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Brief vom 29. August 1683

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


46.


[058]
Fontainebleau den 29. Augusti 1683.
… Waß E. L. sagen, daß sie erhoffen, daß mein esprit au dessus de cela seye undt daß man seinen feinden ahm meisten verdruß ahnthut, wenn man sie veracht, so were dieße lection woll leicht zu folgen, wenn der verdruß von leütten herkäme, so weit entlegen weren; weillen es aber mehr von Monsieur, alß von jemandes anderst herkompt undt ihn seine freünde (welche just meine feinde alle sein) ihn dermaßen eingenohmen, daß er mehr haß vor mich hatt alß die andern alle, alß ist es unmöglich, daß ich nicht bißweillen chagrin sein muß. Wenn andere feinde einen haßen undt leydes thun, hatt man den trost, daß man es ihnen heütte oder morgen wider vergelten kan, gegen dießen aber darff man sich nicht rechen, undt wenn mans schon könte undt dörffte, wolte ich doch solches nicht, indem ihm, nehmblich meinem herren, nichts so verdrießlichs widerfahren kan, worinnen ich nicht [059] auch mitt part nehmen muß: denn ist er chagrin, muß ich allen seinen bößen humor essuyiren; ist er sonst unglücklich, kan ihm nichts begegenen, welches mich nicht auch mitt trifft; alles was ihm übels begegnet, muß ich partagiren; was ihm aber guts widerfähret, hiran hab ich keinen part: denn bekompt er gelt, so ist es vor seine freunde (meine feinde); ist er in faveur, so employirt er es nur, umb mich zu quellen[1] undt sie zu gefahlen, wie ich deßen tägliche experientz habe. Also so sehr alß ich mir auch selbes zusprechen mag undt mittel suche, mir meinen unlust auß dem kopff zu bringen, so habe ich doch große mühe, dießes ins werck zu setzen, denn wenn ich einige occupation hette, so würde mich solches von meiner unlust distrahiren, allein meine feinde haben hirin dermaßen vorgebaut, daß ich nichts in der welt sagen darff, undt wenn ich nur ahn meine leütte vor meinem herren frage, wie viel uhr es ist, so fürcht er, es seye ein ordre, undt will wißen, was es ist. Was das mir vor ein respect unter den domestiquen gibt, laß ich E. L. gedencken. Wenn ich zwey wort mitt meinen kindern spreche, examinirt man sie eine halbe stunde, was ich ihnen gesagt; undt dergleichen schöne sachen gibt es hundert des tags, welche alle fatiguant auff die lenge sein. Hette ich ein seelenmensch noch bey mir, welchem ich mein hertz eröffenen könnte undt womit ich über dieße sachen weinen oder lachen könte, würde ich mich noch patientiren, allein darumb hatt man mir die gutte schwartze jungfer[2] fort geschickt …
Was unßern König sonsten ahnbelangt, so weiß ich zwar nicht gewiß, ob er sich wider verheürahten wirdt, glaube es doch. Ich bin leyder nicht in so großer faveur alß man E. L. geschrieben hatt; wenn ich solches wäre, würde ich mein patgen[3] baldt auffs saltzfaß setzen[4] undt sie predistiniren, ihren gehabten gou[5] zu folgen, denn E. L. können woll gedencken, daß ich ihr solches beßer alß jemandes in der welt gönne; der platz ist von großem rang undt esclat; aber, unter unß geredt, ich weiß nicht, ob man ahm glücklichsten darinen lebet, undt wenn ich E. L. meine gedancken darüber eröffenen solte, müste ich einen gar zu langen detail machen, welcher der post eben nicht zu vertrawen ist, komme derowegen wider zu meinen vorigen text; ich bin nicht vain noch glorieux, gestehe derohalben teütsch herauß, daß mein herr mehr in faveur ist, alß ich; welches woll erscheynet auß allen gutten tractementen, so der König dem ritter von Lotteringen täglich ahnthut, wozu mein herr alle seine faveur ahnwendt. … [060]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 29. August 1683 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 58–60
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0046.html
Änderungsstand:
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