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Brief vom 3. Oktober 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1367.


[470]
St Clou den sambstag, 3 October 1722 (N. 37).
Hertzallerliebe Louise, ich muß Eüch noch einmahl dancken vor alles, waß Ihr mir geschickt, den Ihr könt nicht glauben, wie [471] apropo[1] es mir gekommen ist. Den nun meine arme füß undt bein so geschwollen sein, daß ich gar wenig gehen kan undt allezeit sitzen muß, amussirt mich dießes, wen ich außgeschrieben haben; den von natur spreche ich eben nicht gar gern, amussire mich lieber stilschweygens. Es gereüet einen nie, geschwigen zu haben, aber offt, zu viel gerett zu haben, schweyge also lieber, alß daß ich rede, undt wen ich so waß habe, so mich amussiren kan, vertreibe ich mir die zeit recht woll; also segt Ihr ja woll, liebe Louise, daß ich ursach habe, Eüch nochmahlen zu dancken vor waß Ihr mir geschickt habt. Nun komme ich auff Ewer letztes liebes schreiben vom 19, no 68; bin fro, daß meine schreiben nun wieder richtig gehen undt Ihr, liebe Louise, segt, daß ich mein wordt halte undt keine post verseüme. Mein beßer-sein geht ab undt zu, habe noch alß einen gutten undt einen bößen tag, ich hoffe aber, daß die bewegung undt enderung von lufft mir beßerung verschaffen werden. Ich[2] die 12 tag, daß ich hin undt her werden, kan ich Eüch ohnmöglich schreiben; aber von Rheims solt Ihr gar gewiß ein brieff von mir bekomen, wo mir gott daß leben biß dahin verleydt. Der elexir von Garus ist gutt, aber er operirt sehr langsam. Were es nicht mitt mir, wie Pickelharing sagt, wen er mutter Anicken in der commedie von Pirus[3] undt Ariane ist, so würde ich gewiß geschwinder gesandt werden. Aber daß es so langsam her geht, daß thut daß liebe alter[4]; 70 jahr undt 5 mont seindt keine bagatellen. Aber waß verdrießlich in dießer sachen ist, ist, daß ich frisch undt gesundt war undt daß man mich, umb mich gesundt zu erhalten, schir umbs leben gebracht hatt. Ich hatte es woll vorgesehen, man hatt mir nicht glauben wollen.
Sambstag, den 3 October, umb halb 7 abendts.
Ich bin umb 6 von Madrit kommen in hoffnung, Eüch lang zu entreteniren können; aber ich bin ich nicht[5] so baldt in meine camer kommen, so habe ich madame la duchesse d’Orleans in den hoff fahren sehen, die fahrt in dießem augenblick wieder weg. Von meiner gesundtheit kan ich mich noch nicht sehr rühmen, die gall rast noch im[m]er fort, liebe Louise, ich hoffe aber, daß die verend[e]rung von lufft undt tagliche bewegung mir beßer bekommen wirdt. [472] Von Rheims hoffe ich Eüch zu berichten können, wie mir die reiß bekommen ist. Mein dochter wünscht unerhort, mich zu sehen undt mir ihre kinder zu weißen, ich fürcht[e] aber, daß sie erschrecken wirdt, wen sie mich in dem ellenden standt sehen wirdt, worinen ich bin, ohne gehen zu konnen, bin erschrecklich mager worden undt habe keinen ahtem mehr, kan auch nicht eßen. Ich bin nicht in sorgen, mitt artzeneyen geblagt [zu werden], den auß[e]r den elexir werde ich gewiß nichts einnehmen. In keines frembden docktors handen werde ich mich nicht lieffern; will mich gott couriren, wirdt ers durch meine docktoren thun. Aber so geschickt undt gelehrt der herr Bruner auch sein mag, so werde ich ihn doch die mühe nicht geben, her zu kommen; erstlich so bin ich nicht bang, waß auch auß meiner kranckheit werden mag. Den weg von[6] himel kan man zu Viller Cotteres[7], Rheims, auch gar auff dem weg finden, also mag ich nur in gottes nahmen meine reiß ahnfangen, mich den sontag woll dazu prepariren undt in der pfarkirch zu Paris zum h. abendtmahl gehen undt den andern tag verreißen. Ich glaube, ich habe Eüch schon geschrieben, liebe Louise, wie mirs ohnmoglich ist, alkermes[8] zu nehmen. Es schmeckt wie eine rechte medecin, hatt etwaß von dem cattolicon[9] double, es ist meine sache gar nicht. Worumb solte ich Eüch nicht schreiben? Meine händt seindt nicht geschwollen wie meine füße. Meine schriefft kan Eüch nie bezeügen, wie hertzlich ich Eüch liebe; unßer geblüdt kans Eüch allein bezeügen, liebe Louise! Es frewet mich recht von hertzen, daß der kleine rubis ballet[10] Eüch ahngenehm geweßen; solche bagatellen konnen meinen beüttel nicht schaden. Ihr würdet verwundert sein, wen Ihr sehen soltet, wie viel ich dergleichen deß jahrs außgebe. Wen Eüch nur die forcht hindert, Eüch über die bagattellen zu erfrewen, so ich Eüch geschickt habe, so kont Ihr Ewer freüde vollig genießen. Ich bitte Eüch, liebe Louise, schickt mir doch ein zettelgen von den babiolen[11], so Ihr von mir habt! Den lest mich gott leben, so werde ich nichts dopels[12] schicken. Mein brieff von no 62, hoffe ich, wirdt sich wider einfinden, auff allen fall ist der verlust nicht groß. Ah, ich bin ein nar, ich meinte, [473] es fehlt Eüch einer von meinen brieffen, sehe aber nun, daß Ihr von den Ewerigen sprecht; er ist ahnkommen, ich meint, ich hette es schon geschriben. Da dreibt man mich wegen meiner geschwollen füßen nach bett, kan also nichts mehr sagen, alß daß Ewer schreiben doch, gott lob, gantz beantw[o]rt ist undt daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte, hertzliebe Louise!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. Oktober 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 470–473
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1367.html
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