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Brief vom 10. November 1688

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


84.


[101]
Fontainebleau den 10. November 1688.
… Freitag ist mir die betrübte zeittung von meines lieben Carllutz todt[1] kommen, welches mich denn in einen standt gesetzt, wie E. L. woll leicht dencken können, bin 2 mahl 24 stundt geweßen ohne daß es in meinem vermögen war, von weinen auffzuhören, wie E. L. beyde printzen E. L. werden vielleicht geschrieben haben, denn sie waren eben hir bey mir. Ob ich zwar jetzt nicht mehr so continuirlich weine, wie die erste tagen, so fühle ich doch eine innerliche melancholie undt betrübtnuß, daß ich woll spüre, daß ich den gutten Carllutz noch nicht so baldt verschmertzen werde. Und was noch meine unlust vermehrt, ist, daß ich alle tag hören muß, wie man sich preparirt, das gutte Manheim zu brenen undt bombardiren, welches der Churfürst mein herr vatter s[eelig] mitt solchem fleiß hat bawen laßen; das macht mir das hertz blutten undt man nimbt mir es noch hoch vor übel, daß ich trawerig drüber bin. Wenn E. L. ahn Monsieur wegen der übrige armen raugräfflichen kinder schreiben wollen, können sie es woll thun, Monsieur wirdt es nicht übel nehmen, allein das wirdt zu nichts nutzen, denn Monsieur wirdt es nicht auß seinem eygenen beüttel nehmen undt ihnen schicken, undt von der Pfaltz entpfangen I. L. keinen heller, undt ob er zwar den König gebetten, daß man in seinem namen huldigen möge, hatt der König doch solches nicht gewolt, ist auch nicht geschehen; also bißher ist niemandes herr von der Pfaltz, alß der König, zweiffle aber sehr, daß I. M. den raugräfflichen kindern waß geben wollen, denn barmhertzigkeit ist nicht was hir [102] ahm meisten regirt. Die 10 tage, wie ich zu Paris kranck war, hatt der König nicht nach mir fragen laßen; ich hab ihm geschrieben, hatt mir aber nicht geantwortet; wie ich wider herkommen, war ich curieux umb zu wißen, was das bedeütt, ließ derowegen unter der handt nachforschen undt erfuhre, daß der König böß über mich seye wegen eines discours, so ich mitt mons. le duc de Montaussier[2] gehalten; den will ich E. L. verzehlen: mons. de Montaussier kam zu mir in mad. la dauphine kammer undt sagte: Madame, mr. le dauphin est vostre chevallier, il va vous conquerir vostre bien et vos terres. Erstlich antwortete ich nichts hirauff; hernach sagte er: il me semble, Madame, que vous recevés bien froidement ce que je vous dis. Ich antwortete: monsieur, il est vray que je recois froidement ce que vous me dittes, parceque vous me parlés de la chose du monde, de quoy j’aime le moins à entendre parler, car je ne voy pas qu’il me reviene grand profit, que mon nom serve pour la perte de ma patrie, et bien loin d’en ressentir de la joye, j’en suis tres fachée, je n’ay pas l’art de dissimuler, mais je sais me taire, ainsi si on ne veut pas que je disse ce que je pense, il ne faut pas me faire parler. Dießes, wie man mir sagt, hatt der alte gar übel gefunden undt es ahn andere verzehlt, die es dem König gesagt, welcher es endtlich auch gar in ungnaden auffgenohmen, aber ich kan nichts davor, warumb geht man auch so wunderlich mitt mir umb; will sein herr bruder die augen nicht auffthun, umb zu sehen, wie man unß das unßerige nimbt, kan ich doch die meinige nicht wehren, die warheit zu sehen undt sich nichts weiß machen zu laßen. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. November 1688 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 101–102
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0084.html
Änderungsstand:
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