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Brief vom 14. April 1688

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


79.


[093]
St. Clou den 14. Aprill 1688.
Die gutte fraw von Harling undt ihr mann[1] haben begehrt, daß ich ihnen ihren nepheu[2] schicken möge, umb mitt seinen brüdern zu theillen, weillen ihr vater vergangen jahr gestorben ist; dieße gutte undt sichere gelegenheit habe ich nicht versäumen wollen, E. L. gantz mein hertz zu entdecken undt alles zu sagen was mich plaget, so ich der ordinari post nicht [094] vertrawen darff: muß mein hertzlieb ma tante also bekennen, daß ich eine zeit hero gar unlustig bin, ob ich mich deßen zwar so wenig mercken laße, alß es mir immer möglich ist. Man hatt mir vertrauet die rechte ursachen, weßwegen der König den ritter von Lotteringen undt den marquis Deffiat so woll tractirt, nehmblich weillen sie ihm versprochen haben, daß sie Monsieur persuadiren wollen, daß er den König gantz unterthänig bitten solle, der Montespan[3] ihre kinder mitt den meinen zu verheürahten, alß nehmblich meine dochter[4] ahn den hinckenden duc du Maine[5] undt meinen sohn[6] mitt madlle de Blois[7]. Die Maintenon ist in dießem fall gantz vor die Montespan, weillen sie dieße bastart erzogen undt den hinckenden buben so lieb hatt, alß ihr eygen kint… Nun dencken E. L., wie mir dabey[8] zu muhte muß sein, daß ich meine dochter allein solte so gar übel versorgt sehen, da doch ihre schwestern[9] so woll verheüraht sein[10]. Solte doch der duc du Maine kein kint von doppelten ehebruch sein undt ein rechtmäßiger printz, so mögt ich ihn doch nicht zum schwigersohn, noch seine schwester zur schwigertochter haben, denn er ist abscheülich heßlich undt lahm undt hatt sonsten schlimme qualiteten ahn sich, karch wie der teüffel undt gar kein gutt gemüht; seine schwester hatt woll ein gutt gemüht, ist aber so erschrecklich krencklich undt hatt stehts so blöde augen, daß ich glaube, daß sie endtlich blindt wirdt werden, undt über diß alles seindt sie bastart von doppelten ehebruch, wie schon gesagt, undt kinder von dem bößesten undt verzweiffelsten weib, so die erde tragen mag. Nun laß ich E. L. gedencken, wie sehr ich dießes wünschen kan; was das ärgste ist: ich darff Monsieur von der sachen nicht recht herauß sprechen, denn er hatt die schöne gewohnheit ahn sich, daß, wenn ich ihm ein wort sage, solches gleich dem König ahnzutragen, viel dazu zu setzen undt mir bey dem König hundert händel ahnzumachen; bin also in großen nöhten undt weiß nicht, wie ich es ahnfangen soll, dießes unglück zu entgehen. Unterdeßen kan ich nicht laßen, mich innerlich zu quellen[11], undt allemahl wenn ich dieße bastart sehe, geht mir das bludt über, auch laß ich mein hertzlieb ma tante gedencken, wie es mich schmertzen muß, meinen eintzigen sohn undt meine eintzige dochter die victimes von meinen ärgsten feinden zu sehen, welche mir täglich alles übel ahnthun undt gethan haben, ja gar die ehre durch ihre falschen discoursen haben abschneyden wollen, denn man sagt, daß der Deffiat[12] versprechung habe, duc zu werden, undt der ritter[13] eine gar große sum gelts bekommen solle, undt unterdeßen erhebt man sie in den himmel [095] durch hundert gutte tractementen; mich aber tractirt man gar schlegt undt scheint es, daß man mir schir gnade thut, daß man mich so hinleben lest. Dieße chagrins, wovon ich E. L. hir part gebe, kommen nicht von humoren noch vom miltz, sondern seindt gar essentiels, denn nun ich leyder alle die meinigen verlohren, was kan mich in dießer welt mehr touchiren, alß E. L. undt meine arme kinder; dieße so zum opffer vor meiner feinde grandeur auffgeben zu sehen, ist ja das schmertzlichste ding, so man sein leben entpfinden könte, ja ich selber werde vielleicht über dießer sachen exillirt werden, denn spricht mir Monsieur ernstlich davon, so werde