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Brief vom 28. November 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1376.


[486]

A madame Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckforth.

St Clou, sambstag, den 28 November 1722.
Hertzallerliebe Louise, Ihr werdet heütte gar einen kurtzen brieff von mir bekomen. Den erstlich so bin ich übeller, alß nie, habe dieße gantze nacht kein aug zugethan; den gestern morgen haben wir auff einmahl unßere arme marechalckin[1] verlohren, war vorgestern noch bey mir. Kein schlag hatt sie gerührt, aber sie hatt nicht mehr erwermen konnen, sie solle ihren magen zu sehr mitt aigre de cedre[2] erfrischt haben. Es ist mir woll von grundt der seelen leydt ist, den[3] es war eine dame von großem verstandt undt gedachtnuß undt war sehr gelehrt, aber sie ließ es sich nie mercken, man hörte sie von nichts gelehrts, man frage sie than[4]. Sie hatt ihres älsten bruder sohn zum erben eingesetzt. Ob es zwar nichts rares ist, eine person zu 88 jahren sterben zu sehen, so ist es doch schmerzhafft, eine gutte freündin zu verliehr[e]n, mitt welcher man 51 jahr gelebt hatt. Aber last mich enden, liebe Louise! Ich bin gar zu kranck, umb heütte waß mehres zu sagen können, liebe Louise, alß daß, daß in welchen ellenden standt ich auch sein mag, so werde ich; biß daß der garauß mitt mir kommen wirdt, werde ich Eüch, liebe Louise, von hertzen lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. November 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 486
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1376.html
Änderungsstand:
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