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St Clou den 5 September 1722 (N. 23).
Hertzallerliebe Louise, vorgestern habe ich Ewer liebes schreiben vom 25 Aug[usti], no 61, [empfangen]. Aber Ihr habt Eüch, wie mich deücht, im dattum verschri[e]ben; den Ihr dattirt von F[rank]fort undt ich sehe doch, daß Ewer schreiben noch von Heydelberg ist, weillen Ihr, liebe Louise, gleich im ahnfang Ewers schreiben sagt:Vorgestern habe ich uber Franckfort E. K. H. allergnäd[ig]st vom 13 Aug., no 19, etc. entpfangen.Daß weist mir ja, daß Ihr noch zu Heydelberg müst sein, oder auffs wenigst geweßen sein, wie Ihr mir geschrieben. Ich will Eüch, liebe Louise, nichts mehr von meiner gesundtheyt sprechen, biß ich mich recht wieder beßer befinde; den daß betrübt Eüch, liebe Louise, wen ich Eüch sage, in welchem standt ich noch bin, aber doch gar ruhig undt getrost, erwartte mitt gedult, waß gott der allmächtige mitt mir vorhatt. Mein husten undt schnupen ist geschwindt vergangen, vom überigen will ich nichts sagen, alß wens zeit sein wirdt. Alte weiber, wie ich bin, müßen lang ihre schwachheit schlepen. Vor alle Ewer gutte wünsche dancke ich Eüch gar sehr, aber, liebe Louise, wie unßer liebe churfürstin s. alß pflegt zu sagen, unßer herrgott wirdt nichts neües vor mich machen. Ich muß den lauff der natur folgen. Ich dancke Eüch sehr vor alle gutte wünsche zu unßer mademoiselle de Beaujolois heüraht. Ihr infantgen ist ein jahr jünger, alß sie; also wen sie in Spanien kommen wirdt, wirdt ihr herr 7 undt sie 8 jahr alt sein, also mitt einander 15 jahr machen. Sie ist possirlich zu sehen, will nun die stämige agiren, ist wie ein groß mensch, macht mich lachen. Aber waß mich recht jamert, ist ihr jüngstes schwestergen; den die ist in eine rechte melancoley gefallen, seyder sie weiß, daß sie geschieden werden werden. Daß arme kindt ist in einer melancoley, daß ich fürchte, daß sie gantz kranck drüber werden wirdt. Ich habe mein leben keine kinder gesehen, so sich so hertzlich lieben wie dieße zwey. Es ist just, liebe Louise, waß mir fehlt, nehmblich die stärcke; den ich bin so matt, daß ich keinen fuß vor den andern stellen kan. Es ist nicht so sehr von schwachheit, alß vapeurs undt kra[m]pff, so mich gleich überfallen undt alle krafften benehmen. Aber es ist nun zeit, mich ahnzuziehen. [460]