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Brief vom 2. August 1688

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


81.


[097]
St. Clou den 2. Augusti 1688.
… E. L. können vestiglich glauben undt versichert sein, daß niemandes in der welt mehr von E. L. gnaden touchirt ist, alß ichs bin, undt könte ich mein bludt vor E. L. geben, umb meine erkandtnuß zu erweißen, würde ich es mit fröden vergießen. E. L. haben woll keine ursach, mir zu dancken, daß ich Dero beyde printzen Cristian undt Ernst August gerne bey mir habe; wenn sie auch nicht weren, wie sie sein, were es doch meine schuldigkeit, sie woll zu entpfangen, allein sie seindt so gutte undt artige kinder, daß, wenn sie auch E. L. nicht zugehörten, müste man sie doch lieb haben, undt ich bin versichert, daß E. L. sehr content von sie sein werden, wenn sie sie wieder zu sehen bekommen. Printz Ernst August hatt mehr vivacitet alß sein herr bruder undt macht sich hir viel ahngenehmer, allein printz Cristian fehlt doch nicht von verstandt undt ist gar ein gutt gemüht; ich plag I. L. sehr, daß sie so distrait sein, undt er wirdt gar nicht böß drüber undt redt mehr alß vor dießem. … Wenn ich E. L. bitten darff, so wolte ich gern meine dancksagung bey I. L. der Churfürstin[1] ablegen vor I. L. ahndencken, welches mich recht erfreüet hatt, denn ich wünsche mein lieb patgen ein vollkommen vergnügen, hoffe, daß wir nun auch baldt erfahren mögen, daß I. L. eines schönen printzen glücklich genesen sein. Daß I. L. der Churfürst sich woll befindt, eygener herr zu sein, begreiffe ich gar leicht, undt kompt mir das ewige gehorsamen nur gar zu hart ahn, umb solches nicht zu begreiffen. Dem König undt Monsieur gehorsam zu sein, käme mir endtlich noch woll leicht vor, allein von allen alten weibern, so jetzt regiren, zu dependiren, undt deren leben man nur zu woll kent, das kompt mir sehr schwer vor … Die hertzogin von Hannover[2] tractirt heütte alle unßere teütsche printzen zu Anniere[3]; ich kan nicht begreiffen, wie sie so lust zu dem hinckenden buben[4] haben mag; ich fürchte aber, es wirdt nichts drauß werden. Ich weiß woll, daß man ihm von lostel[5] de Condé auch schon eine ahngebotten hatt. Wenn ich noch mitt dem König were wie vor dießem undt daß er mich mitt sich auff die jagt führte, könte ichs woll [098] zu paß bringen, von der sachen zu reden; allein der König, auff befehl des alten weibs[6], darff mich nirgends mehr hinführen, undt wenn ich ihm waß zu sagen hette, müste ich ordentlich audientz fordern … Weder ahn Monsieur noch mich hatt man noch von nichts gesprochen; Gott gebe, dag man endern möge undt waß anderst in kopff kriegen, alß meine kinder. Die große madlle[7] ist nach Eux[8], wo sie 2 mont lang bleiben will; ich weiß nicht, was ihr der König gethan hatt, allein sie scheindt sehr übel zufrieden zu sein: vergangenen Freitag, alß ich von ihr abschidt nahm, wolte sie mir waß davon sagen, allein ich thate alß wenn ichs auß stupiditet nicht verstünde, denn ihr ist nicht ein haar zu trawen, heütte ist sie einem freündt, morgen feindt, sagt dan alles wider undt setzt ordinari noch waß dazu, drum hab ich gedacht, daß das schweigen ahm rahtsambsten seye, innerlich aber hatt es mich gefrewet, daß sie übel zufrieden ist undt daß es ihr gerewet, dießen hinckenden buben zum erben genohmen zu haben, dachte ahn das frantzösch sprichwort: qui fait la sottise, la boit[9]. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. August 1688 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 97–98
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0081.html
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Tintenfass