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Brief vom 24. November 1682

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


42.


[054]
Paris den 24. November 1682.
Ich schäme mich recht, wenn ich betrachte, daß ich 8 gnädige schreiben von E. L. hir vor mir liegen habe, wovor ich meine schuldigste dancksagung noch nicht abgelegt habe, allein E. L., hoffe ich, werden einem armen troublirten hirn, wie das meine ist, woll waß zu gutt halten undt gedencken, daß man nicht recht in einem standt zu schreiben ist, wenn man occupirt sein muß, ahm König, meinem herren undt gantzen hoff zu erweisen, daß ich keine suposition gemacht, selbige aber woll mitt so großer gedult alß möglich von andern ertragen habe. Dieße historie würde zu weittleüfftig fahlen zu beschreiben, allein wenn E. L. dießelbe zu wißen begehren, können sie nur den raugraffen[1] drumb fragen, der wirdt sie E. L. außführlich verzehlen können; er weiß sie von mir, hatt aber auch von allen ahm hoff viel davon gehört, wirdt also E. L. auch sagen können, was der public davon helt undt ob man mir groß unrecht gibt. Weillen aber meine feinde so unverschämbt seien, sich meiner eygenen domestiquen zu gebrauchen, umb lügen undt falsche brieffe gegen mir zu schreiben, so nimbt es mich gar nicht wunder, daß sie erdachte historien von mir in Teütschlandt, ja in die gantze weldt schreiben laßen. Ich kan E. L. mitt Gott, dem gantzen hoff undt allen meinen leütten bezeügen, daß ich Monsieur in aller meiner betrübnuß nicht ein eintzig böß wort geben noch das geringste vorgeworfen habe, noch hinterwerts von ihm gesprochen, contrarie, ich habe mir eine eigene estude gemacht, mich vorzusehen, umb ihm nichts zu sagen, so ihm mißfahlen könte, undt wenn er auff mich stichelt, schweig ich maußstill; zudem wie kan ich ihm seiner [055] gemahlin[2] todt vorgeworffen haben, da ich doch mehr alß jemandes in der welt persuadirt bin, daß dieße that ohne sein wißen geschehen ist. Das gestehe ich woll, daß ich einmahl gesagt (alß er mir vorwurff, daß mein chagrin mich würde umbs leben bringen undt daß ich mich durch meine eygene violence tödten würde): ahn meinem todt were kein großer schadt undt ich achte das leben nicht genung, umb den todt zu fürchten. Das ist alles was ich auff dießen text ahn Monsieur gesagt habe, bitte E. L. derowegen demütigst, keine so böße opinion von mir zu schöpffen: zu glauben, daß ich mich durch caprice undt bößen humor solte unglücklich machen, denn wenn ich glauben solte, daß E. L. undt oncle in der that ein solches von mir meinten, würde mich dießes melancolischer machen, alß all mein unglück undt verdruß, so ich bißher außgestanden. Ich weiß nicht, worumb die leütte sagen wollen, daß Mons. undt ich wie hundt undt katze leben, indem wir doch alle dehors über die maßen observiret haben, auch in der that nicht gezanckt, denn alles was vorgangen, da war der König derzwischen undt hatt einem undt andern zugesprochen, wir aber, nehmblich Monsieur undt ich, haben von allen indifferenten sachen gesprochen, alß wenn nichts vorginge; aber, wie ich schon gesagt, wenn man nicht vorgebe, daß es meine schuldt ist, daß man übel mitt mir lebt, so würde man sonsten nichts zu sagen haben undt gestehen müßen, daß mir unrecht geschehe undt daß man mir gewalt ahnstatt recht gibt; aber dießes alles wirdt Carllutz[3] E. L. mündtlich außlegen können. … Auch wirdt Carllutz E. L. sagen können, mitt waß freüden ich geleßen, daß oncle jetzt mein papa sein will. Ich habe E. L. beyderseits ja stehts vor vatter undt mutter gehalten undt keinen unterschiedt schir in meinem hertzen entpfunden von denen, so mir von natur so verwandt sein undt waren, auch kan ich E. L. versichern, daß sie keines von dero kindern haben, so E. L. beyderseits mehr ehret, respectiret undt von gantzem hertzen liebet, alß ich thue undt biß ahn mein letztes endt thun werde, ja auch so williger ist, E. L. zu gehorsamen. Derowegen können mir E. L. nur kecklich befehlen; aber was mich schir verdriest, ist, daß ich dieß sentiment nicht alleine habe, sondern alle, die die gnade haben, eine zeit lang bey E. L. zu sein, seint alle so, denn Carllutz ist schir ebenso touchirt von den gnaden, so E. L. beyderseits ihm erweißen, alß ich, undt hatt gantze abenden mitt mir zubracht mitt rühmen, waß gnade ihm widerfehret, … ich halte vor viel glückseliger, einem herren zu dienen, den man estimirt undt admirirt, ja auch recht lieb hatt, alß daß man nur den schein von einer grandeur hatt undt doch gar nichts vermag, denn das ist mehr eine sclaverey alß freyheit …
[056] Aber ich muß mitt meinen raisonnementen einhalten, mein brieff würde sonsten wider so lang werden alß der, so ich durch Wendt geschrieben hatte, undt mögten E. L. meinen, daß ich mich gewehne, bücher ahnstatt brieffe ahn E. L. zu schreiben. Muß doch noch von waß reden, nehmblich von I. L. des elsten princen heüraht[4]. Ich weiß gewiß, daß E. L. angst bey der sachen wirdt undt meinen, daß ich viel dolle possen hervorbringen werde, aber nein, ich sehe durch E. L. exempel, daß man zu geschenen sachen alß das beste reden muß, werde derowegen auch auff dießen text nichts anderß sagen als daß ich I. L. dem princen viel glück undt vergnügen wünsche undt daß selbiges lang weren möge, E. L. undt oncle auch ein stehtswerendes contentement haben mögen, undt im übrigen werde ich es machen wie das sprichwort hir in Franckreich; comme le perroquet de mr. de Savoye, il n’en dissoit mot, mais il n’en pensoit pas moins. Carllutz[5] hatt seinen zukünfftigen schwager, den graffen von Chomberg[6] hir gesehen; ich glaube, daß die sache nun woll wirdt fortgehen. Ich habe mein leben keinen verliebtern menschen gesehen, weillen aber liefften nur liefften ist, kaken aber vor all geht[7], so hatt ihm der König eine pension geben, hoffe also, daß liefften undt kaken gar woll mitt einander gehen wirdt. Hierbey werden E. L. einen brieff von Monsieur finden, undt weillen ich eben im train bin, durch proverbe zu reden, so muß ich sagen, daß es ihm eben nicht sonderlich leidt ist, mir le chat au jambe zu werffen[8], daß er E. L. nicht eher geschrieben, undt hirin will ich gar gerne gestehen, daß ich groß unrecht habe, nicht eher auff E. L. wehrte brieffe geantwortet zu haben. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 24. November 1682 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 54–56
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0042.html
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