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Brief vom 26. September 1701

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


2044.


[556] [1]
Fontainebleau den 26 September 1701.
Hertzliebe Louise, wir haben seyder eine zeit her undt seyder einem mont ein solch gethuns gehabt, daß ich Eüch ohnmöglich habe schreiben können. Wir seindt immer von einem ort zum andern, von Versaillen nach Marly, von Marly wider nach Versaille, von Versaille nach Meudon, von dorten bin ich auch einmahl nach Paris, vom Meudon seindt wir wider nach Versaille, 4 tag hernach wider nach Marly undt von dar gar offt nach St Germain wegen der tödtlichen kranckheit deß armen könig Jacobs, welchen ich noch just 24 stundt vor I. M. todt gesehen. Er war in einer solchen tranquilitet, alß wen er nur eine reiße thun solte, beklagte sich gar nicht, sprach mitt starcker stimme wie ordinarie undt hatt seinen verstandt biß ins letzte augenblick behalten. Es ist etwaß abscheüliches, zu sehen, in welchem standt die arme tugendtsame königin ist; sie hatt mich woll von hertzen mitt ihr weinen machen. Ich bin so offt bey I. M. geweßen, alß ich gekont. Ich bin auch ein tag nach Paris, umb meinen enckeln adieu zu sagen; ich hatte die arme kinder nicht seyder meinem unglück gesehen, den ich habe mich nicht resolviren können, nach St Clou zu fahren, wie sie den gantzen sommer über geblieben wahren. Es ist aber auch einmahl zeit, daß ich ahn Ewere liebe schreiben komme, fange bey dem frischten ahn, so vom 11 dießes monts ist. Ich habe daß papir vom Juden nicht gesehen, es mag vielleicht ins h[errn] Obrechts papiren geblieben sein. Man hatt mir nie kein wort von den affairen gesagt, so lang Monsieur s. gelebt hatt, weiß also gar [nicht], waß vor ordre Moras gehabt hatt oder nicht. Brinck hatt daß inventarium in original, kan es also bekommen, wen ich will; bitt, wolt [557] also dem Reyer vor seinem gutten willen dancken! Apropo, ich revier, habe nicht in acht genohmen, daß er todt ist. Von den Italliener nahmens Viani habe ich nichts gehört, ist nicht nach Paris kommen. Daß Ihr ihm ein brieff mitt geben, hatt nichts auff sich, man versagt daß niemandes. Wen ich hir keine spiller undt desbauchirte leütte sehen wolte, müste ich Franckreich reümen; seydt also deßwegen in keinen sorgen! Hirmitt ist Ewer letztes schreiben beantwortet. Meine gesundtheit ist, gott sey danck, gar perfect nun; dancke Eüch sehr, liebe Louisse, vor alle Ewere gutte wünsche. Der husten hatt nur 2 mahl 24 stundt gewehrt, habe es mitt Ewerm remede courirt, ehe ich Ewer schreiben entpfangen, den ich brauche es ordinarie undt befinde mich gar woll darbey; aber ahn statt ein glaß waß[er] drincke ich 3 große gläßer mitt waßer, den ich habe, gott lob, den magen gar gutt undt die brust, habe sie nicht umbsonst so breit. Dem Zweyffel bitt ich Eüch vor seinen gutten willen zu dancken; er hatt mir geschrieben, aber weillen ich nun weiß, wo daß inventarium ist, ist alles gutt. Es ist war, daß die gelter bezahlt worden, wuste aber nicht, daß es auff keyßers ahnmahnung geschehen war. Der conseiller destat, welchen der könig mir zu geben, vor meine affairen zu sorgen, hatt mir hir bey ligendes papir geschickt, umb mich bey Eüch zu informiren wegen sachen, so mir hoch nöhtig sein, wie er sagt. Weillen Ihr, liebe Louisse, aber die affairen auff ein endt verstehet undt ich gantz undt gar nicht, so schicke ich Eüch sein papir in original, werdet beßer, alß ich selber, drauß begreiffen, waß nöhtig zu wißen ist. Die duchesse de Bourgogne ist wider in volkommener gesundtheit. Die, so sich verwundern, daß der duc de Bourgogne so betrübt geweßen, wie seine gemahlin so gar kranck war, wißen vielleicht nicht, daß er recht verliebt von ihr ist; sie ist aber nicht so verliebt von ihm undt glaube, daß, wen sie einen printzen oder zwey würde zur welt gebracht haben undt