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Brief vom 8. Oktober 1688

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


83.


[099]
Fontainebleau den 8. October 1688.
… Seyderdem wir hir sein, seindt mir sehr viel hinderniße vorkommen, E. L. zu schreiben. Dinstag abendts kamen wir hir ahn; Mittwochen wolte ich E. L. nicht schreiben, weillen ich gar zu trawrig war, denn die arme Theobon[1] hatt ihren mann verlohren… Donnerstags rente ich den hirsch mitt dem König, nach der jagt muste ich mitt I. M. undt vielen damens eßen undt nach dem eßen gingen wir alle ins balhauß; Freitags gleich nach dem eßen ritten wir mitt dem König ’nauß fliegen zu sehen, undt abendts war apartement[2] zum ersten mahl; Sambstags fuhren wir mitt dem König auff die schweinsjagt. Ich war aber in großen sorgen auff dießer jagt, denn wir hatten zeittung von Paris bekommen, daß mein tochter wider umbgeschlagen were. Ich habe Monsieur schon 4 mahl gebetten, mich nach Paris zu laßen, umb ein wenig sorg für das arme kint zu haben; er hatt mir es aber bißher nicht erlauben wollen, undt das wegen einer caballe, denn die Grancay[3], die sich in alles mischt, will mir einen doctor geben undt den bin ich eben nicht willens von ihren händen zu nehmen; damitt daß dießer docktor doch möge von Monsieur genohmen werden, thut man ihn zu meiner tochter, also wenn mein tocktor weiß sagt, sagt dießer schwartz undt das arme kint muß drüber leyden. Were ich aber zu Paris, würde ich exameniren, waß ahm nützlichsten sein könte undt mich ahn dem halten, ohne partiallitet. Drumb sticht man Monsieur im kopff, mich zu wehren, nach Paris zu gehen. Muß also meine eintzige tochter wegen der caballe interesse hinrichten sehen, [100] welches mich in der seelen schmertzt, undt kan nicht laßen, mein hertz bey mein hertzlieb ma tante außzuschütten. Jedoch hab ich mich nicht enthalten können, ein par wort zu sagen, welches Monsieur gar übel genohmen, kan also nichts thun alß mein armeß kint Gott dem allmächtigen zu befehlen. … Aber ich will E. L. nicht lenger mitt diesen verdrießlichen sachen auffhalten undt nur ferner verzehlen, waß sich hir zugetragen. Sontags hab ich E. L. ohnmöglich schreiben können, denn weillen ich den vorigen abendt sehr geweint, hatte ich gar ein starck kopffwehe den gantzen tag; Montags entpfing ich noch gar schlimme zeittung von meiner tochter, welches mich denn nicht weniger threnen vergießen machte, insonderheit weillen man mir nicht erlauben wolte, nach Paris zu fahren; abendts muste ich ins apartement mitt rohten augen; Dinstags fuhren wir wider mitt dem König auff die jagt, kamen erst nachts wider; Mittwog rennten wir wider den hirsch, aber meine unlust verjagte ich gar nicht, wie E. L. leicht gedencken können; nach der jagt musten wir wider mitt dem König eßen undt abendts war apartement. …
Von alles was mir E. L. vom papst undt unßerm König schreiben, hirauff darff ich woll meine meinung nicht sagen; vom printzen von Oranien[4] ist mehr erlaubt zu reden. Wie ich im Haag mit I. L. spielte undt met verlöff met verlöff in mein hembt schiß, dachte ich woll nicht, daß er einsmahls so eine große figur machen würde; wenn nur seine große ahnschläge nicht besigelt werden wie ich damahls das spiel besigelte; wenn es aber geschehen solte undt unß dadurch der friede zukäme, würde ich warlich gar woll damitt zufrieden sein. … Ich wolte von grundt meiner seelen, daß ich den armen raugräfflichen kindern dienen könte, ich wolte es von hertzen gerne thun, allein was kan ich thun? man erlaubt mir nicht, vor meine eygene kinder zu sorgen; sie werden jetzt noch mehr zu beklagen sein, denn dießer ellender krieg[5] kan ihnen woll nichts nutzen undt mir ebenso wenig …
Daß meine kinder niemandes alß mich fürchten, ist nur gar zu wahr, denn Monsieur will sich nie die mühe geben, ihnen ein eintzig wort zu sagen; ihre hoffmeister undt hoffmeisterin seint beyde die albersten undt sottesten leütte, so in der welt mögen gefunden werden. Die kinder fehlen gottlob nicht von verstandt undt könnens nicht laßen, ihre vorgesteldte außzulachen, also muß ich woll ihnen sagen, waß sie thun oder laßen sollen; sie fürchten mich also, allein sie haben mich doch lieb dabey, denn sie seindt raisonabel genung, umb zu sehen, daß was ich ihnen sage vor ihr bestes ist; ich filtze selten, aber wenn es sein muß, geb ich’s dicht, das macht desto mehr impression. Wenn sie meinem raht folgen werden, werd ich nichts übles auß ihnen ziehen ohngeacht alle böße exempel, so die arme kinder stehts vor sich sehen. Aber dieß ist auch ein text, welchen man mitt stillschweigen muß [101] vorbeygehen, komme derowegen ahn die coiffuren. Ich bin versichert, daß, wenn E. L. sehen solten, mitt waß mühe undt sorgen sich die weiber nun abscheülich machen, würden E. L. von hertzen darüber lachen; ich vor mein theil kan dießer masqueraden gantz nicht gewohnen, aber alle tag setzt man sich höher auff; ich glaube, daß man endtlich wirdt gezwungen sein, die thüren höher zu machen, denn sonsten wirdt man nicht mehr in den kammern auß undt ein gehen können. Wenn die weiber in cornetten[6] sein, sehen sie eben auß wie die Melusine, so ich in einem alten buch gemahlt gesehen, so I. G. der Churfürst seeliger in seiner biblioteque zu Heydelberg hatte; mich deücht, ihr schweiff ahm rock wirdt endtlich auch zur schlangen werden, wie jene; wenn solches der Grançay widerführe, nehme michs kein wunder, denn sie hatt schon eine schlange undt otterzunge, welche mich nur gar zu offt sticht. Es ist aber auch woll einmahl zeit, daß ich dieße lange epistel endige. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. Oktober 1688 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 99–101
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0083.html
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