ich nicht unterlaßen, ihm meine meinung zu sagen, welche er dan dem König auff seine ordinari manir vorbringen wirdt, solches auch seinen favoritten nicht verhehlen, welche es denn bey dem König (welchem sie nun stättig ahn den ohren liegen) woll vor mich herumb threhen werden. Ja, solte der König selber mich zu estoniren mir von der sachen reden, so werde ich ihm selber teütsch herauß bekenen, daß mir die sach gar nicht ahnsteht, welches ihn dan ohne zweiffel sehr verdrießen wirdt, mitt welchen respect ich auch dießen abschlag trehen mag. Also mag ich mich nur gefast halten, daß mir hinfüro allerhandt widerwertiges zufallen wirdt. Ich bitte E. L. taußendtmahl umb vergebung, daß ich E. L. mitt solchen langweilligen undt widerlichen discursen entretenire, allein, mein hertzlieb ma tante, weillen E. L. mir so gar gnädig sein undt kein mensch hir ist, dem ich genung vertrawen darff, umb mein hertzenleydt zu klagen, so habe ich gedacht, daß E. L. es nicht in ungnaden auffnehmen würden, daß ich durch dieße so gar sichere gelegenheit mein hertz erleichtere, denn Harling[14] ist mir gar getrew, wirdt gewiß dießen brieff in keine andre hände alß E. L. ihre überandtworten. Ich bitte, E. L. sagen doch ahn niemandes nichts hirvon alß ahn oncle undt die gutte fraw von Harling undt andtworten mir auch nichts hirauff durch die post, sondern nur durch mein Harling, wenn er wider zurück kompt. Was soll ich E. L. nun noch weitters sagen; nichts guts weiß ich, denn der hoff wirdt jetzt durch die continuirlichen heücheleyen so langweilig, daß man schir nicht mehr dauren kan, undt unterdeßen daß man allen menschen marck undt bein außmergelt, umb sie (wie man sagt) zur tugendt undt gottesfurcht zu bringen, wehlt der König die lasterhafftesten leütte von der welt, umb stehts damitt umbzugehen, alß nehmblich die lottringer undt den Esfiat. Ich habe nicht erfahren können, ob der König die Maintenon geheüraht hatt oder nicht; viele sagen, daß sie seine fraw seye undt daß der ertzbischoff von Paris[15] sie zusammen geben habe in beysein des Königs beichtsvatter undt der Maintenon bruder; andere aber sagen, es sey nicht wahr, undt man kan ohnmöglich erfahren, was dran ist. Was aber gar gewiß ist, ist, daß der König nie vor [096] keiner maistres die passion gehabt hatt, so er vor dießer hatt, undt es ist etwaß wunderliches, zu sehen, wenn sie beysammen sein; wenn sie ahn einem ort ist, kan er keine viertelstund daweren, ohne sie ins ohr zu sprechen undt heimblich mitt ihr zu reden, ob er zwar den gantzen tag bey ihr geweßen ist. Sie ist ein bößer teüffel, so von jederman sehr gesucht undt geförcht wirdt, aber wenig beliebt ist. Der gutten mad. la dauphine, welche woll die beste princes von der welt ist undt ein gutt auffrigtig gemüht hatt, der macht sie offt hundert händel ahn, ob selbige zwar ihren besten fleiß thut, sie zu gewinnen; hergegen aber hatt das weib den dauphin gantz ahn sich gezogen, umb sich noch desto mehr von aller welt undt insonderheit von der dauphine fürchten zu machen. Das ist der standt, in welchem der jetzige hoff nun ist. Noch einß hab ich vergeßen zu sagen: damitt es nicht scheindt, daß die Lotteringer sich in die sache von meiner kinder heüraht mischen, so hatt die Maintenon undt die Montespan der großen malle[16] in den kopff gesteckt, daß, weillen mons. du Maine ihr erb seye, so müste sie ihm noch all ihr übrig gutt geben, auff den beding, daß er mein dochter heürahten solle, undt daß also ihr gutt wider in ihr eygen hauß kommen würde durch Monsieur seine kinder. Was weitter von dießem allen werden wirdt, wirdt die zeit lehrnen. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. April 1688 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 93–96
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0079.html
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