendt geklagt hetten. Der churfürst solle sich alle tag voll drincken undt ein wenig pfaffen-geschmeiß drunter, damitt muß woll alles übel geben. Die verwitibte churfürstin nimbt einen schlimen weg, sich in der Pfaltz beliebt zu machen; konte ich hin, würde ich ihre sach beßer sein[3]. Aber daß ist ohnmöglich, ich mogte es auch nicht wünsche[n], ich müste vor puren schmertzen undt threnen vergehen, nicht mehr dort zu finden, waß ich so hertzlich geliebt habe. Ich will monsieur von Grevenbruck bitten, mir ein model von Manheimer schloß zu weißen, kan mir nicht einbilden, wo es ist. Ich bin zu matt, umb heütte mehr zu sagen, liebe Louise, alß daß ich Eüch, [454] in welchem standt ich auch sein mag, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte biß ahn mein endt.
P. S.
Es müßen von meinen brieffen verlohr[e]n gangen sein, den ich hatte Eüch die gantze beschreibung gethan von deß herr Benterritters[4] kutscher Ewer[5]; ich habe sie gesehen, ich will Eüch ein buch davon schicken.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. August 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 451–454
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1354.html
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