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Brief vom 26. August 1689

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


92.


[111]
Versaille den 26. Augusti 1689.
… E. L. müßen wißen, daß meine widerwertige parthey Monsieur in den kopff gebracht hatt, seinen oberstallmeister[1] zu meines sohnes hoffmeister zu machen. Weillen mir aber mitt gantz Franckreich bewust ist, daß dießer mensch einer von den ehrvergessensten undt debauchirtsten kerlen von der welt ist, hab ich Monsieur gebetten, meinem sohn einen andern hoffmeister zu geben, undt meine ursachen seindt dieße, daß es mir deücht, daß es meinem sohn keine ehre sein könte, daß man meinen solte, daß er des Desfiats mestres seye, denn es ist gewiß, daß kein größer sodomit in Franckreich ist, alß dießer, undt daß es ein schlechter ahnfang vor einen jungen [112] printzen seye, mitt den ärgsten debauchen von der welt sein leben ahnzufangen. Auff dießen punckten hatt Monsieur geantwortet, er müste zwar gestehen, daß Desfiat debauchirt geweßen were undt die jungen lieb gehabt hette, allein daß es schon viel jahre were, daß er sich von dießem laster corigirt hette. Ich sagte, daß noch gar wenig jahren were, daß ein hübscher junger Teütscher, so hir were, mir entschuldigung gemacht, daß er nicht so offt zu mir kämme, alß er es wünschte, daß Desfiat ihn zu sehr plagte, wenn er ins palais royal kämme, also were er nicht so lang jahre corigirt, alß seine freünde sagten. Aber gesetzt, daß er etlich jahr geweßen were, ohne dieß laster zu vollziehen, glaubte ich nicht, daß man meinen einigen sohn müste zur prob geben, umb zu sehen, ob der herr oberstallmeister seinen pagen abgesagt hette oder nicht, undt derowegen von denen, so des Desfiats conversion nicht wüsten, vor einen verdorbenen und verlorenen menschen müste ahngesehen sein; welches ihm eine schlegte reputation geben würde; daß es mir frembt vorkomme, daß ein kerl, so fast vor zwey jahren noch ohne einigen respect, noch vor Monsieur noch vor mich, einem von meinen jungfern ein kint ahngestellt[2] undt sie ins hauß hir ins kintbett laßen kommen, auch noch sein cammer im palais royal voller huren undt buben hette, meines sohns hoffmeister sein solte; welches meinem sohn ein schlecht exempel geben könte; daß ich aber noch mehr ursachen hette, Monsieur zu bitten, dießem menschen meinen sohn nicht ahnzuvertrawen: daß er mein ärgster feindt seye, daß Monsieur sich noch woll erinern könte, wie ich ihm vor seinen augen überwießen alles was er auff mich gelogen hette, daß er mich ja auff den knien vor Monsieur selber hette deßwegen umb verzeiung gebetten, daß also mir nichts in der welt schmertzlicher sein könte, alß meinen einigen sohn die recompens zu sehen von alles übels, so dießer gottloß mensch mir zuwegen gebracht undt mich umb die ehre durch seine lügen bringen wollen undt Monsieur ebigen[3] haß auff mich ziehen, daß ich also nichts alß haß auch von meinem sohn müste gewertig sein, wenn er einen solchen hoffmeister haben würde; daß Monsieur herr undt meister seye undt meinen sohn in welche hände er wolte geben könte, allein daß Desfiat sein leben weder meine aprobation noch consentement haben würde; undt wenn mein unglück wolte, daß man meinem sohn dießen hoffmeister gebe, so müste man nicht vor übel nehmen, daß ich mich bey der gantzen welt entschuldigte undt zu erkennen gebe, daß es ohne meinen willen geschehen. Ahnfangs sagte Monsieur, mad. de Maintenon hette die sach sehr aprobirt undt hette dem König drin consentiren machen; ich antwortete, das were ein schlim zeichen vor Monsieur undt meinen sohn, denn weillen I. M. zugeben, daß er in dieße hände fielle, were es ein zeichen, daß er nichts mehr nach meinem [113] sohn fragte, denn dem König alle des Desfiats laster so woll bekandt weren, daß er mir selber offt davon gesprochen hette, wie es auch in der that wahr ist, daß, was mad. de Maintenon aprobation ahnginge, solte Monsieur