[111]
Versaille den 26. Augusti 1689.
… E. L. müßen wißen, daß meine widerwertige parthey Monsieur
in den kopff gebracht hatt, seinen oberstallmeister
[1] zu meines sohnes
hoffmeister zu machen. Weillen mir aber mitt gantz Franckreich bewust ist, daß
dießer mensch einer von den ehrvergessensten undt debauchirtsten kerlen von
der welt ist, hab ich Monsieur gebetten, meinem sohn einen andern
hoffmeister zu geben, undt meine ursachen seindt dieße, daß es mir deücht, daß
es meinem sohn keine ehre sein könte, daß man meinen solte, daß er des
Desfiats mestres seye, denn es ist gewiß, daß kein größer sodomit in
Franckreich ist, alß dießer, undt daß es ein schlechter ahnfang vor einen jungen
[112]
printzen seye, mitt den ärgsten debauchen von der welt sein leben
ahnzufangen. Auff dießen punckten hatt Monsieur geantwortet, er müste zwar
gestehen, daß Desfiat debauchirt geweßen were undt die jungen lieb gehabt
hette, allein daß es schon viel jahre were, daß er sich von dießem laster
corigirt hette. Ich sagte, daß noch gar wenig jahren were, daß ein hübscher
junger Teütscher, so hir were, mir entschuldigung gemacht, daß er nicht so
offt zu mir kämme, alß er es wünschte, daß Desfiat ihn zu sehr plagte,
wenn er ins palais royal kämme, also were er nicht so lang jahre corigirt,
alß seine freünde sagten. Aber gesetzt, daß er etlich jahr geweßen were,
ohne dieß laster zu vollziehen, glaubte ich nicht, daß man meinen einigen
sohn müste zur prob geben, umb zu sehen, ob der herr oberstallmeister seinen
pagen abgesagt hette oder nicht, undt derowegen von denen, so des Desfiats
conversion nicht wüsten, vor einen verdorbenen und verlorenen menschen
müste ahngesehen sein; welches ihm eine schlegte reputation geben würde;
daß es mir frembt vorkomme, daß ein kerl, so fast vor zwey jahren noch
ohne einigen respect, noch vor Monsieur noch vor mich, einem von meinen
jungfern ein kint ahngestellt
[2] undt sie ins hauß hir ins kintbett laßen
kommen, auch noch sein cammer im palais royal voller huren undt buben
hette, meines sohns hoffmeister sein solte; welches meinem sohn ein schlecht
exempel geben könte; daß ich aber noch mehr ursachen hette, Monsieur zu
bitten, dießem menschen meinen sohn nicht ahnzuvertrawen: daß er mein
ärgster feindt seye, daß Monsieur sich noch woll erinern könte, wie ich ihm vor
seinen augen überwießen alles was er auff mich gelogen hette, daß er mich
ja auff den knien vor Monsieur selber hette deßwegen umb verzeiung
gebetten, daß also mir nichts in der welt schmertzlicher sein könte, alß meinen
einigen sohn die recompens zu sehen von alles übels, so dießer gottloß
mensch mir zuwegen gebracht undt mich umb die ehre durch seine lügen
bringen wollen undt Monsieur ebigen
[3] haß auff mich ziehen, daß ich also
nichts alß haß auch von meinem sohn müste gewertig sein, wenn er einen
solchen hoffmeister haben würde; daß Monsieur herr undt meister seye undt
meinen sohn in welche hände er wolte geben könte, allein daß Desfiat sein
leben weder meine aprobation noch consentement haben würde; undt wenn
mein unglück wolte, daß man meinem sohn dießen hoffmeister gebe, so müste
man nicht vor übel nehmen, daß ich mich bey der gantzen welt entschuldigte
undt zu erkennen gebe, daß es ohne meinen willen geschehen. Ahnfangs
sagte Monsieur, mad. de Maintenon hette die sach sehr aprobirt undt hette
dem König drin consentiren machen; ich antwortete, das were ein schlim
zeichen vor Monsieur undt meinen sohn, denn weillen I. M. zugeben, daß
er in dieße hände fielle, were es ein zeichen, daß er nichts mehr nach meinem
[113]
sohn fragte, denn dem König alle des Desfiats laster so woll bekandt weren,
daß er mir selber offt davon gesprochen hette, wie es auch in der that wahr
ist, daß, was mad. de Maintenon aprobation ahnginge, solte Monsieur
selbige in dießem stück vor suspect halten, indem die liebe, so sie vor mons.
