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Pour la raugräffin Louisse.
Versaille den 30 May 1694.
Hertzliebe Louisse, Ihr habt mir einen großen gefahlen gethan,
mir so eine exacte relation von ma tante, der churfürstin Libten,
kranckheit zu machen. Ob Ihr mir zwar gutte hoffnung gebt, so
kan ich doch nicht laßen, in erschrecklichen sorgen zu sein, biß daß
ich erfahren werde, daß daß leydige fieber I. L. gantz quittirt hatt.
Ma tante hatt groß recht gehabt, Eüch die große ceremonien in
dem brieff zu verbieten; daß ist zu langweillig undt seindt wir
einander ja nahe genung, umb ohne so große ceremonien mitt einander
zu leben. Ich bitte, liebe Louisgen, schreibt mir alle post, wie es
mitt ma tante steht, undt ohne ceremonien wie dißmahl! Daß Ihr
so lang keine brieffe von mir entpfangen, ist die ursach, daß ich
nicht weiß, wie ich sie nach Franckfort bringen könte, den die
post von hir geht nicht mehr hin. Schreibt mir, wo ich die brieffe
hinschicken könte! so werdet Ihr öffter welche von mir bekommen.
Ambrassirt Carl Moritz undt Amellisgen von meinetwegen undt grüst
alle ehrliche, gutte Pfälzer, so bey Eüch undt von meiner kundtschafft
sein! Wen wünschen waß außrichten könte, würdet Ihr mich gewiß
eher, alß dießer brieff, zu Wißbaden sehen, undt beklage ich woll
von hertzen, daß mir daß reißen verbotten ist. Den ich nichts
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mehr in der welt wünsche, alß ma tante noch einmahl persöhnlich
auffzuwartten undt Eüch sambt Ewere geschwister zu ambrassiren.
Ihr sagt mir nichts von Carolline. Wo ist sie nun undt wie geht es
ihr? Schreibt mirs, ich bitte Eüch, undt wie viel kinder sie nun
hatt! Es ist mir leydt, daß die gutte fraw von Harting noch nicht
zu kräfften kommen kan; bitte, sie auch von meinetwegen zu grüßen.
Man rufft mich, ich muß nüber zum konig, kan derowegen nichts
mehr sagen, alß daß ich Eüch, lieb Louisgen, von hertzen lieb habe
undt allezeit behalten werde.