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Brief vom 27. Juni 1685

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugraf Karl Ludwig zu Pfalz


2014.


[505] [1]
Versaille den 27 Juni 1685.
Hertzallerlieb Carllutz, hette ich eher gelegenheit gefunden, nach Ungarn zu schreiben, so würdet Ihr eher brieff von mir entpfangen haben, habe aber gar nicht gewust, wo ich meine brieffe hin adressiren müste. Nun aber monsieur de Miremon[t] mir versichert, daß er Eüch mein schreiben in eygenen händen überlieffern will, so werde ich nicht unterlaßen, ihm dießen brieff mitt zu geben. Ich zweiffele nicht, daß Ewere schwestern Eüch schon werden berichtet haben den verlust, so wir alle ahn meinen armen bruder seeligen gethan haben, undt ob selbiger Eüch zwar nicht so lieb gehabt hatt, alß ich es gewünschet undt er es billich gesolt hettet, so glaube ich doch vestiglich, daß es Eüch jammern wirdt, ihn todt zu wißen. Mich hatt es erschrecklich geschmertzt, wie Ihr woll gedencken könt, undt bin auch noch recht betrübt drüber. Ich habe in dießem unglück woll hertzlich auch in mir selber beklagt, daß Ihr nicht so woll meiner fraw mutter, alß herr vatters sohn seit; den wen etwaß in der welt mich hette rechtschaffen über dießes große unglück trösten können, were geweßen, wen ich Eüch hette churfürst sehen können. Weillen aber solches leyder nicht sein kan, so offerire ich Eüch doch, waß in meinem vermögen stehet, Eüch zu dinnen. Man will mir glauben machen, daß die gutter, so nicht gantz geratt zu der chur gehören, mir zukommen müßen, undt der könig wirdt einen expressen nach Heydelberg schicken, umb meine interesse zu beforderen undt, waß mir zugehören mag, von dem neüen churfürsten abzufordern. Gott gebe, daß Ewere raugraffschafft sich hirin mitt finden möge! den wen dem also were, könt Ihr versichert sein, daß Ihr nichts verliehren werdet. Ich habe schon mitt Monsieur hirvon gesprochen, welcher hirinen keine andere sentiementen hatt, alß ich. Also kan ich Eüch, mein hertzlieb Carllutz, versichern, daß in dießes, wie auch in alles, so jemahlen bey mir stehen wirdt, Eüch zu dinnen, Ihr jederzeit verspühren werdet, daß ich Eüch von hertzens grundt lieb habe undt biß in todt Ewer getrewe undt affectionirte freündin bleibe. Behaltet mich auch lieb undt gott der allmachtige wolle Eüch gnädig bewahren undt alles glück in dem kri[e]g verleyen, worinen Ihr seit! [506] Ich mögte Eüch gerne einmahl wider sehen, den mir deücht, ich habe alles verlohren, waß mir ahngehört.
Macht mein compliment undt gruß ahn meine beyde vettern Liebten, die princen von Hannover, undt schreibt mir etlich mahl, wen Ihr die zeit habt! Adieu, hertzlieb Carllutz! ich ambrassire Eüch von hertzen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 27. Juni 1685 von Elisabeth Charlotte an Karl Ludwig zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 505–506
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b2014.html
Änderungsstand:
Tintenfass