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A madame Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckforth.
St Clou, sambstag, den 28 November 1722.
Hertzallerliebe Louise, Ihr werdet heütte gar einen kurtzen
brieff von mir bekomen. Den erstlich so bin ich übeller, alß nie,
habe dieße gantze nacht kein aug zugethan; den gestern morgen
haben wir auff einmahl unßere arme marechalckin
[1] verlohren, war
vorgestern noch bey mir. Kein schlag hatt sie gerührt, aber sie
hatt nicht mehr erwermen konnen, sie solle ihren magen zu sehr
mitt aigre de cedre
[2] erfrischt haben. Es ist mir woll von grundt
der seelen leydt ist, den
[3] es war eine dame von großem verstandt
undt gedachtnuß undt war sehr gelehrt, aber sie ließ es sich nie
mercken, man hörte sie von nichts gelehrts, man frage sie than
[4].
Sie hatt ihres älsten bruder sohn zum erben eingesetzt. Ob es zwar
nichts rares ist, eine person zu 88 jahren sterben zu sehen, so ist
es doch schmerzhafft, eine gutte freündin zu verliehr[e]n, mitt welcher
man 51 jahr gelebt hatt. Aber last mich enden, liebe Louise! Ich
bin gar zu kranck, umb heütte waß mehres zu sagen können, liebe
Louise, alß daß, daß in welchen ellenden standt ich auch sein mag,
so werde ich; biß daß der garauß mitt mir kommen wirdt, werde
ich Eüch, liebe Louise, von hertzen lieb behalten.