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Brief vom 3. September 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1358.


[457]

A madame Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.

St Clou den 3 September 1722 (N. 23).
Hertzallerliebe Louise, heütte morgen habe ich Ewer liebes schreiben von Franckfort vom 25 Aug[usti], no 61, zu recht entpfangen, werde darauff andtwortten, wo mirs möglich ist. Ihr kont mein schreiben nicht anderst, alß üb[er] Franckforth entpfangen, liebe Louise, weillen Ihr mir von Heydelberg auß geschrieben hattet, meine brieffe allezeit dort hin zu adressiren, welches ich auch gethan. Aber ich habe kein eintzige post verfehlt, weiß also nicht, warumb Ihr, liebe Louise, nur eines von meinen schreiben bekommen habt. Ach, hettet Ihr mich vergangene woch gesehen, würde ich Eüch gewiß erschreckt haben, den ich war gelb wie wacks biß in daß weiß von den augen. Aber es hatt, gott lob, nicht lang gewehrt, bin so nach dem verfluchten körpel-safft [geworden]. Seyder ich aber keinen mehr nehme undt nichts mehr, alß den garus, bin ich wieder beßer. Ich habe zwar keinen großen apetit, aber ich eße doch ein wenig mehr, alß ich gethan. Aber ich habe noch starcke vapeurs undt kan nicht gehen, auch noch gar starcke krämpff, so mich offt von schlaff verhindern. Waß noch auß mir werden wirdt, weiß ich nicht, habe aber keine unruh, noch inquietude drüber undt, wie ich Eüch offt gesagt, liebe Louise, ich [458] habe mich dem willen gottes gantz ergeben, waß es dem allmächtigen b[e]liebt, mitt mir zu machen, es seye zur geneßung oder zum todt. Gestern war es völlig 4 mont, daß man mich in dießem ellenden standt gesetzt hatt, woll ohnnohtiger weiß. Ich war gantz woll undt man hatt mich kranck gemacht. Aber nichts geschicht ohne den willen gottes, also muß man woll gedult haben undt sich drin ergeben. Husten undt schnupen habe ich, gott lob, nicht mehr; matter, alß ich bin, kan man schwerlich sein. Ich schlender doch überall herumb, fuhr gestern nach Paris, aber gleich nach der brück brach mein kutsch, hetten schir ein starcken burtzelbaum gemacht, aber es ist doch woll abgangen; wir seindt in die kutzsch von den escuyer gestiegen, sie haben eine berline[1] hollen laßen undt wir seindt doch a bon port au Port-Royal ahnkommen[2]. Ich habe die printzes de Conti gesundt undt lustig gefunden, bin ich umb[3] ha[l]b 11 vom Port-Royal wieder au Palais-Royal, wo ich mitt meinen enckeln zu mittag geßen undt meine damen; bin hernach aux Carmelitte[4], von dar wider au Palais-Royal, wo ich mitt meinen enckel undt unßer hertzogin von Hannover in die commedie von Penelope[5] bin. Es ist ohnmoglich, daß man beßer spillen kan, alß die commedianten gestern gespilt haben, war recht touchirt. Der saahl war gantz voll; man sagt, sie hetten mirs zu ehren gethan, umb sich zu erfrewen, mich wider zu sehen, den ich bin sehr in gnaden bey den Parisser[n][6]. Es ist mir leydt, daß dieße lufft mir so schadt; den ich mogte den gutten, ehrlichen leütten gern daß vergnügen geben, mich offter zu sehen. Ich muß enden wider meinen willen, liebe Louise! den den[7] galle hatt mich heütte 6 spatzir-gang thun machen, so mich sehr abgematt. Adieu, liebe Louise! Es mach[8] mitt mir gehen, wie es will, so werde ich Eüch biß ahn mein endt von hertzen lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. September 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 457–458
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1358.html
Änderungsstand:
Tintenfass