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Brief vom 20. Mai 1689

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


87.


[106]
St. Clou den 20. May 1689.
… Ob zwar E. L. mir versichern, daß meine lamentationen dieselben nicht unangenehm sein würden, weillen es mich soulagirt, so weiß ich doch gar zu woll, daß Dero gnade gegen mir E. L. nur dieße gedult gibt, denn sonsten ist woll nichts langweiligeres in der welt, alß lange klagen ahnzuhören, undt will ich mich deßen so viel hüten, alß mir immer möglich sein wirdt. Doch kan ich nicht laßen, E. L. zu gestehen, daß sie woll groß recht haben, wenn sie glauben, daß ich wenig freüde in dießer welt habe, welches mir noch desto schwerer vorkompt, da mein humor gar nicht ist, mich umbsonst zu quellen undt gritlich zu sein. Aber so lustig alß man auch von natur sein mag, findt man doch gar woll die kunst hir, einem alle lust zu vertreiben undt recht trawerig zu machen. Ich weiß, daß E. L. verstandt genung haben, umb alles nach Dero sinn zu trehen, jedoch solten E. L. hir sein undt unßer leben bey nahem zu sehen undt ein wenig mitt drin gemischt zu werden, so würden sie vielleicht sehen, daß es nicht so leicht ist, alß sie es meinen, Monsieur vor mich in gutten humor zu bringen, denn wer dießes unterfangen wolte, muß sich gefast halten, mehr alß ein dutzendt feindt auff den halß zu jagen, welche einen in alles verfolgen schir so lange alß man lebt; denn wer sich vor mir declarirt, [dem] gibt man kein quartir biß ahns ende seines lebens. … Es würde mir nicht woll ahnstehen, E. L. nicht beyzufallen, daß Monsieur der beste herr von der welt ist, allein so werden E. L. mir doch woll erlauben, nur zu sagen, daß E. L. ihn zu wenig gesehen haben, umb perfect davon zu judiciren, undt daß ich woll waß mehreres davon weiß, indem ich, wie das teütsche sprichwort sagt, schir schon zwei küchenbuben oder simmernsalz mitt ihm gefreßen, ihn auch dermaßen examinirt, daß ich ihn jetzt warhaftig perfect kene undt also vielleicht nur gar zu woll weiß, was ich zu erwarten habe. Aber dießes seindt gar zu langweillige historien, will derowegen nur davon stillschweygen undt von waß anderst reden. Wer sich trösten könte, nicht allein unglücklich zu sein, würde großen trost hir finden … E. L. sagen, daß man einem alles nehmen kan [107] außgenohmen ein frölligs hertz. Wie ich noch in Teütschlandt war, hette ich es auch woll so gemeint, seitter ich aber in Franckreich bin, hab ich leyder nur zu sehr erfahren, daß man einem dießes auch nehmen kan. Wenn die, so einen chagriniren wollen, unter einem seindt undt man nicht davon zu dependiren hatt, kan man sich woll salviren mitt verachtung, wenn sie aber über einem herr undt meister seindt, undt man keinen schrit in seinem leben thun kan, ohne von ihnen zu dependiren, ist die sach woll nicht so leicht, alß man es sich einbilden könte. Wenn meine kinder in meiner macht stünden, würden sie mir große freüde verursachen, aber wenn ich dencke, daß meine dochter schon mitt solchen leütten umbringet ist, daß ich kein wort vor ihr sagen darff, auß forcht, daß man mir händel machen mögte, undt ich sehe, daß Monsieur fest im sinne hatt, den marquis Deffiat[1] meinem sohn vor hoffmeister zu geben, welcher mein ärgster feindt ist undt mir meinen sohn so sehr auffreitzen wirdt, alß er bißher schon Monsieur gethan, muß ich gestehen, daß die kinder mir mehr chagrin alß freüden geben. Der König hatt Bethune[2] nicht erlauben wollen, Pollen zu quittiren undt meines sohns hoffmeister zu werden, forchte also gar sehr, daß es obgedachter marquis werden wirdt, welcher der desbauchirtste kerl von der welt ist, undt insonderheit auff die schlimbste art. Wirdt er meines sohns hoffmeister, mag ich nur versichert sein, daß er ihm alles lehren wirdt, so ahm ärgsten in der welt ist; welches mich denn wenig erfreuen wirdt. Was mein dochter ahnbelangt, so fürchte ich sowoll alß E. L., daß der leidige krieg woll verhindern wirdt, daß sie den Churprintzen zu Pfaltz[3] nicht bekommen mag, jedoch so kan ich nicht unterlaßen, solches zu wünschen, denn es mir ein rechter trost sein würde, zu gedencken, daß I. G. des Churfürstens, meines herrn vattern seelig, enckel wider in der Pfaltz regiren würden undt mein dochter keinen hinckenden bastart[4] zum mann haben. Unßere raugräffliche kinder seindt woll unglücklich, alles das ihrige so zu verlieren; hette ich gelt, wolte ich ihnen von grundt meiner sehlen gerne waß schicken, aber E. L. können sich nicht einbilden, in welchem ellenden standt ich selber bin: ich hab nur hundert pistollen monts, ich kan nie weniger alß eine pistollen geben; in 8 tagen geht mein gelt in obst, brieffe von der post undt blumen drauff. Wenn mir der König waß gibt, muß ich die alten schulden bezahlen, undt er gibt mir nichts, alß zum neujahr, undt Monsieur nie keinen eintzigen heller; will ich die geringste bagatelle kauffen, muß ichs entlehnen, also ist es mir gar ohnmöglich, presenten zu geben. Solte ich zwar Carl Moritz[5] herkommen laßen undt [108] ein abt auß ihm machen, wirdt er doch keine benefice bekommen, welche jetzt gar rahr werden. Mad. de Maintenon wirdt woll niemandes protegiren, so mir zugehört, darauff ist nichts zu hoffen, ihr haß (welchen ich doch nie verdint) ist gar zu groß gegen mir, seyderdem sie so in gnaden, hatt ja der König mir rundt abgeschlagen, den raugraff Carllutz in dinsten zu nehmen, wirdt woll seinen gebrüdern nicht gnädiger sein. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. Mai 1689 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 106–108
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0087.html
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