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A monsieur le raugraff zu Pfaltz a Franckford.
Versaille den 12 Januari 1700.
Hertzlieb Carl Moritz, Ihr werdet finden, daß ich waß spät auff
Ewer schreiben vom 11/21 November 1699 antwort, undt köntet Ihr
jetzt mitt warheit klagen, wie man ordinari nur durch redensart
sagt, daß schir ein seculo verfloßen, daß ich Eüch nicht geantwortet
habe. Aber es ist meine schuldt nicht, den es ist eben geweßen,
alß wen mir der teüffel zum possen verhindernüßen geschickt hette,
undt ist mir eben mitt gangen wie in der comedie des facheux,
eine verhindernuß ist nicht so geschwindt verschwunden, so hatt
sich eine andere dargestelt. Ich schreibe Eüch heütte, ob ich zwar
3 gutter stunden den wolff gejagt habe, also, wen ich wolte, woll
wider eine gutte entschuldigung hette. Ich will aber nicht lenger
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auffschieben, auff Ewer schreiben zu antworten. So baldt ich weiß,
daß Ihr, lieb Carl Moritz, daß liebe Teütsche nicht veracht undt
auch persuadirt seydt, daß ich es nicht thue, so könt Ihr mir nur
schreiben, wie es Eüch ahm gemächlichsten ist, undt es ist wahr,
daß das Frantzösche kürtzer ist, alß daß Teütsche. Es frewet mich,
lieb Carl Moritz, daß meine woll meinente ermanungen so woll von
Eüch seindt auffgenohmen worden. Engel-rein sein fordert man
nicht von Eüch, noch nichts ohnmögliches, sondern nur, daß, in waß
bey Eüch stehet, Ihr Eüch deß gutten verstandts gebraucht, so gott
der allmächtige Eüch verliehen, umb Eüch eine gutte undt keine
böße reputation zu establiren, wie ich hoffe, daß Ihr thun werdet
undt ich allezeit mitt freüden von Eüch vernehmen werde. Den
wir seindt einander ja nahe genung, umb daß Eüch nichts begegenen
kan, worinen ich nicht auch part nehme, undt seydt versichert, lieb
Carl Moritz, daß, ob ich Eüch zwar seyder Ewere kintheit nicht
gesehen, das ich Eüch doch noch alß recht lieb habe! Zum neüen
jahr wünsche ich Eüch alles, waß Ewer hertz begehrt.