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Brief vom 21. November 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1374.


[483]
St Clou den sambstag, 28 November[1] 1722.
Hertzallerliebe Louise, dieße gantze woche bin ich wieder, ohne einig schreiben von Eüch zu bekommen, geweßen. Ich kan die ursachen deßwegen nicht errahten, den Ewere regullaritet ist mir gar zu woll bekandt, umb zu zweyfflen konnen, daß Ihr mir in den 14 tagen nicht solt geschrieben haben. Die post geht unrichtig, daß ist gar gewiß, aber die zeit ist auch lang. Es ist noch früh undt erst ein viertel auff 11. Dießen nachmittag werde ich vielleicht noch etwaß von Eüch bekommen, aber nun will ich mich ahnziehen. Eine andtwort, so ich an madame Dangeau geschriben, hatt mich ahn dießem brieff interompirt, liebe Louise!
Sambstag umb 2 uhr nachmittags, 28 November.
Gleich nach dem eßen bin ich entschlaffen; seyder ich aber wider wacker, ist es mir nicht beßer. Ich weiß nicht, was sie mir heütte abermahl zu schlucken geben haben, aber es purgirt mich gar starck, undt wie ich schon ohne dem wegen meiner 8 montlichen kranckheitten, in welcher man mir nicht daß geringste gegeben, so mich, ich will nicht sagen, im geringsten couriren können, sonder auch nicht daß geringste soulagement geben … Ich weiß nicht, waß entlich auß meiner kranckheit werden wirdt. Allein, liebe Louisse, ich nehme stundtlich ab, leyde nacht undt tag undt alles, waß man mir braucht, hilfft zu nichts. Der allmachtige verleye mir gedult! Ich habe es woll hoch von nohten. Bin ich aber glücklich genung, daß mich gott der allmächtige auß dießen schmertzen undt jammerthal erlößen wirdt, so bekümert Eüch nicht zu viel, wen Ihr mich verliehren soltet! Den es were mein grostes glück. Ich lebe mitt aller meiner kranckheitt ich[2] erschrecklichen sorgen, den meiner dochter zweytter sohn undt just der, so mir ahm liebsten ist, ligt auff den todt ligt. Seine kranckheit hatt mitt ein continuirlich fieber ahngefangen mitt 4 redoublementen deß tags mitt einem gar starcken durchlauff. Daß fieber hatt zwar auffgehört, aber alß man sichs ahm wenigsten versehen, ist er in solche [484] erschrekliche gichter gefahlen, daß alles zu fürchten ist. Es were mir woll hertzlich leydt umb diß kindt, den, wie schon gesagt, so ist es der, so mir ahm liebsten ist, den es ist ein recht gutt undt ahngenehm kindt, so gar raisonabel ist vor sein alter. Es würde mich also recht von hertzen betrüben, wen wir diß kindt verliehren solten; ich glaube, meiner dochte[r] würdte der kopff davon … undt narisch werden. Mein gott, wie ist es ein ellendes leben in dießer welt! Man hort undt sicht nichts, alß jammer undt ellendt, daß macht einem daß leben sehr müde. Ich bin ohne daß sehr matt, muß also wider willen schließen undt dießen abendt nichts mehr sagen, alß daß, in welchem standt ich mich auch finden mag, so werde ich Eüch biß biß ahn mein endt von hertzen lieb behalten.[3]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. November 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 483–484
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1374.html
Änderungsstand:
Tintenfass