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Brief vom 19. Februar 1682

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


37.


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St. Germain den 19. Februari 1682.
… Ich weiß woll, daß man sich nur schaden mitt traurigsein thut undt seinen feinden einen großen gefahlen; allein es sein doch etlich occasionen, wo man ohnmöglich laßen kan, sich etwaß zu hertzen zu ziehen, undt so sehr ich mich auch suche durch raison dagegen zu armiren, so befindt ich mich doch gar offt attrapirt, denn ich habe nicht so viel verstandt noch vivacitet alß E. L., umb gleich mein parthey zu nehmen undt mich nach der welt zu accommodiren. Ich gehe meinen geraden weg in Gottes nahmen fort undt meine, wenn ich niemandes nichts suche zu leydt zu thun, so soll man mich auch mitt frieden laßen, undt wenn ich denn sehe, daß ich auff allen seiten ahngefochten werde, dan verdriest es mich, undt wie ich denn schon ohne das wenig gedult habe, so verliere ich dan mitt dießen hudelleyen[1] noch die wenig gedult, so mir übrig bleibt, undt wie ich denn alles in meinem eygenen kopff hervor suchen muß, umb mich auß dem labirint zu reißen, undt gar nirgendts weder raht noch hülff habe, indem alles so interessirt undt falsch hir ist, daß man sich auff niemandes recht vertrawen kan. Das macht mich denn reveux undt grittlich[2], undt wenn ich grittlich bin, geschwillt mein miltz, undt wenn es denn geschwollen ist, schickt es mir dämpff in kopff, so mich trawerig machen, undt wenn ich trawerig bin, werde ich kranck: das [040] seindt etlich ursachen von meiner gehabten kranckheyt, allein den ursprung davon zu sagen undt was mich chagrinirt hatt, das ist der feder nicht zu trawen, denn ich weiß gar gewiß, daß man die brieffe list undt auffmacht. Mir thun sie auff der post die ehr sowoll alß ahn E. L. die brieffe gar soubtil wider zu zu machen, aber der gutten mad. la dauphine schickt man sie offt in einem wunderlichen standt undt oben zerrißen, undt weill ich das sehe, dencke ich alß wie in der heyligen schrifft steht: geschicht das ahm grünen holtz, was wirdt ahm dürren werden[3]. Ich versichere E. L., daß ich mich gar nicht zu Hannover ennuiren sollte, wenn ich so glücklich sein könte, dortten bey E. L. undt oncle zu sein, undt so sehr ich auch die clöster haße, so wißen doch E. L. woll, daß ich mich nicht zu Maubisson ennuirte so lang alß E. L. da waren. Auch will ichs E. L. woll recht gestehen: alles ist nicht golt was glentzt, undt was man auch von der frantzöschen libertet pralen mag, so seindt alle divertissementen so gezwungen undt voller contrainte, daß es nicht auszusprechen ist, undt über das so bin ich, seyder ich hir im lande bin, so viel schlimme sachen gewont, daß, wan ich einsmahl wider ahn einem ort sein könte, wo die falschheit nicht so sehr regieret undt die lügen nicht in schwang sein undt aprobiret werden, so würde ich glauben, ein paradeis gefunden zu haben; daher laße ich E. L. selber gedencken, ob ich mich (wenns möglich sein könte, die wahl zu haben) beßer hir oder zu Hanover befinden würde. Ich habe auch schon von anderen gehöret, daß E. L. das schloß gantz verendern laßen; ist mir nur leydt, daß meine cammer undt apartement verendert ist, denn ich flatirte mich, daß diß, wenn es so wie vor dießem undt zu meiner zeit geblieben were, E. L. alß würde ahn dero Lisselotten erinert haben undt daß E. L. nicht durch meine kammer würden gangen sein, ohne an mich zu gedencken.
I. G. die Churfürstin[4] schreibt mir noch täglich undt bezeuget rechte tendresse vor die raugräffliche kinder; daß man aber Carllutz[5] nichts schickt, da kann sie nichts vor, denn sie hatt auch große mühe, ihre eygene sachen in richtigkeit zu bringen. Ich weiß nicht, woran mein bruder denckt, den graffen von Castel[6] so gewehren zu laßen, ist woll ein groß zeichen, daß seine miltzkranckheit stärcker alß die meine sein muß, denn mich deücht, wenn ich Churfürst were, wolte ich mehr herr undt meister sein. Es scheindt woll, daß mein credit schlegt bey meinem bruder jetzt ist, weillen er Carllutz das seinige nicht giebt, worumb ich ihn doch so hoch gebetten; daß er aber böß auff mich ist, daß ich catholisch worden, deßwegen bin ich nicht in sorgen, denn ich bin versichert, daß, wenn ich ihn nur einmahl wider sehen solte, [041] würden wir doch gutte freünde sein, denn ich bin persuadirt, daß er mich doch wider seinen willen lieb hatt …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 19. Februar 1682 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 39–41
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0037.html
Änderungsstand:
Tintenfass