du Maine hatt, welchen sie erzogen undt wie ihr eygen kint liebt, groß
genung seye, umb zu wünschen, daß er meinen sohn ahn tugenden übertreffen
würde, derowegen gar gern consentiren, daß Desfiat meines sohns
hoffmeister seye, aber daß dießes Monsieur eben die augen öffnen solte undt
weißen, wie wenig dießer hoffmeister tüchtig vor seinen sohn seye. Ahnfangs,
alß Desfiat sahe, daß ich mich so sehr oponirte, sagte er, er wolte es nicht
seyn, hernach aber gereüte es ihm undt er suchte die sach mehr alß nie.
Monsieur hatte mir schon sagen laßen, doch mitt etwaß verdruß, daß Desfiat
nicht hoffmeister sein wolte undt nicht sein würde, weillen er es nicht wolte,
aber die sach were gar nicht meinetwegen zurückgangen. Ich antwortete in
lachen, daß Monsieur mir die mühe durch diß compliment sparte, ihm zu
dancken, daß ich aber eine solche freüde hette, daß ich nicht würde laßen
können, nicht allein Monsieur, sondern auch Desfiat selber davor zu dancken.
Ich war selbigen abendts wider guttes muhts undt meinte, es were alles
gutt: hernach aber schickte man mir Monsieur seinen beichtvatter, undt alß
ich nach Paris ging, sagte mir die contesse de Beuveron
[4], daß Monsieur
ihr auch seinen cantzler
[5] geschickt, umb mir eine proposition vorzutragen,
weillen aber leyder all eins seindt, so will ich sie E. L. hir sagen undt auch
meine andtwort; doch der unterschiedt von beyden war, daß des
beichtsvatters comission nicht so erschrecklich hart war alß die von der contesse
de Beuveron. Ob der gutte jesuwitt mir die sach adoucirt nach seinem
belieben, weiß ich nicht. Monsieur ließ mir sagen: daß er gantz resolvirt
hette, den Desfiat zum hoffmeister zu machen, ich mögte mein consens drin
geben oder nicht; derowegen würde ich woll thun, mich in der sach zu
ergeben, daß, wofern ich die sach mitt agrement thete, wolte er mir eine carte
blanche geben, umb drauff zu schreiben was ich nur begehrte, er wolle auch
die contesse de Beuveron widersehen, sie woll tractiren undt alles suchen
was er thun könte, mir zu gefahlen; wofern ich mich aber opiniantriren
würde undt sagen, daß die sach wider meinen willen geschähe, so würde es
nicht desto weniger geschehen, aber der unterschiedt würde sein, daß er mich
mein leben unglücklich machen wolte, der contesse de Beuveron verbitten,
mich nie zu sehen, mir alles abschlagen was ich von ihm begehren mögte,
mir allen desgoust geben, so immer möglich sein kan, allen esclat machen,
so mir zuwider sein könte, undt dadurch woll erweißen, daß er herr in seinem
hauß seye. … Seiderdem hatt der König einen hoffmeister vor mons. le duc
[114]
de Bourgogne gewehlt
[6], welches woll einer von den tugendhafftesten menschen
von der welt ist; derowegen hab ich ahn I. M. geschrieben undt gebetten,
sie mögten doch auch eine wahl vor meinen sohn thun, hatt mir aber weder
mitt worten noch schreiben geantwortet. Was auß dießem allen noch werden
wirdt, wirdt die zeit lehrnen. Monsieur protzt ein wenig, aber ich thue gantz
wie ordinarie undt alß wenn nichts vorgangen were, undt bin so höfflich,
alß mir immer möglich ist. Alle tag schickt man mir noch leütte, umb mich
zu persuadiren. Es wundert mich, daß Monsieur nicht ahn E. L. geschrieben,
umb Dero hülff auch zu ersuchen, aber ich glaube, er darff es nicht thun
undt daß E. L. vielleicht werden gehört haben, daß man dießen Desfiat auch
beschuldigt, feue Madame das gifft gegeben zu haben
[7], so der chevalier de
Loraine von Rom durch Morel
[8] geschickt hatte, wie man sagt; welche
accusation, sie seye falsch oder wahr, doch noch ein schöner ehrentitel ist, umb
ihm meinen sohn zu vertrawen. …