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Brief vom 22. August 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1355.


[454]
St Clou den sambstag, 22 Aug[usti], abendts umb 9 uhr (N. 22).
Hertzallerliebe Louise, ich bin woll eine geplagte sehl. Seyder unßere mademoiselle de Beaujolois d[i]e braut von dem infant don Carlos ist, habe ich weder rast, noch ruhe. Heütte hatte ich gehofft, nachdem ich ahn die königin in Preüssen mein compliment gemacht habe über ihr glückliche niederkunfft mitt einem printzen, [Euch schreiben zu können]. Aber dießer brieff ist nicht so baldt fertig geweßen, so bin ich accablirt worden. Gleich nach dem eßen ist die statt von Paris her kommen, haben mir die neüe eschevins[1] von Paris mitt einer haranguen pressentirt. Hernach bin ich nach Madrit, aber umb 6 wider hir ahnkomen, hoffte, biß 9 zu schreiben konnen. Allein ich habe[2] die kleine printzes de Conti mitt ihrer dochter, mademoiselle de la Rochesurion[3], herkomen undt biß umb 7 geblieben. Wie die weg wahren, habe ich etliche brieff geleßen, so ich hir gefunden, undt 1/4 auff 9 ist madame d’Orleans herkommen undt biß umb 9 geblieben. Ich habe Ewer liebes schreiben vom 11 dießes monts, no 57, dieß jahr[4] bekommen undt geleßen, hatt mich recht divertirt, den ich hore nichts liebers, alß von so geister-merger[5]. Der Dil[s]berg[6] ist ein rechter ort vor ge[i]ster, aber die historie von dem pfarer, so so schon über den Rhein fahren kan, ist eben so schwer zu glauben, alß deß jagers [455] geist von Dilsberg. Dem seye, wie ihm wolle, so hatte es mich recht divertirt, dancke Eüch von hertzen davor, liebe Louise! Ich glaube, daß die neüe mode, da Ihr von sprecht, bagnoletten[7] sein; ist woll die heßlichste sach von der [welt] undt stehet jung undt alten bludts-übel. Alles wirdt narisch hir. Aber weillen ich noch nicht woll bin, treibt man mich nach bett. Ich kan noch wenig eßen, habe noch sch[w]achheit undt kan gar nicht gehen. Daß mag alles ablauffen, wie es gottes wille ist. Wir haben hir landtgraff Ernst dochter von Rheinfels, daß[8] hatt einen frantzöschen edelman geheüraht undt will mich mitt aller gewalt sehen. Ich habe ihr aber durch Lenor sagen laßen, daß ich sie nicht saluiren konte, noch sitzen machen; sie hatt doch die rage, daß sie zu mir will. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen. Ist eine betrübte sache, die nicht zu sehen, so man gern sehen wolte, undt mitt andern wider willen accablirt zu werden. Ich werde aber, so lang ich lebe, liebe Louisse, Eüch von hertzen lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 22. August 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 454–455
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1355.html
Änderungsstand:
Tintenfass