der gutte herr darnach himmeln wolte, daß es bey ihr nur ein ellenbogen-stoß sein solte. Zum ellenbogen habe ich mein leben nicht respective hören sagen; hir redt man gar vom hindern ohne façon, will gar geschweygen, daß man zu andern gliedern waß sagen solte. Ich bin recht fro, daß mein öhl, so ich dem ältsten graffen von Nassau geben, ihm eben so woll, alß mir selber bekommen ist undt daß seine verwandten alle so woll mitt mir zufrieden sein. Deß gräffgen von Leiningen ist auch ein artig [558] bürschen. Ich bildt mir alß ein, die teütschen fürsten undt graffen reißen nur in den sawerbrunen, sich zu divertiren. Es ist woll war, daß ein jeder sein eygen creütz in dießer welt hatt; auch alles, waß Ihr ferner hirauff sagt, ist sehr wahr undt christlich raisonirt. Hiemitt ist Ewer schreiben [vom] 27 Aug[usti] auch beantwortet, komme jetzt auff daß letzte, so der zahl nach daß erste ist. Es ist leyder gar kein aparentz, daß ich jemahlen die meinige wider sehen könte, den ich werde mich woll mein leben nicht wider verheürahten; erstlich so kan niemandes solches ihm sin haben, den ich bin alt undt gar nicht reich vor meinen standt; zum andern so wolt ich es warlich auch nicht, den ich bin nicht glücklich genung im ehestandt geweßen, umb großen lust dazu zu haben, [werde] also woll mein leben hir schließen. So lang mich der könig woll leyden mag, werde ich bey I. M. bleiben; werden sie meiner müdt, so ziehe ich in mein wittumb-schloß; so bin ichs resolvirt. Ich kan die fantesey nicht begreifen, daß unßere teütsche fürstinen lieber Frantzösch, alß Teütsch, schreiben. Ihr secht, daß all Ewere schreiben zu recht kommen sein, auß dießer andtwort hir. Von notarie sach ich nichts mehr, haben schon davon gesprochen, wie auch von meine gelter. Ich fürchte nun den krieg, nun unßer könig den printz de Galle vor könig erkläret hatt. Der krieg ist allezeit verdrießlich, wens auch nur were, so viel leütte ins ellendt undt betrübt zu sehen. Man rufft mir zur taffel, nach dem eßen werde ich dießen brieff außschreiben. Gleich nach dem eßen bin ich spatziren gefahren, den es ist heütte daß schönste wetter von der welt. Ich komme jetzt eben auß dem walt, bin zwey gutter stundt zu fuß spatzirt. Carl Moritz hatt mir endtlich geschrieben, aber gar eine wunderliche excusse gemacht. Ich fürcht, daß er eben nicht gar nüchtern geweßen, wie er mirs geschrieben. Ich habe ihm gar Teütsch herauß meine meinung drüber gesagt. Es ist woll ein ellendt, daß madame Gregu ihn so ahns sauffen gewont hatt; daß wirdt er, wie ich furchte, sein leben nicht laßen können undt wirdt ihn nicht allein ahm leben undt ahn der gesundtheit schaden, sondern auch allerhandt unglück zufügen, den ein tru[n]ckener mensch weiß selten, waß er sagt oder thut. Es ist nur gar zu war, daß herr Obrecht gestorben, ist mir von hertzen leydt. Die fraw von Stein jamert mich auch, ihren man verlohren zu haben. Wie ich sehe, so ist es diß jahr bey Eüch andern auch eine große hitze geweßen; nun hatt sie hir zimblich [559] abgenohmen, aber doch noch gar schön wetter, weder zu kalt, noch zu warm, ein recht moderirt wetter. Gantz Paris steckt voller rotter ruhr; monsieur le duc hette schir seinen elsten printzen dran verlohren, des printz de Conti kinder habens auch. Daß ist alles, waß ich Eüch, liebe Louisse, vor dießmahl sagen kan undt daß ich Eüch undt Amelisse allezeit sehr lieb behalte.
P. S.
Ambrassirt Amelise von meinetwegen undt sagt ihr, daß ich ihr heütte ohnmoglich schreiben kan! Den ich muß noch ahn die hertzogin von Savoyen schreiben, aber so baldt es mir moglich sein wirdt, werde ich ihr andtwortten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. September 1701 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 556–559
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b2044.html
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