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Brief vom 26. November 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1375.


[484]
St Clou den donnerstag, 26 November 1722.
Hertzallerliebe Louise, ob ich zwar heütte in einem gar übellen standt bin undt mitt allem continuirlichen brauchen taglich abnehme, so will ich doch, so lang ich noch zu leben habe, mein wordt halten undt keine post vorbey gehen laßen, ohne Eüch zu schreiben. Dieße woch hatt wieder ersetzt, waß die vergangene woch verseümb[t] hatte, den ich habe 3 von Ewern lieben schreiben entpfangen. Aber mitt der antwort wirdt es schlecht hergehen, den mein leben bin ich nicht so schwach geweßen, alß ich nun bin. Daß ist auch kein groß wunder, den ich, die daß eingeweydt gar delicat habe, man gibt mir alle morgen undt abendts waß ein seyder vergangen sontag. Ich fühle, daß es mir die seel auß dem leib zicht, mögte mich woll in die andere welt wandern machen, welches eben kän[1] gar groß unglück, wens nur geschwindt undt ohne große schmertzen geschehen könte; den die warheit zu bekenen, so verlaydt mir dieße lange kranckheit daß leben unerhort. Aber außer meiner kranckheit habe ich noch waß auff dem hertzen, so mich recht zu hertzen geht, unßer arme alte marechalle de Clerembeault[2], so gar kranck [485] ahn einem husten ist undt daß helle bludt speit; hatt sich heütte wollen nach Paris führen laßen, aber sie ist kaum in der kutsch geweßen, so ist sie rack ohnmachtig geworden. Ich fürchte also, daß es geschwindt ein boß endt nehmen wirdt, welches mich recht von hertzen leydt ist; aber mitt 88 jahr[e]n kan man nicht weit gehen, man stirbt auch woll junger. Aber hiemitt genung von dießen trawerigen undt langweilligen sachen, last unß von waß anderst reden! Ich habe, habe sehr vor Ewere niepcen solicittirt; mein sohn sagt, er wünschte von hertzen, ihnen, wie sie es wünschen mogten, helffen zu können; allein in dießer sach wehren reglementen gemacht, so er nicht überschreyten [könne], wolle doch sein bestes thun, daß Ewere niepcen so wenig verliehr[e]n mogen, alß immer möglich sein wirdt. Morgen wirdt man mir wider eine medecin geben, ob zwar, waß man mir heütte geben, mich 5 mahl purgirt hatt. Ich glaube, man wirdt mich endtlich die seel auß dem leib purgiren; den ich fühle, daß ich täglich schwächer werde, undt alle meine kräfften vergehen undt nehmen taglich ab. Ohne eine sonderlich miraquel[3] kan ich nicht geneßen, aber biß ahn mein endt werde ich Eüch doch von hertzen lieb behalten. Ich schicke Eüch hirbey, umb Eüch zu amussiren, liebe Louise, daß fest von Chantilli[4]. Daß hertz ist mir so schwer heütte, daß ich [486] ohnmoglich einen länge[re]n brieff schreiben kan. Aber seydt versichert, hertzliebe Louise, daß, so lang ich meinen natürlichen verstandt behalten werde, werde ich Eüch von hertzen lieb behalten!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. November 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 484–486
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1375.html
Änderungsstand:
Tintenfass