selbige in dießem stück vor suspect halten, indem die liebe, so sie vor mons. du Maine hatt, welchen sie erzogen undt wie ihr eygen kint liebt, groß genung seye, umb zu wünschen, daß er meinen sohn ahn tugenden übertreffen würde, derowegen gar gern consentiren, daß Desfiat meines sohns hoffmeister seye, aber daß dießes Monsieur eben die augen öffnen solte undt weißen, wie wenig dießer hoffmeister tüchtig vor seinen sohn seye. Ahnfangs, alß Desfiat sahe, daß ich mich so sehr oponirte, sagte er, er wolte es nicht seyn, hernach aber gereüte es ihm undt er suchte die sach mehr alß nie. Monsieur hatte mir schon sagen laßen, doch mitt etwaß verdruß, daß Desfiat nicht hoffmeister sein wolte undt nicht sein würde, weillen er es nicht wolte, aber die sach were gar nicht meinetwegen zurückgangen. Ich antwortete in lachen, daß Monsieur mir die mühe durch diß compliment sparte, ihm zu dancken, daß ich aber eine solche freüde hette, daß ich nicht würde laßen können, nicht allein Monsieur, sondern auch Desfiat selber davor zu dancken. Ich war selbigen abendts wider guttes muhts undt meinte, es were alles gutt: hernach aber schickte man mir Monsieur seinen beichtvatter, undt alß ich nach Paris ging, sagte mir die contesse de Beuveron[4], daß Monsieur ihr auch seinen cantzler[5] geschickt, umb mir eine proposition vorzutragen, weillen aber leyder all eins seindt, so will ich sie E. L. hir sagen undt auch meine andtwort; doch der unterschiedt von beyden war, daß des beichtsvatters comission nicht so erschrecklich hart war alß die von der contesse de Beuveron. Ob der gutte jesuwitt mir die sach adoucirt nach seinem belieben, weiß ich nicht. Monsieur ließ mir sagen: daß er gantz resolvirt hette, den Desfiat zum hoffmeister zu machen, ich mögte mein consens drin geben oder nicht; derowegen würde ich woll thun, mich in der sach zu ergeben, daß, wofern ich die sach mitt agrement thete, wolte er mir eine carte blanche geben, umb drauff zu schreiben was ich nur begehrte, er wolle auch die contesse de Beuveron widersehen, sie woll tractiren undt alles suchen was er thun könte, mir zu gefahlen; wofern ich mich aber opiniantriren würde undt sagen, daß die sach wider meinen willen geschähe, so würde es nicht desto weniger geschehen, aber der unterschiedt würde sein, daß er mich mein leben unglücklich machen wolte, der contesse de Beuveron verbitten, mich nie zu sehen, mir alles abschlagen was ich von ihm begehren mögte, mir allen desgoust geben, so immer möglich sein kan, allen esclat machen, so mir zuwider sein könte, undt dadurch woll erweißen, daß er herr in seinem hauß seye. … Seiderdem hatt der König einen hoffmeister vor mons. le duc [114] de Bourgogne gewehlt[6], welches woll einer von den tugendhafftesten menschen von der welt ist; derowegen hab ich ahn I. M. geschrieben undt gebetten, sie mögten doch auch eine wahl vor meinen sohn thun, hatt mir aber weder mitt worten noch schreiben geantwortet. Was auß dießem allen noch werden wirdt, wirdt die zeit lehrnen. Monsieur protzt ein wenig, aber ich thue gantz wie ordinarie undt alß wenn nichts vorgangen were, undt bin so höfflich, alß mir immer möglich ist. Alle tag schickt man mir noch leütte, umb mich zu persuadiren. Es wundert mich, daß Monsieur nicht ahn E. L. geschrieben, umb Dero hülff auch zu ersuchen, aber ich glaube, er darff es nicht thun undt daß E. L. vielleicht werden gehört haben, daß man dießen Desfiat auch beschuldigt, feue Madame das gifft gegeben zu haben[7], so der chevalier de Loraine von Rom durch Morel[8] geschickt hatte, wie man sagt; welche accusation, sie seye falsch oder wahr, doch noch ein schöner ehrentitel ist, umb ihm meinen sohn zu vertrawen. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. August 1689 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 111–114
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0092.html
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