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Versaille den 28. December 1686.
… Was Carllutz
[1] ahnbelangt, so jammert er mich recht, daß er
so melancolisch wirdt, fürchte, daß es ihm auff die lenge ahn seiner
gesundtheit schaden wirdt, denn es gar sein naturel nicht ist, undt ist noch
desto mehr zu bedauern, weillen seine melancoley von seinem gutten
gemühte herkompt undt weillen er seine gutten freünde verlohren. Waß seine
sachen ahnbelangt, so thue ich woll mein bestes bey Monsieur undt auch bey
denen, so die erbschafftsach in händen haben, vor die raugräfflichen kinder,
allein man gibt mir zur antwort, daß sie pretentionen haben, so nicht deüchtig
weren, undt ich sehe woll, daß ich große mühe werde haben, ehe ich waß
vor ihnen außrichten kan. Ich will doch noch die hoffnung nicht verliehren
undt noch immerfort vor sie sprechen. Caroline
[2] hatt mir schon offtmahl
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geschrieben, wie auch der blinde herr von Degenfelt
[3]; ich mag ihnen aber
nicht antwortten, biß daß ich ihnen waß guts berichten kan. Wenn die sach
allein bey mir stünde, würden sie alle all lengst einen gutten bescheyt
bekommen haben; waß will ich aber thun? Monsieur ist allein herr, undt
befindt sich gar woll dabey. Es macht mich etlichmahl recht unlustig, wenn
ich sehe, daß ich den gutten kindern undt insonderheit Carllutz nicht dienen
kan, wie ich es woll wünschte, denn Carllutz ist mir der liebste von allen. …
Daß mein patgen, die Churprintzes
[4], sich so wenig hatt moderiren können,
alß ihr herr
[5] kranck war, hoffe ich, wirdt I. L. zu desto größeren trost jetzt
gereichen, denn dadurch wirdt der Churprintz ja perfect persuadirt sein, wie
sehr ihn seine gemahlin liebt, undt also woll sehen, daß man woll lieben
kan ohne küßen undt lecken, welches, wie E. L. mir einmahl bericht, mein
patgen zuwider ist. … Ach wolte Gott, ich könte noch einmahl so glücklich
werden, mein hertzlieb ma tante auffzuwartten; es deücht mir, daß ich
hernach getrost sterben wolte!